Militärische Zusammenarbeit in der EU: Ein Meilenstein dank Donald Trump
Der Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion kommt voran. 23 EU-Staaten werden zusammenarbeiten und wollen so unabhängiger von den USA werden.
Es war kein Zufall, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian am Montag gemeinsam mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini im Zentrum eines europäischen Familienfotos standen, auf dem eine wichtige Etappe der EU-Geschichte festgehalten wurde. Die verstärkte Zusammenarbeit in der europäischen Verteidigungspolitik, die am Montag in Brüssel besiegelt wurde, geht in erster Linie auf Deutschland und Frankreich zurück. Neben Leyen und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) setzten die Außen- und Verteidigungsminister aus 22 weiteren europäischen Hauptstädten ihre Unterschriften unter einen Grundsatzbeschluss, der gemeinsame Einsätze und Rüstungsprojekte befördern soll. Gabriel sprach von einem „Meilenstein in der europäischen Entwicklung“.
Dass dieser Meilenstein erreicht werden konnte, hat nicht zuletzt mit dem Wahlsieg des US-Präsidenten Donald Trump vor einem Jahr zu tun. Trump hat das Bewusstsein der Europäer dafür geschärft, dass sie künftig in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik stärker auf eigenen Füßen stehen müssen. „Es war für uns wichtig gerade nach der Wahl des amerikanischen Präsidenten, uns eigenständig aufzustellen als Europäer“, sagte Leyen. Zwar gilt die am Montag aus der Taufe gehobene „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ zwischen einzelnen europäischen Mitgliedstaaten, die im EU-Jargon „Pesco“ heißt, ausdrücklich nicht als Konkurrenz zur Nato. Aber sie soll die vorhandenen Verteidigungskapazitäten der teilnehmenden Staaten bündeln und gemeinsame Missionen erleichtern.
Liste mit mehr als 50 Vorhaben
Im Rahmen der „Pesco“ sollen nun konkrete Projekte ausgearbeitet werden. Denkbar ist beispielsweise die gemeinsame Entwicklung von Kampfpanzern, Drohnen, Satelliten oder Kampfjets. Auch eine in Krisenregionen verlegbare Krankenstation könnte zu den gemeinsamen Vorhaben gehören. Weil sich die einzelnen EU-Staaten parallel verschiedene Waffensysteme – etwa bei Kampfflugzeugen – leisten, entstehen in der Europäischen Union jährlich vermeidbare Kosten in Milliardenhöhe. Diese rüstungspolitische Kleinstaaterei soll die „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ im Verteidigungsbereich künftig eindämmen.
Nach den Worten der EU-Außenbeauftragten Mogherini haben die Mitgliedstaaten bislang eine Liste von mehr als 50 Vorhaben für gemeinsame Rüstungsvorhaben oder Missionen vorgestellt. Bis zum nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember sollen sich die Pesco-Teilnehmerländer auf zehn gemeinsame Projekte verständigen.
Verstärkung von EU-Missionen in Afrika
Laut dem am Montag unterzeichneten Grundsatzbeschluss verpflichten sich die Teilnehmerstaaten, gemeinsame befristete Einsätze wie beispielsweise die europäische Militärmission im Tschad 2008 und 2009 „substantiell“ mit finanziellen Mitteln und militärischen Fähigkeiten zu unterstützen. Ursprünglich hätte sich Frankreich gewünscht, dass sich eine verhältnismäßig kleine „Koalition der Willigen“ im Kreis der Pesco-Staaten auf ehrgeizige Militärmissionen konzentriert.
Allerdings war der Bundesregierung daran gelegen, den Kreis der Teilnehmerländer möglichst groß zu halten und auch kleinen Mitgliedstaaten eine Chance zur Mitwirkung zu geben. Die Bundesregierung wollte so verhindern, dass die Pesco zum Spaltpilz in der EU wird. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn erklärte denn auch, dass die neue Militärzusammenarbeit auch eine zivile Komponente habe. Auch Österreich wird sich – im Rahmen seiner Möglichkeiten als neutraler Staat – an der Kooperation beteiligen.
Der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) mahnte unterdessen verlässliche Zusagen Deutschlands an die EU an und erinnerte daran, dass die Bundesrepublik im Rahmen der Nato bereits zweimal aus Einsätzen mit multinational besetzten Awacs-Aufklärungsmaschinen ausgestiegen sei. „Wenn Fähigkeiten geteilt werden, muss sichergestellt sein, dass diese dann auch zur Verfügung gestellt werden“, sagte Rühe bei einer Nato-Tagung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und der Deutschen Atlantischen Gesellschaft in Berlin.
Großbritannien unterstützt die Pläne - macht aber nicht mit
Fünf EU-Staaten schlossen sich am Montag nicht der neuen Zusammenarbeit an: Dänemark, Irland, Malta, Portugal und Großbritannien. Vor allem der Widerstand Londons hatte in der Vergangenheit eine stärkere Zusammenarbeit der EU-Staaten bei der Verteidigung vereitelt. Mit dem Brexit-Votum der Briten vom Juni 2016 und dem absehbaren Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU hat sich der Wind in der Gemeinschaft allerdings gedreht – London spielt als Bremser bei der gemeinsamen EU-Verteidigungspolitik keine Rolle mehr. Der britische Außenminister Boris Johnson erklärte am Montag in Brüssel immerhin, dass London die EU-Pläne „unterstützt“.