zum Hauptinhalt
Der amtierende Ministerpräsident und Wahlgewinner Mark Rutte.
© Daniel Reinhardt/dpa

Wahl in den Niederlanden: Ein dreckiger Sieg

Auch wenn Geert Wilders nicht Regierungschef wird, hat die Wahl in den Niederlanden einen bitteren Beigeschmack – wegen des "Populismus light" von Regierungschef Mark Rutte. Ein Kommentar.

Was die Wähler in Großbritannien, den USA und jetzt in den Niederlanden entschieden haben, ähnelt einer Achterbahnfahrt: Mit dem Populismus geht es rauf und auch wieder runter. Das Schreckensjahr 2016, das den Brexit einleitete und Donald Trump an die Macht brachte, findet in den Niederlanden keine Fortsetzung. Das ist die gute Nachricht beim Ausgang der Parlamentswahl in unserem Nachbarland.

Der Islamhasser Geert Wilders wird nicht Regierungschef in Den Haag. Ist damit aber auch der Populismus in Europa langfristig gestoppt? Wohl kaum. Wilders hat in den Niederlanden ein festes Wählerpotenzial von über zehn Prozent. In Frankreich ist das Reservoir von Marine Le Pen, der Chefin des rechtsextremen Front National, ungefähr doppelt so groß. Man mag darüber erleichtert sein, dass dies noch lange nicht ausreicht, um Nationalisten wie Wilders – und möglicherweise auch Le Pen bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich – einen Zugang zu den Machtzentralen in ihren Ländern zu verschaffen. Aber die Frage, wie die übrigen Parteien sinnvollerweise auf die populistische Herausforderung reagieren sollen, ist damit noch nicht beantwortet.

Trump-Effekt und Erdogan-Effekt entschieden die Wahl

Zwei Trends haben die Parlamentswahl in den Niederlanden bestimmt – ein langfristiger und ein kurzfristiger. Der langfristige trägt den Namen „Trump“, der kurzfristige den Namen „Erdogan“.

Auf längere Sicht hat es wohl auch für viele Niederländer wie ein heilsamer Schock gewirkt, dass sie gemerkt haben, was dabei herauskommt, wenn man sich für den Brexit entscheidet oder jemanden wie Trump ins Weiße Haus wählt. Der Zugewinn für die Grünen ist auch ein Ausdruck einer pro-europäische Gegenbewegung, die seit dem Brexit-Votum vom vergangenen Juni eingesetzt hat.

Es ist denkbar, dass der Anti-Trump-Trend auch noch bis zur Präsidentschaftswahl in Frankreich und zur Bundestagswahl in Deutschland anhält. Der Effekt könnte die AfD-Chefin Frauke Petry Stimmen kosten. Und möglicherweise werden die Franzosen auch Marine Le Pen im Mai ihre Grenzen aufzeigen.

Allerdings lässt sich das Wahlergebnis in den Niederlanden nicht ohne Weiteres auf Deutschland hochrechnen. Der Vergleich mit Frankreich ist noch schwieriger, weil hier die wirtschaftliche Lage schlechter ist – und damit auch die Zahl der Unzufriedenen, die sich auch vom Trump-Effekt nicht davon abhalten lassen, Le Pen ihre Stimme zu geben.

Wer den Ausgang der Wahl in den Niederlanden richtig deuten will, kommt indes nicht am kurzfristigen Erdogan-Effekt vorbei. Immer mehr Wähler entscheiden erst kurz vor der Stimmabgabe, wo sie ihr Kreuzchen machen. Und hier hat der türkische Präsident, der eine Auseinandersetzung um die Auftritte türkischer Politiker in EU-Ländern anzettelte, indirekt entscheidend zum Wahlsieg des amtierenden Regierungschefs Mark Rutte beigetragen. Erdogan gab dem liberal-konservativen Rutte eine willkommene Gelegenheit, sein Profil gegenüber dem Autokraten in Ankara zu schärfen.

Die Regierungspartei VVD fischte weit am rechten Rand

Allerdings kam schon vor der Auseinandersetzung zwischen Rutte und Erdogan die Frage auf, ob nicht Ruttes Regierungspartei VVD mittlerweile schon viel zu weit am rechten Rand fischt. Klare Ansagen an die in den Niederlanden lebenden Ausländer – sprich Muslime: so lautete Ruttes Erfolgsrezept.

Die VVD hat ihren Wahlkampfschlager mit den Worten verteidigt, dass sie – anders als Wilders – verantwortungsvolle, praktische Politik betreibe. Doch das ist zu einfach. Vielmehr hat Ruttes Erfolg einen bitteren Beigeschmack. Er hat sich gezeigt, dass es möglich ist, mit „Populismus light“ zu punkten – was wiederum ausländerfeindliche Parolen salonfähig macht. Im Fußball würde man das, was Rutte geleistet hat, als einen "dreckigen Sieg" bezeichnen. Mal abwarten, ob Frankreichs rechtskonservativer Präsidentschaftskandidat François Fillon oder die CSU dem Beispiel folgen.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Zur Startseite