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Winfried Kretschmann.
© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Landtagswahl in Baden-Württemberg: Ein Wahlsieg, mit dem das Ende der Ära Kretschmann beginnt

Winfried Kretschmann feiert als Ministerpräsident einen deutlichen Wahlsieg im Ländle. Nun muss er auch die eigene Machtübergabe managen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Felix Hackenbruch

Er hat es nochmal allen gezeigt. Noch im Herbst prognostizierten die Demoskopen Winfried Kretschmann bei den Landtagswahlen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Herausforderin Susanne Eisenmann (CDU). Wenige Monate später scheint Kretschmann auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Laut der Hochrechnung des ZDF erzielen die Grünen bei dieser Wahl mehr als 32,7 Prozent (2016: 31,9 Prozent). Die CDU mit Spitzenkandidatin Eisenmann fährt mit 24,1 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Damit haben die Grünen der CDU endgültig den Rang als Volkspartei im Südwesten abgelaufen. Die SPD kommt laut Hochrechnung auf rund 11 Prozent, knapp vor der FDP (10,4) und der Afd (9,7).

Dabei hat der 72-jährige Kretschmann kaum mit seinem Corona-Krisenmanagement überzeugt. Beim Impfen steckt Baden-Württemberg bundesweit im hinteren Mittelfeld fest, die geplante frühere Schulöffnung scheiterte krachend. Doch die fiel vor allem Kultusministerin Eisenmann auf die Füße. „Unser stärkstes Pferd im Stall ist Frau Eisenmann“, ätzten Grüne schon vor Wochen.

Diese Analyse vernachlässigt jedoch Kretschmanns Leistung. Mit ihm können sich viele Bevölkerungsgruppen im Ländle identifizieren. Er gilt als bodenständig, glaubwürdig, ein bisschen dickköpfig und unbestechlich – Attribute, die im Lichte der Maskenaffäre der Union noch einmal heller schienen.

Jetzt liegt es in der Hand von Kretschmann, wohin er das Land steuert. Weiter im Bündnis mit einer maroden CDU oder in eine womöglich anstrengende Dreierkoalition mit SPD und FDP. Für Grün-Rot könnte es nur sehr eng reichen. So oder so, sein dritter Wahlsieg markiert eine Zeitenwende. Land und Partei stehen vor einer Zäsur. Von einem „Jahrzehnt der Entscheidungen“ spricht der alte und voraussichtlich neue Ministerpräsident.

Die Automobil- und Zulieferer-Industrie mit 500.000 Jobs steht vor einer historischen Transformation. Im Bildungsbereich ist Baden-Württemberg abgerutscht, Wohnungs- und Mietpreise steigen unaufhörlich. Und dann ist da noch der Klimawandel.

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Die Wälder im Ländle kranken, jeder zweite Baum hat wegen Hitze, Dürre und Parasiten Schäden. Die Grünen haben als Seniorpartner bei ihrem Kernthema nicht so viel erreicht, wie sie sich erhofft hatten.

Zwar verdreifachten sich die Ausgaben für Naturschutz und im nördlichen Schwarzwald wurde der größte Naturpark Deutschlands eingerichtet, gleichzeitig stockt der Ausbau der erneuerbaren Energien.

2020 wurden nur zwölf Windkraft-Anlagen in Betrieb genommen, jeden Tag fast fünf Hektar Fläche versiegelt und mit der CDU als Koalitionspartner wurde keine Pflicht für Photovoltaikanlagen auf privaten Dächern beschlossen.

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Die Herausforderungen für die Post-Pandemie-Zeit im Ländle sind enorm, gelöst werden können sie nur gesamtgesellschaftlich. Ideale Bedingungen für einen Vermittler wie Kretschmann mit seiner Politik des Gehörtwerdens – wäre er nicht schon fast 73 Jahre alt.

Offiziell tritt Kretschmann für die volle Legislaturperiode an, zuletzt ließ er sich aber einen Ausstieg offen, sollte ihm die Kraft ausgehen. Und was, wenn im nächsten Jahr das Amt des Bundespräsidenten frei wird? Wer soll dann Ländle und Partei einen? Hinter Kretschmann klafft eine große Lücke. Und so scheint der Wahlsieg der Anfang vom Ende der Ära Kretschmann.

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