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Angela Merkel muss eine Grundsatzdebatte in der Union anstoßen und auch ihre Gegner einbinden.
© Odd Andersen/AFP

Richtungsstreit in der Union: Ein Rechtsruck der CDU hilft niemandem

Merkel muss das ganze Spektrum der Union um sich versammeln, um den Status als Volkspartei zu sichern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Das aktuelle Grundsatzprogramm der CDU stammt aus dem Jahr 2007. Donald Trump war damals noch ein Unternehmer, vom Ausmaß der bevorstehenden Finanzkrise machte sich kaum jemand eine Vorstellung, geschweige denn von der daraus resultiereden Eurokrise. Die Zahl der Asylanträge lag bei 30 000 und an einen Brexit dachte damals nicht mal David Cameron.

Es spricht also einiges dafür, dass die CDU zehn Jahre später, auch angesichts von aktuellen Umfragewerten unterhalb der 30- Prozent-Marke, eine interne Debatte anstößt, um christdemokratische Antworten auf die innen- und außenpolitischen Herausforderungen zu formulieren: Die Digitalisierung stellt die Arbeitswelt auf den Kopf, die Integration der Migranten ist eine enorme gesellschaftliche Herausforderung, die EU lähmt sich institutionell selbst und autokratische Regime wie in China, Russland, der Türkei oder in osteuropäischen Nachbarländern gefährden auch hier in Deutschland Freiheit und Sicherheit.

Die CDU braucht ein neues Grundsatzprogramm

Der jetzt beginnende Richtungsstreit in der CDU zeigt zwar, dass die Position der Kanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel geschwächt ist. Schlaflose Nächte muss sie aber nicht deswegen bekommen, weil jetzt alte Widersacher wie der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch oder der Ex-Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz scharfe Kritik am Koalitionsvertrag, insbesondere der Ressortverteilung äußern. Denen geht es nur darum, alte Rechnungen zu begleichen, konstruktive Vorschläge Fehlanzeige.

Umso wichtiger wäre es aber, dass Merkel jetzt selbst die Debatte vorantreibt. Sie muss klarstellen, dass ein Rechtsruck der Union falsch ist, wie ihn konservative Kreise in der Partei, angeführt von Jens Spahn, fordern.

Wähler der AfD holt man damit nicht zur CDU. Die Rechtspopulisten sind vor allem in strukturschwachen Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit wirklich stark mit Ergebnissen von über 15 Prozent, sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in den ostdeutschen Bundesländern. Dort haben die jetzigen AfD-Anhänger früher aber überwiegend bei der SPD und der Linkspartei ihr Kreuz gemacht. Im Gegenteil würde die Union viele Wähler in der Mitte verlieren, sollte sie wirklich versuchen, die AfD in einigen Politikbereichen rechts zu überholen.

Überholt man die AfD rechts, verliert man viel mehr in der Mitte

Wie es gehen könnte, hat Armin Laschet, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und CDU-Vize, vorgemacht. Nach der Niederlage bei den Landtagswahlen 2012 startete er auf Landesebene eine Diskussion, an der sich alle Strömungen der Partei beteiligten. Die Wirtschaft, die Kirchen, der Arbeitnehmerflügel, gesellschaftliche Gruppen, alle brachten sich ein. Mit einem geschlossenen Auftritt gelang 2017 der Wahlsieg und die Ablösung rot-grünen Landesregierung.

Neben dem Anstoß zu einer notwendigen Grundsatzdebatte wäre Merkel daher gut beraten, auch an ihrem Kabinettstisch ein möglichst breites Spektrum der Union zu versammeln. Nur wenn beides gelingt, kann die CDU langfristig ihren Status als Volkspartei sichern.

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