Erstes TV-Duell Clinton versus Trump: Ein Sieg, der erst einmal wenig zählt
Hillary Clinton war besser vorbereitet, kenntnisreicher und gilt als Siegerin. Aber hat sie mit ihrem Auftritt unentschiedene Wähler gewonnen? Ein Kommentar.
Auf den ersten Blick ist Hillary Clinton die Siegerin des TV-Duells gegen Donald Trump. Auf den zweiten vielleicht doch nicht. Sie hat den Großteil der Wortgefechte um die Sachthemen für sich entschieden. Sie war besser vorbereitet. Sie hat keinen groben Fehler gemacht. Aber hat sie Wähler, die bisher eher Trump zuneigten oder unentschieden waren, für wen sie stimmen wollen, für sich gewonnen?
Blitzumfrage erklärt sie zur Siegerin
Die Bürger und Wähler sehen eine solche Debatte mit anderen Augen als die Politprofis in den Medien und Wahlkampfstäbe, das zeigt sich jedes Wahljahr erneut. Sie legen andere Bewertungsmaßstäbe an. Die großen TV-Netzwerke machen Blitzumfragen, betreiben "Fact-Checking", wer wie oft die Wahrheit gedehnt hat und versuchen Widersprüche zu früheren Aussagen aufzudecken. Mit diesen Statistiken untermauert dann, zum Beispiel, der Sender CNN, warum er Clinton zur Siegerin erklärt. 62 Prozent der CNN-Zuschauer bewerten es so. Freilich haben bei CNN auch doppelt so viele erklärte Demokraten wie Republikaner die Debatte gesehen, was CNN auch gar nicht verschweigt.
Die Bürger führen in der Regel keine Strichlisten, wer öfter schwindelt oder den anderen unterbricht. Sie achten mehr darauf, wen sie für sympathischer, überzeugender, mitfühlender, präsidialer halten. Und wer die Themen anspricht, die in ihrem Alltag eine Rolle spielen.
Eine häufige Klage in Interviews mit Zuschauern war auch in der Nacht zu Dienstag, dass Alltagsthemen wie die privaten Kosten der Gesundheitsversorgung nicht zur Sprache gekommen seien.
Dennoch haben diese Debatten einen hohen Aufklärungswert. Sie zeigen, welch unterschiedliche Programme und Persönlichkeiten zur Wahl stehen.
Trump gewinnt das erste Drittel
Trump hatte seine stärksten Momente im ersten Drittel der 90-minütigen Debatte. Berufspolitiker haben die USA in die verfahrene Lage gebracht. Warum solle man einer Person wie Hillary, die seit Jahrzehnten in dieser Führungsschicht mitmischt, zutrauen, das Land aus der Krise zu führen? Das Thema, an dem er diese Zweifel durchdekliniert, die Folgen der Freihandelspolitik für amerikanische Arbeiter, verfängt bei vielen Wählern.
Auch sein zweites Kernargument findet Resonanz. Berufspolitiker wie Clinton versprechen alles mögliche im Wahlkampf, erreichen im Amt aber wenig davon. "Viele Worte, keine Taten." Er komme als unbelasteter Seiteneinsteiger in die Politik und habe in der Privatwirtschaft bewiesen, dass er Ergebnisse erziele.
In der zweiten Hälfte verhedderte Trump sich immer mehr in Widersprüche, vor allem aber verzettelte er sich und verschwendete zu viel seiner Redezeit darauf, mit schwer nachvollziehbaren Detailerklärungen Clintons Angriffe zu widerlegen. Da geriet er klar in die Defensive.
Clinton punktet mit drei Angriffen
Hillary Clinton setzte ihm vor allem mit drei Themen schwer zu. Warum veröffentlicht er seine Steuererklärungen nicht, wie das alle Präsidentschaftskandidaten seit Jahrzehnten tun? Was hat er zu verbergen? Könnte herauskommen, dass er kaum Steuern zahlt und, obwohl er Milliardär ist, nichts beiträgt zur Finanzierung des Militärs, der Veteranen, der Schulen?
Zweitens, müsse man, da er seinen Erfolg als Geschäftsmann zu seiner Hauptqualifikation erkläre, sein Geschäftsgebaren genauer anschauen. Oft habe er Handwerker, die für ihn arbeiteten, nicht bezahlt. Und zudem sechs Mal Bankrott erklärt. Drittens rede er beleidigend über Frauen, nenne sie "Schweine" und "Hunde".
Beide erreichen ihre destruktiven Ziele
Beide hatten ein positives und ein destruktives Ziel in dieser Debatte. Trumps wollte sich als präsidial präsentieren und Clinton als Berufspolitikerin, die lüge und nichts erreiche abstempeln. Clinton wollte sich selbst als kompetent, glaubwürdig und mitfühlend zeigen und Zweifel an Trumps Eignung für das höchste Amt wecken. Es passt zur negativen Stimmung in diesem außergewöhnlichen Wahljahr, dass beide mit ihrem destruktivem Ansatz, den Gegner zu disqualifizieren, mehr Erfolg hatten als mit dem konstruktiven Bemühen, sich selbst in gutem Licht zu zeigen.
Alles in allem hat die erste TV-Debatte die ohnehin verbreiteten Bilder der beiden Kandidaten bestätigt und verstärkt. Der überwältigende Teil der Bürger, die zur Wahl gehen wollen, haben sich längst für ihn oder sie entschieden. Der Anteil unentschiedener Wähler ist 2016 geringer als in anderen Wahljahren. Clinton hat die bessere Figur gemacht und war kenntnisreicher. Damit hat sie aber lediglich die Erwartungen erfüllt und nicht unbedingt Wähler hinzugewonnen.
Der Trend ist wieder auf Hillarys Seite
Trump dürfte es erst recht nicht gelungen sein, neue Wähler von sich zu überzeugen. Und das ist ihr eigentlicher Erfolg. Ihr Tief in den Umfragen hat sie seit etwa einer Woche überwunden, der Trend zeigt wieder leicht aufwärts. Und wenn die Debatte ihr hilft, diesen Trend fortzusetzen, dann ist auch das ein kleiner Sieg.
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