Riesenpanne in Ukraine-Affäre: Eigener Stabschef bringt Trump in Erklärungsnot
Trumps Stabschef Mulvaney bestätigt vor laufender Kamera einen zentralen Vorwurf der Demokraten in der Ukraine-Affäre.
Die Strategie des Weißen Hauses in der Ukraine-Affäre scheint nicht aufzugehen. Mit jeder Äußerung, die ein Regierungsmitarbeiter von sich gibt, wird klarer, wie brisant das Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 25. Juli tatsächlich war. Das Weiße Haus versucht stets schnell, den Scherbenhaufen zu beseitigen beziehungsweise zu leugnen, dass überhaupt einer angerichtet wurde. Mit altbekannter Taktik: Die Medien hätten alles verdreht, was gesagt wurde, nur um Trump zu schaden.
Zu beobachten waren diese rückwirkenden Aufräumarbeiten einmal mehr am Donnerstag, nachdem Trumps geschäftsführender Stabschef Mick Mulvaney in einem kurzfristig anberaumten und äußerst selten gewordenen Presse-Briefing im Weißen Haus zur Ukraine-Affäre Stellung genommen hatte. Mulvaney gab dabei zu, dass die US-Regierung tatsächlich eine vom Kongress beschlossene Auszahlung von Militärhilfen für die Ukraine zeitweise gezielt zurückgehalten hatte, um Druck auf Kiew auszuüben. Genau das bestreitet Trump.
Die blockierte Militärhilfe ist Teil der Ermittlungen der Demokraten im Repräsentantenhaus für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Die Opposition wirft ihm vor, die Macht seines Amtes missbraucht zu haben, um die Ukraine zu Ermittlungen gegen seinen möglichen Herausforderer bei der Wahl im kommenden Jahr, den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden, und dessen Sohn Hunter zu drängen. Die Demokraten wollen beweisen, dass die Militärhilfe dabei als Druckmittel diente.
Vor laufender Kamera sagte Mulvaney, die Auszahlung der knapp 400 Millionen Dollar an die Ukraine hätten die USA mit drei Anliegen verknüpft. Es habe Bedenken gegeben wegen der Korruption in dem Land und wegen der mangelnden finanziellen Unterstützung anderer Staaten für Kiew. Außerdem sei es darum gegangen, ob die Regierung bei einer „Ermittlung unseres Justizministeriums“ zur Wahl 2016 kooperiere, sagte Mulvaney. „Darum haben wir das Geld zurückgehalten." Auf die Frage, ob das nicht ein „Quidproquo“ gewesen sei, sagte er: Ein Geben und Nehmen sei in der Außenpolitik üblich. „So gehen wir immer vor.“ Das zeige das Beispiel der blockierten Hilfen an Mittelamerika, um diese Länder zu motivieren, mehr gegen die Migrationsbewegungen zu tun.
Hintergrund bei dem Verweis auf die Präsidentschaftswahl 2016 ist eine in rechten Kreisen kursierende Verschwörungstheorie, wonach in der Ukraine ein Server versteckt gewesen sein soll, auf dem sich angeblich für die Demokraten belastendes Material befand. Für die Theorie gibt es keine Belege, dennoch verbreitet Trump sie gerne weiter. Zwar sagte der Mulvaney auch, das zurückgehaltene Geld habe „absolut nichts mit Biden zu tun“ gehabt. Aber als erster Mitarbeiter des Weißen Hauses widerlegte er Trumps Aussage, dass es kein „Quidproquo“ gegeben habe, der Präsident also nichts verlangt habe, um die Hilfen freizugeben.
Die Aufregung war dementsprechend groß - und als dem Weißen Haus die Dimension der Äußerungen klar wurde, folgte umgehend das Dementi. Schriftlich erklärte der Stabschef wenige Stunden nach dem Briefing, seine Äußerungen seien falsch dargestellt worden, um die „Hexenjagd“ gegen Trump weiterzutreiben. Es habe keinerlei Gegenleistung für die Militärhilfen im Zusammenhang mit Untersuchungen zur Wahl von 2016 gegeben. „Der Präsident hat mir nie gesagt, ich solle Geld zurückhalten, bis die Ukrainer irgendwas mit Blick auf den Server unternommen haben“, sagte Mulvaney. Seine Aussagen zu „Ermittlungen unseres Justizministeriums“ kann man sich allerdings auch weiterhin im Internet anschauen.
Will Mulvaney gefeuert werden?
Die Demokraten werteten Mulvaneys Äußerungen als schwer belastend für Trump. Die Dinge hätten sich damit für den Präsidenten von „sehr, sehr schlecht zu viel, viel schlimmer" entwickelt, twitterte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff, der die Impeachment-Untersuchung leitet.
Wie ungelegen der Regierung Mulvaneys ungeschickter Auftritt kommt, legt die Äußerung eines hochrangigen Mitarbeiter des Justizministeriums nahe. Die Internetseite „The Hill“ zitierte ihn mit den Worten: „Wenn das Weiße Haus Hilfen mit Verweis auf Untersuchungen des Justizministeriums zurückhielt, sind das Neuigkeiten für uns.“ Auch andere versuchten, sich zu distanzieren. Der Rechtsberater des Präsidenten sei nicht in das Briefing einbezogen worden, erklärte Trumps persönlicher Anwalt, Jay Sekulow. Manche vermuten schon, Mulvaney habe sich absichtlich so verhalten, um gefeuert zu werden. Und der Fox-News-Moderator und Trump-Vertraute Sean Hannity nannte Mulvaneys Darstellung schlicht „idiotisch“. „Ich glaube, er ist dumm.“ Der Stabschef wisse gar nicht, worüber er spreche.
Mulvaneys Auftritt belegt auch, dass die angekündigte Totalblockade des Weißen Hauses in der Impeachment-Untersuchung schwer durchzuhalten ist. Anhörungen wie die der geschassten US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, oder die des US-Botschafters in Brüssel haben den Eindruck bestätigt, dass nicht nur viele Regierungsmitarbeiter über den Anruf und den Wunsch nach Ermittlungen gegen die Bidens Bescheid gewusst hatten, sondern auch viele besorgt darüber waren. Das Weiße Haus versucht, die Aussagen herunterzuspielen, das gelingt aber nicht wirklich.
Derweil kündigte Energieminister Rick Perry an, zum Jahresende zurückzutreten, wie Trump mitteilte. Ein Nachfolger werde bald benannt. Perry, der das Ministerium seit Anfang 2017 leitet, war zuletzt ebenfalls im Zusammenhang mit der Ukraine-Affäre in die Schlagzeilen geraten. Trump hatte nach US-Medienberichten in einer internen Runde mit Republikanern erklärt, Perry habe ihn zu dem Telefonat mit Selenskyj gedrängt.