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Mangelware: Ein Mast mit verschiedenen Antennen von Mobilfunkanbietern.
© Jens Büttner/ZB/dpa

Netzausbau in Deutschland: „Ein Armutszeugnis für die Republik“

Branchenexperte Torsten Gerpott über das löchrige Mobilfunknetz, Konzerngewinne und Lösungen für ländliche Gebiete.

Herr Gerpott, wie steht das deutsche Mobilfunknetz im internationalen Vergleich da?

Im europäischen Vergleich bewegen wir uns im Hinblick auf Geschwindigkeit und Flächendeckung im Mittelfeld. Da ist viel Luft nach oben.

Laut Auswertungen des Netzanalysten Opensignal haben die Nutzer in manchen deutschen Regionen nur zu 60 Prozent der Zeit eine LTE-Verbindung. Wie kann das sein?

Das Thema Flächenabdeckung ist in der deutschen Politik fast 30 Jahre lang verschlafen worden. Erst jetzt bei der 5G-Debatte ist man im Bund und den Ländern aufgewacht. Es gibt kein einziges bundesweites Förderprogramm für Mobilfunkmasten. Alles in allem ist der wirtschaftspolitische Umgang mit Mobilfunknetzen ein Armutszeugnis für die Republik.

Laut der Untersuchung ist der tatsächliche 4G-Empfang in Deutschland viel schlechter als die Abdeckung, die die Mobilfunkanbieter offiziell für ihre Netze angeben. Woran liegt das?

Es gibt zwei Weisen , Abdeckung zu messen. Ein Ansatz schaut auf die Bevölkerungsabdeckung. Da ermittelt man, wo die Leute wohnen und misst, wie viele davon gute Funkverbindung haben. So misst auch das Verkehrsministerium. Da liegen die Zahlen über 95 Prozent. Der zweite Ansatz betrachtet den Anteil der Fläche mit gutem Funkempfang. Und bei dieser Messweise kamen schon mehrere Studien auf recht schlechte Ergebnisse für Deutschland.

Im Vergleich zu anderen Ländern sind Handyverträge in Deutschland trotzdem überdurchschnittlich teuer. Die Mobilfunkanbieter begründen das oft mit den hohen Gebühren, die sie bei den Lizenzversteigerungen zahlen mussten.

Hier handelt es sich um PR-Klimbim gegen das Versteigerungsverfahren. Wenn man die Ausgaben für die Lizenzen mit den Umsätzen vergleicht, die über die Lizenzlaufzeit mit Handyverträgen erzielt werden, dann fallen die Lizenzgebühren kaum ins Gewicht. Die hohen Preise für Endkunden liegen vor allem daran, dass die Mobilfunkfirmen in Deutschland relativ hohe Margen haben. Harter Wettbewerb findet kaum statt. Es ist eher ein Oligopol, allen Wehklagen zum Trotz.

Torsten Gerpott ist Professor für Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
Torsten Gerpott ist Professor für Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
© promo

Ein Netzbetreiber sagt, dass Autos, Gebäude und Dämmung die Abdeckung weiter einschränken können. Wie schätzen Sie das ein?

Dass topografische Gegebenheiten im urbanen Deutschland schwieriger sein sollen als in Großstädten anderer Industrieländer halte ich für wenig plausibel. Aber Deutschland ist ein Flächenland. In Ländern wie Großbritannien oder den Niederlanden ist die Bevölkerungsdichte weit höher. Eine volle Abdeckung erfordert dort also weniger Netz-Investitionen pro Kopf als in Deutschland.

Als mögliche Lösung für mehr Flächenabdeckung wird aktuell diskutiert, die Netzbetreiber zu verpflichten, ihre Funkmasten im ländlichen Raum gemeinsam zu nutzen. Sinnvoll?

Dieses lokale Roaming halte ich für einen schlechten Ansatz. Damit nehme ich dem Pionier, der als erster in eine Region geht, den Anreiz zu investieren. Er muss die anderen sofort mit auf sein Netz lassen, hat dann aber nichts mehr davon. Hier hat die Politik ein Schlagwort aufgeschnappt, aber ökonomische Randbedingungen nicht verstanden. Lokales Roaming für bereits vergebene Frequenzen ist auch rechtlich nicht zulässig.

Welche Lösung würden Sie vorschlagen?

Wenn ich als Republik 100 Prozent Flächendeckung will, dann muss der Staat unterversorgte Regionen ausschreiben. Man sagt dann etwa: Wer von den Anbietern will die Eifel versorgen und wie viel Zuschuss fordern sie jeweils dafür? Derjenige, der die niedrigste Finanzspritze verlangt, erhält den Zuschlag.

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