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Die griechischen Banken schlagen Alarm: Aus Angst vor einer Verschärfung der Krise ziehen viele Griechen ihr Geld ab.
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Update

Neuwahlen am 17. Juni: Ein Richter soll Griechenland regieren

In Griechenland steht der Termin für die Neuwahlen fest - und die Sorge um das Wahlergebnis greift in Europa um sich: Denn hier steht die europäische Zukunft des Landes zur Abstimmung. Auch die Bürger selbst verfallen in Unruhe und heben in Massen ihr Geld von den Konten ab.

In Griechenland soll es nach übereinstimmenden Medienberichten am 17. Juni Neuwahlen geben. Dies beschlossen der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias und die Vorsitzenden der wichtigsten griechischen Parteien am Mittwoch in Athen. Die Interimsregierung soll nach Angaben des Staatsfernsehens der höchste Richter des griechischen Verwaltungsgerichtshofes, Panagiotis Pikrammenos, führen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat die Menschen in Griechenland vor den Neuwahlen zur Verantwortung gemahnt. „Das griechische Volk muss wissen, worüber es abstimmt - nicht über Parteipolitik, sondern über Griechenlands Zukunft in Europa und auch mit dem Euro“, sagte Westerwelle am Mittwoch in Berlin. Die Bundesregierung hoffe darauf, dass es in Griechenland wieder stabile Verhältnisse geben werde. „Wir erwarten, dass jeder, der in Griechenland entscheidet, sich seiner Verantwortung bewusst ist“, sagte der Minister. Wörtlich fügte Westerwelle hinzu: „Hier geht es um viel, um sehr viel.“ Der FDP-Politiker wiederholte, dass Griechenland auf die Solidarität der anderen EU-Staaten zählen könne. Es müsse jedoch auch seiner eigenen Verantwortung gerecht werden. „Es wird eine Erholung nur geben, wenn die Reformpolitik auch fortgesetzt wird.“

Mit 18 Milliarden Euro aus dem neuen Rettungspaket von EU und IWF wird den krisengeschüttelten griechischen Banken unter die Arme gegriffen. Diese Gelder stammen aus dem Hilfsprogramm von 130 Millarden Euro für Griechenland, die der Euro-Rettungsschirm EFSF in mehreren Tranchen auszahlen soll. Die 18 Milliarden Euro seien bereits auf ein Sonderkonto der griechischen Zentralbank (Bank of Greece) überwiesen worden, teilte die Regierung in Athen nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens am Mittwoch mit.

Die zerfahrene politische Lage in Griechenland stürzt die Griechen nach den Worten von Staatschef Karolos Papoulias in tiefe Unruhe: Am Montag seien 700 Millionen Euro von den Banken des Landes abgehoben worden, berichtete Papoulias am Dienstag unter Berufung auf Staatsbankchef Georgios Provopoulos. Der Staatsbankchef habe ihm erklärt, dass die Lage der Banken „sehr schwierig“ und das Banksystem „derzeit sehr schwach“ sei. Provopoulos habe ihn gewarnt, dass die Lage sich in den nächsten Tagen noch verschärfen werde. Derzeit bestehe zwar noch keine Panik, „doch es bestehen viele Ängste, die in Panik umschlagen könnten“, sage Papoulias. Die gescheiterten Versuche zur Regierungsbildung in Griechenland hatten Sorgen über die Zukunft des Landes in der Eurozone ausgelöst. Im Juni soll es Neuwahlen geben.

Auch die Finanzmärkte sind in Unruhe: Die Berg- und Talfahrt setzte sich am Mittwoch fort. Nach anfänglich deutlichen Verlusten kam es im Tagesverlauf zu einer leichten Stabilisierung. An den Anleihemärkten Spaniens und Italiens entspannte sich die Lage etwas, nachdem die Renditen zuvor deutlich gestiegen waren. Zunächst habe die ungewisse politische Zukunft in Griechenland die Anleihekurse noch stark belastet, sagten Händler. Im Tagesverlauf verbesserte sich die Stimmung an den Finanzmärkten jedoch. Dazu hätten auch positiv aufgenommene Konjunkturdaten aus den USA beigetragen. Auch der Eurokurs erholte sich etwas und lag wieder über 1,27 US-Dollar. Angesichts der anstehenden Wahlen in Griechenland am 17. Juni dürfte die Lage an den Anleihemärkten der Randländer der Eurozone jedoch angespannt bleiben, warnten Händler. Auch eine nachhaltige Erholung des Eurokurses sei nicht zu erwarten.

Die chaotischen Sondierungsgespräche in Bildern:

Bis zur Wahl wird eine geschäftsführende Regierung unter Vorsitz eines hohen Richters das Krisenland führen. Panagiotis Pikrammenos ist am Mittwoch als Chef einer Übergangsregierung vereidigt worden. Der bisherige Chef des höchsten Verwaltungsgerichtshofes in Athen soll das Land bis zu den Neuwahlen am 17. Juni führen. Viel Macht hat er allerdings nicht: Der Regierungschef soll vor allem für die einwandfreie Durchführung der Wahlen sorgen. Neue Gesetze kann sein Kabinett nicht auf den Weg bringen.

Bei den Wahlen vom 6. Mai hatten die beiden griechischen Traditionsparteien, die konservative Nea Dimokratia und die sozialistische Pasok, die grundsätzlich an dem Konsolidierungspakt mit den europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds festhalten wollen, schwere Verluste erlitten. Gestärkt gingen aus der Wahl Parteien hervor, die den Sparkurs ablehnen, wie die ultra-nationalistischen Unabhängigen Griechen und das Bündnis der radikalen Linken (Syriza), die mit knapp 17 Prozent zweitstärkste Kraft im neuen Parlament wurde. Sie spielte eine Schlüsselrolle bei den achttägigen Marathon-Verhandlungen um eine Regierungsbildung. Syriza-Chef Alexis Tsipras lehnte jedoch jede Regierungsbeteiligung ab und weigerte sich auch, eine Technokratenregierung zu stützen.

Die anderen Parteien wollten gegen das Syriza keine Regierung bilden, die es unter dem Druck der Straße wohl sehr schwer gehabt hätte. Tsipras hofft offenbar, aus Neuwahlen erneut gestärkt hervorzugehen. Meinungsumfragen sehen seine Partei bereits als stärkste politische Kraft. Damit wäre wohl ein Ende des Sparkurses besiegelt – mit ungewissen Konsequenzen für Griechenlands Mitgliedschaft in der Währungsunion und der EU. Eindringlich hatte Staatspräsident Papoulias in den vergangenen Tagen die Parteiführer an ihre Verantwortung erinnert. Die Differenzen der Parteien seien „klein und unbedeutend im Vergleich zu dem, was wir dem Land schulden“. Papoulias warnte vor einem „Monat der Tragödie“, der dem Land drohe, wenn sich die Regierungsbildung weiter verzögere.

Immer prekärer wird die Lage der griechischen Banken, da viele Kunden aus Angst vor einer drohenden Staatspleite und einer Rückkehr zur Drachme ihr Geld abheben. „Die Gefahr ist real“, sagte Papoulias: Setze sich die Kapitalflucht fort, drohe dem Bankensystem der Zusammenbruch. Auch in den Staatskassen herrscht Ebbe, weil die Steuereinnahmen dramatisch eingebrochen sind. Überdies hat die EU angesichts des politischen Vakuums die Überweisung weiterer Raten der zugesagten Hilfskredite vorerst storniert. Nach inoffiziellen Informationen hat das Finanzministerium inzwischen einen weitgehenden Zahlungsstopp verhängt. Lieferanten werden bis auf weiteres nicht bezahlt, alle Überweisungen an Staatsunternehmen und Behörden wurden eingefroren. Damit versucht der Finanzminister sicherzustellen, dass er im Juni wenigstens Gehälter und Renten zahlen kann.

Die unsichere Situation in Athen belastet die Konjunktur der anderen Euro-Ländern. So entging die Wirtschaft der Euro- Zone in den ersten Monaten des Jahres ganz knapp einer Rezession – und das auch nur dank des überraschend kräftigen Wachstums in Deutschland, wie aus am Dienstag veröffentlichten Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat hervorgeht. Während das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland von Januar bis März um 0,5 Prozent zum Vorquartal stieg, stagnierte es in der Euro-Zone insgesamt. In Griechenland brach die Wirtschaft binnen Jahresfrist um 6,2 Prozent ein. Unterdessen haben sich Linksextremisten aus Berlin zu dem Brandanschlag von Sonntagnacht bekannt, der gegen den Chef der EU-Task-Force für Griechenland gerichtet war. Horst Reichenbach wohnt in Potsdam. Die Brandenburger Ermittler stehen bereits in Kontakt mit der Bundesanwaltschaft. (mit dpa/AFP/axf/rtr)

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