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Mindestens 14 Tote, darunter zwölf mutmaßliche Al-Kaida-Angehörige, forderte dieser Drohnenangriff am 19. April 2014 in Jemen.
© dpa

US-Enthüllungsportal beschreibt Drohnenkrieg: Eine erfolgreiche Tötung heißt "Jackpot"

Ein US-Internetportal gibt Einblick in den Drohnenkrieg, die Sprache und die Fehlerhaftigkeit der Einsätze. Zugleich sagt ein Ex-Drohnenpilot vor dem NSA-Untersuchungsausschuss: "Ramstein ist immer involviert."

Neue Geheimdokumente eines anonymen Whistleblowers geben Einblick in die umstrittenen Drohnenangriffe der US-Regierung im Kampf gegen Terroristen. Die vom Internetportal „The Intercept“ veröffentlichten Details legen offen, wie die tödlichen Attacken aus der Luft ablaufen und welche Schwächen das von Menschenrechtlern kritisierte Programm hat. Neben der Befehlskette kommt auch ans Licht, unter welchen Kriterien mutmaßliche Terroristen auf die sogenannten „Todeslisten“ gesetzt werden.

„The Intercept“ beruft sich auf eine namentlich nicht genannte Quelle innerhalb amerikanischer Sicherheitskreise. Das Enthüllungsportal hatte zuvor bereits streng geheime Dokumente öffentlich gemacht, die die Abhörskandale um den Geheimdienst NSA ins Rollen brachten. Der Whistleblower habe um Anonymität gebeten, da die Dokumente vertraulich sind und die USA mit äußerster Härte gegen Enthüller geheimer Informationen vorgehen.

Seinen Entschluss, nun an die Öffentlichkeit zu gehen, begründete er mit den Worten: „Diese ungeheuerliche Beobachtungsexplosion - Menschen zu überwachen, sie auf Listen zu sortieren und zu stapeln, ihnen Nummern zuzuweisen, ihnen „Baseball-Karten“ zuzuweisen, ihnen auf einem weltweiten Schlachtfeld Todesurteile ohne Ankündigung zuzuweisen - es war von Anfang an falsch.“

Vertreter der deutschen Regierung sollen von allem gewusst haben

Ähnlich klingen die Aussagen des ehemaligen US-Drohnen-Piloten Brandon Bryant, der am Donnerstag als Zeuge im NSA-Untersuchungsausschuss gehört wurde. Das US-Militär hat Bryant nach eigenen Angaben aus Gewissensgründen verlassen. „Man hat mir quasi die Welt dafür geboten, dass ich bleibe“, sagte er. Er sei Teil einer Maschine gewesen, mittlerweile aber ein scharfer Kritiker von Drohneneinsätzen. Ein Journalist twitterte bei der Anhörung: „Mit Drohnenoperator Brandon Bryant ist endlich die Realität von Überwachung + Töten im Bundestag angekommen.“ Den Ausschuss interessierte vor allem, ob und inwiefern der Drohnenkrieg von Deutschland aus geführt wird.

„Soweit ich weiß, ist Ramstein immer involviert“, sagte der 29 Jahre alte Drohnen-Pilot Brandon Bryant. Vertreter der deutschen Regierung sollen von alldem gewusst haben. „Uns wurde gesagt, dass wir mit der Regierung zusammenarbeiten“, sagte Bryant. „Wenn die deutsche Regierung eine Mobilfunknummer kennt und diese an die amerikanische Regierung weitergibt, ja, dann kann man das nutzen, um eine Person zu exekutieren.“ 

Der 29-Jährige war vor vier Jahren beim US-Militär ausgestiegen und hat seither immer wieder Insider-Informationen offengelegt. Die Angriffe, an denen er beteiligt war, spielten sich nach seinen Angaben im Irak, in Afghanistan, Pakistan, Somalia und im Jemen ab. Am Freitagabend wird Brandon Bryant von der deutschen Sektion der Juristinnen und Juristen gegen ABC-Waffen und der Vereinigung deutscher Wissenschaftler in Karlsruhe der Whistleblower-Preis verliehen.

Zielpersonen werden auf "Baseball-Karten" dargestellt

Die im Internetportal „The Intercept“ veröffentlichten Enthüllungen zeigen unter anderem die zweifelhafte Sprache der Kriegsführung, die Entstehung von Todeslisten und die Fehlerhaftigkeit von Angriffen auf . Bei der Planung und Durchführung von Drohneneinsätzen werden oftmals Codewörter oder Abkürzungen verwendet. Drohnen werden als „Vögel“ betitelt, Menschen als „Ziele“. Bei erfolgreichen Missionen spricht man von einem „Jackpot“, Opfer eines Angriffs werden als „im Einsatz getötete Feinde“ (EKIA - Enemy Killed In Action) bezeichnet.

Exekution ohne Gerichtsverfahren ohne Anklage. Mit Demokratie hat das nichts zu tun.

schreibt NutzerIn mizzi

Informationen über die Ziele werden auf „Baseball-Karten“ dargestellt. Ähnlich wie bei den Sportsammelkarten werden dabei persönliche Informationen zu den „Zielen“ zusammengetragen - Verhaltensmuster, Geheimdienstwert, geografische Daten. Neben dem Geheimdienst CIA führt auch die militärische Kommandoeinrichtung JSOC (Joint Special Operations Command) Drohnenangriffe aus. Insgesamt folgen die Geheimdienste der Devise „find, fix, finish“ (FFF oder F3) - das Ziel finden, fixieren und eliminieren. Der Entscheidungsprozess durchläuft eine sogenannte „Kill Chain“, eine Kette von Befehls- und Entscheidungsträgern, die vom Einsatzleiter vor Ort bis zum Präsidenten reicht.

Die genauen Kriterien, nach denen jemand auf die Liste möglicher Drohnenziele kommt, sind bis heute nicht öffentlich definiert. Für die Obama-Regierung musste anfangs ein Ziel neben der Zugehörigkeit zu Al-Kaida oder ähnlichen Terrorgruppen auch eine signifikante Bedrohung für die USA darstellen. Später konkretisierte Obama die Auswahl dann auf Personen, die eine „anhaltende, zeitnahe Bedrohung für das amerikanische Volk“ bedeuten und die nicht gefangen werden könnten. Ein Anschlag würde nur ausgeführt, wenn mit „Beinahe-Sicherheit“ keine Zivilisten verletzt oder getötet werden.

Die oft als effizient gelobten ferngesteuerten Angriffe erweisen sich nicht selten als fehlerhaft, weshalb neben mutmaßlichen Terroristen immer wieder Zivilisten sterben. Wegen der schwachen US-Präsenz im Jemen und in Somalia verlässt sich das Militär dort auf Signale von Handys und Computern, doch selbst eine Vollzeit-Überwachung aus der Luft ist wegen der großen Strecke zum US-Stützpunkt in Dschibuti unmöglich. Daher verlässt sich das Militär häufig auf Angaben anderer Länder - ein riskantes Unterfangen. Mangels Personal am Boden kann der Besitz von Getöteten - etwa Handy, Computer oder Dokumente - nach einem Angriff nicht ausgewertet werden, um weitere Ziele auszumachen. In einer Studie ist von „entscheidenden Defiziten“ die Rede. (dpa)

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