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Richter am Bundesverfassungsgericht
© dpa/Uli Deck

Kandidat für das Bundesverfassungsgericht: Ein Politiker ist der falsche Richter für das Rechte

Der CDU-Politiker Stephan Harbarth soll nach Karlsruhe. Darüber ist man sich im Parlament einig. Eine richtige Wahl - zum falschen Zeitpunkt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Bis Jahresende sollen zwei Personalien geklärt werden, die in Posten an die Spitze der Republik führen können. Im Dezember unter großem Aufsehen die Wahl, wer der CDU vorsteht und damit die Kanzlerinnennachfolge beanspruchen darf; in dieser Woche das demgegenüber eher leise parlamentarisches Einvernehmen, wer als absehbar nächster Präsident in das Bundesverfassungsgericht einrücken wird.

Als aussichtsreichste Kandidaten stehen zwei Männer bereit, die aufgrund ähnlichen Profils parallelen Anwürfen auszuweichen haben. Friedrich Merz und Stephan Harbarth. Beide CDU, beide gut im Anwaltsgeschäft, beide professionell vorbelastet; das Engagement beim Vermögensverwalter Blackrock beim einen, beim anderen das für Volkswagen im Abgasskandal. Beide sind zumindest fallweise ausgewiesen Konservative, wie Merz mit seinem Versprechen beglaubigt, AfD-Wähler zurückzuholen, und Harbarth mit Kritik an der Homo-Ehe.

Die Konsensmaschine fliegt auseinander

Ähnliche Fälle, verschiedene Ämter: Es fällt auf, dass in der Diskussion um Harbarth private Geschäfte und politische Positionen ein Randaspekt bleiben, die dagegen Merz im Schaulauf der nächsten Wochen begleiten werden. Bei der Richterwahl scheint die alte deutsche Konsensmaschine noch zu funktionieren, die auf anderen Politikfeldern nach und nach auseinanderfliegt. Die Justiz als Entschleuniger und Friedensstifter – voran das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das von der Euro-Krise bis zum Kopftuchstreit herausragendes Vertrauen bei der Aufarbeitung von Konflikten genießt, die der politische Prozess ungelöst lässt.

Stephan Harbarth (CDU) während einer Sitzung des Bundestags.
Stephan Harbarth (CDU) während einer Sitzung des Bundestags.
© Soeren Stache/dpa

Recht lässt sich ausgezeichnet skandalisieren

Doch vielleicht täuscht man sich. So, wie der Rechtsruck in Deutschland vergleichsweise lange brauchte, um in die Parlamente zu dringen, kann er auch die dritte Gewalt erreichen. Siehe Polen oder USA – auch wenn dort andere Rechtskulturen herrschen. Schon jetzt ist das Anschwellen eines immer vorhanden gewesenen Justizressentiments spürbar, wie es sich in Kritik an Asylentscheiden, Paragrafenreiterei oder vermeintlich zu milden Strafurteilen entlädt. Recht lässt sich, aus Zusammenhängen gerissen und nach Volkes Empfinden umgedeutet, ausgezeichnet skandalisieren, wie aktuell die Kampagne gegen den UN-Migrationspakt belegt. Hinzu kommt ein nicht nur in rechten Kreisen artikuliertes Bedürfnis nach dem einzig richtigen, dem reinen Recht – das immer nur das eigene ist und nie das der anderen.

Die Persönlichkeit verschwindet im Richtergremium

Zum Erfolg des Verfassungsgerichts trug bei, dass es Politiker als Richter einließ, aber Politik auf Abstand hielt. Trotz umstrittener Intransparenz des Wahlverfahrens ist es den Abgeordneten in all den Jahren gelungen, leistungsfähige Kandidaten anzuwerben, ohne deren Identität zu überhöhen. Anders etwa als in den USA spiegelt sich Autorität und Legitimität eines deutschen Urteils auch kaum in der Richterpersönlichkeit; es ist das Anknüpfen an gegebene Interpretation und deren wissenschaftliche Kritik, die den Einzelnen in der Gesamtheit des Richtergremiums verschwinden lässt. Auch ein Gerichtspräsident Harbarth wäre im Senat nur einer von acht. Die Frage ist nur: Ist der Geeignete für das Künftige auch der Beste? Hier tun sich Zweifel auf bei einem Bewerber, der neben den nötigen Examen ein nahezu ausschließlich parteipolitisches Format mitbringt. Er mag daher eine richtige Wahl sein. Aber er ist es wohl zu einem falschen Zeitpunkt.

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