Die Ukraine und der inszenierte Mord an Babtschenko: Ein Geschenk für den Kreml
Ukrainische Behörden haben den Tod des Journalisten Arkadi Babtschenko vorgetäuscht. Das nutzt in erster Linie Moskaus Propagandisten. Ein Kommentar.
Die gute Nachricht zuerst: Arkadi Babtschenko lebt. Der Journalist tauchte einen Tag nach seiner vom ukrainischen Geheimdienst inszenierten Ermordung wieder auf. Das ist in dieser unglaublichen Geschichte aber die einzige gute Nachricht.
Die Kritik am ukrainischen Vorgehen darf nicht verdecken, dass die Sorge um Babtschenkos Leben einen ernsten Hintergrund hat: Vor einem Jahr ist der Journalist aus seiner Heimat geflohen, weil es eine massive Kampagne gegen ihn gegeben hatte und er sein Leben in Gefahr sah. Babtschenko, ein ehemaliger Soldat, ist einer der wenigen Russen, die die Kriege des Kremls in Syrien und der Ukraine kritisieren.
Damit hat er in Russland ein Tabu gebrochen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind viele russische Journalisten ermordet worden. Dass auch Babtschenko auf einer Todesliste stehen könnte, ist plausibel.
Heiligt der Zweck jedes Mittel?
Der ukrainische Geheimdienst argumentiert, die Inszenierung sei notwendig gewesen, um ein Attentat zu vereiteln und die Hintermänner zu finden. Aber wie weit darf ein Geheimdienst gehen, um ein Leben zu retten? Heiligt der Zweck jedes Mittel? Ein vorgetäuschter Mord war wohl kaum die einzige Option.
Die Ukraine wollte mit der Geheimdienstoperation offenbar nachweisen, dass die Auftraggeber für den angeblich vereitelten Mord in Russland sitzen. Noch ist nicht klar, ob dieser Nachweis gelungen ist. Die ukrainischen Behörden sind nun in der Pflicht, die offenen Fragen zu beantworten.
Mit der Aktion hat die Ukraine ihre Glaubwürdigkeit gegenüber ausländischen Partnern und den Medien untergraben. Der Fall ist aber viel mehr ein PR-Desaster für die Ukraine. Die Führung in Kiew spielt mit der Aktion denjenigen im Westen in die Hände, die die Ukraine ohnehin für einen hoffnungslosen Fall halten, für ein von windigen Gestalten regiertes Land, dessen Unterstützung gegen Moskaus Interessen sich kaum lohne. Ein solches Bild der Ukraine versucht die Kreml-Propaganda seit vier Jahren zu zeichnen.
Wer gegen Desinformation vorgehen will, muss bei der Wahrheit bleiben
Zugleich hat der Kreml seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs eine beispiellose Strategie der Desinformation verfolgt und mit allen Mitteln versucht, in der westlichen Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, die Wahrheit sei nur eine Option unter vielen.
Das reichte von Moskaus Dementi, als russische Soldaten auf der Krim auftauchten, über die Vielzahl von teils absurden Theorien zum Abschuss des Flugzeugs MH17 bis hin zur Falschnachricht über das russlanddeutsche Mädchen Lisa, das angeblich von Flüchtlingen vergewaltigt worden war.
Zuletzt wurden im Fall des in Großbritannien vergifteten Ex-Spions Sergej Skripal mehr als 20 Versionen in Umlauf gebracht, darunter die, das Ganze sei vom britischen Geheimdienst inszeniert worden.
Wer gegen Moskaus Desinformation vorgehen will, muss bei der Wahrheit bleiben und darf nicht eigene Fälschungen in die Welt setzen, auch nicht für 24 Stunden. Die ersten Kreml-Unterstützer nehmen den Fall Babtschenko bereits als „Beweis“ dafür, dass die Vergiftung Skripals auch nur eine Inszenierung gewesen sei. Ein besseres Geschenk hätte die Ukraine den Propagandisten des Kremls nicht machen können.