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Walter Scheel (links) mit dem französischen Außenminister Maurice Schumann (R) im Quai d'Orsay in Paris.
© AFP
Update

Ex-Bundespräsident Walter Scheel: "Ein deutscher Weltbürger"

Der ehemalige Bundespräsident, Außenminister und Vizekanzler Walter Scheel ist mit 97 Jahren gestorben. FDP-Vorsitzender Christian Lindner sagte, Europas Zusammenwachsen sei dem Verstorbenen zu verdanken.

Der frühere Bundespräsident Walter Scheel ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 97 Jahren, teilten ein FDP-Sprecher und das Bundespräsidialamt am Nachmittag in Berlin mit. Zunächst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ vom Tod des Ex-Außenministers und langjährigen FDP-Mitglieds berichtet. Er hatte seit Jahren in einem Pflegeheim in Bad Krozingen bei Freiburg gelebt.

Scheel führte die Liberalen von 1968 bis 1974 auch als Parteichef. Von 1969 bis 1974 war er Außenminister und Vizekanzler in der sozialliberalen Koalition von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). Danach, von 1974 bis 1979, war Scheel Bundespräsident und damit viertes Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Er wurde als singender Bundespräsident („Hoch auf dem gelben Wagen“) äußerst populär.

In den vergangenen Jahren hatte sich Scheel, gesundheitlich angeschlagen und unter Demenz leidend, nur noch selten in der Öffentlichkeit gezeigt.

Walter Scheel wurde am 8. Juli 1919 in Solingen als Sohn eines Stellmachers geboren. 1946 trat er in die FDP ein. Der gelernte Bankkaufmann und Wirtschaftsberater war fast 25 Jahre lang Abgeordneter. Er amtierte als Bundesminister unter den CDU-Kanzlern Konrad Adenauer und Ludwig Erhard sowie später unter Brandt, er war unter Adenauer der erste Entwicklungshilfeminister der Republik.

An der Seite Brandts setzte Scheel die umstrittenen Ostverträge durch und vollzog eine Neuausrichtung der Ostpolitik. Annäherung war sein Ziel. Damals war diese neue Ostpolitik umstritten, heute wird sie als Grundstein angesehen für die Deutsche Einheit. „Willy Brandt konnte nur deshalb das Land verändern, weil er mit Walter Scheel einen kongenialen Partner hatte“, sagt der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte ebenfalls die Ost- und Europapolitik seines Vorgängers. „In seinen öffentlichen Ämtern, ganz besonders als Bundespräsident, hat Ihr Mann Großes geleistet“, schrieb Gauck nach Angaben des Präsidialamtes am Mittwoch an Scheels Witwe Barbara. „Die Einigung Europas voranzutreiben, lag ihm besonders am Herzen.“ Früh habe er die Bedeutung einer europäischen Integrationspolitik für Deutschland erkannt. „Mit seiner Ost- und Europapolitik hat er sich bleibende Verdienste für die Verständigung und Versöhnung auf unserem Kontinent erworben“, schrieb Gauck. Die Nachricht vom Tode Scheels erfülle ihn mit tiefer Trauer.

"Wir haben von seinem Rat profitiert.“

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hob den Mut Scheels hervor, „mit Willy Brandt eine sozialliberale Koalition zu begründen, die durch die neue Ostpolitik und mehr gesellschaftliche Liberalität ein neues Kapitel für Deutschland aufgeschlagen hat“. Europas Zusammenwachsen sei auch dem FDP-Ehrenvorsitzenden zu verdanken, erklärte Lindner weiter. „Sein Name bleibt verbunden mit der Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die Gemeinschaft der Vereinten Nationen.“ Bis vor wenigen Jahren sei er „unserer Partei auch bis in sein hohes Alter aktiv verbunden“ gewesen. „Und wir haben von seinem Rat profitiert.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte über den Ex-Bundespräsidenten: „Er war ein überaus populärer Bundespräsident, der viele Menschen beeindruckt hat." SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel würdigte ihn als herausragenden Politiker. Die Versöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern habe er als politische Notwendigkeit für den Friedenserhalt in Europa angesehen, sie sei ihm auch dringendes persönliches Anliegen gewesen, teilte Gabriel mit. „Mit glänzender Rhetorik und großer Leidenschaft für die Sache setzte er sich immer wieder für diese Ziele ein.“

Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (CDU) hob Scheels Rolle als Brückenbauer zwischen Politik und Bürgern hervor. Auch nach seiner aktiven politischen Zeit sei Scheel ein „überzeugter und überzeugender Europäer und deutscher Weltbürger“ geblieben, der sich für internationale Belange genauso wie für Kunst und Kultur engagiert habe, sagte der sächsische Ministerpräsident in Dresden.

In Erinnerung blieb Scheels ausgeprägtes Redetalent. Der Liberale gab dem Amt des Bundespräsidenten rhetorischen Glanz, betonte gleichzeitig die Nähe zum Volk. (Tsp, dpa)

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