Streit um den Yasuni-Nationalpark: Ecuador lädt deutsche Parlamentariergruppe aus
Der Umweltausschuss wollte sich in Ecuador ein Bild von der jüngst angelaufenen Ölförderung im Yasuni-Nationalpark machen. Doch dass sie auch mit Oppositionellen reden wollten, ging der Regierung in Quito zu weit.
Das erleben die deutschen Parlamentarier selten: Sie sind nicht erwünscht. Jedenfalls nicht in Ecuador und nicht im weltberühmten Yasuni-Nationalpark, den Deutschland seit Mai 2014 mit erheblichen Mitteln unterstützt. Am Mittwoch hat der ecuadorianische Außenminister Ricardo Patino die neunköpfige Delegation des Umweltausschusses im Bundestag ausgeladen. Die Parlamentarier wollten vor ihrer Weiterreise zum 20. Weltklimagipfel in Lima/Peru ins Nachbarland Ecuador reisen, um sich ein Bild von der Lage im Yasuni-Nationalpark zu machen und politische Gespräche zu führen.
Am Dienstag war der deutsche Botschafter in Ecuador, Alexander Olbrich, ins Außenministerium in der Hauptstadt Quito einbestellt worden und wurde darüber informiert, dass die Abgeordneten nicht erwünscht seien. Unterstaatssekretär Fernando Yepez und der persönliche Referent des Außenministers Ivan Orosa informierten Olbrich darüber, dass das Außenministerium sich in die Planung der Reise nicht ausreichend eingebunden gefühlt habe. Insbesondere bemängelte Minister Patino, dass die Parlamentarier auch mit einer missliebigen Präfektin und einer Umweltorganisation, die sich gegen die mittlerweile angelaufene Ölförderung im Nationalpark wehrt, sprechen wollten.
Der Umweltausschuss ist verstimmt. In einer gemeinsamen Erklärung schreiben die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn (Grüne), Thomas Gebhart, Matern von Marschall (beide CDU), Josef Göppel (CSU), Matthias Miersch, Frank Schwabe (beide SPD) und Eva Bulling-Schröter (Linke), dass es für die Absage "keine für uns zu akzeptierenden Gründe geben" könne. Die Abgeordneten schreiben weiter: "Wir fordern die deutsche Regierung im Lichte dieses Vorganges auf, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen." Auch Botschafter Olbrich sieht in der Absage einen unerhörten Vorgang und rät dem Außenminister, den ecuadorianischen Botschafter, Jorge Jurado, ins Ministerium einzubestellen. Im Auswärtigen Amt ist zu hören, dass dies nun geschehen soll.
Nach Angaben des ecuadorianischen Botschafters in Deutschland, Jorge Jurado, hat er am Mittwoch selbst den Umweltausschuss über die Einreiseverweigerung für die Delegationsreise informiert. Bärbel Höhn ist etwas fassungslos. Dem Tagesspiegel sagte sie am Donnerstag: „Die Absage ist merkwürdig und unnötig." Die Delegation habe sich vor Ort über die Projekte informieren wollen, die in größerem Umfang von der Bundesregierung gefördert worden seien. "Natürlich ging es dabei auch um die Ölförderung im Yasuni-Nationalpark, die von der Regierung in diesem Jahr frei gegeben wurde", sagte sie. Es seien Gespräche mit beiden Seiten geplant gewesen, mit der Regierung und Gegnern der Ölförderung, "insbesondere mit der Präfektin vor Ort, die mittels einer Volksbefragung die Ölförderung verhindern will". Es gebe Befürchtungen, "dass die Lebensgrundlage der indigenen Völker stark beeinträchtigt wird und große Umweltschäden drohen", fuhrt Höhn fort. "Der Außenminister Ecuadors wollte nicht, dass wir uns mit Gegnern der Ölförderung treffen", stellt Höhn fest. Aber Parlamentarier "lassen sich keine Gesprächspartner verbieten", betonte sie. "Ich kann nur hoffen, dass die Regierung in Ecuador zu demokratischen Umgangsformen zurückkehrt“, schloss Höhn.
Matthias Miersch sagte dem Tagesspiegel: "Wir sind aus allen Wolken gefallen." Mit einem solchen Affront habe niemand gerechnet. Gerade im Vorfeld eines Klimagipfels "ist das ein ungeheurer Vorgang", findet er. Eva Bulling-Schröter ist "wahnsinnig enttäuscht", sagte sie am Donnerstag. "Reden im Bundestag sind das eine, aber mit den betroffenen Menschen zu reden das andere. Denn auch unser Handeln hier bestimmt, wie ihre Zukunft aussehen wird“, sagte sie.
Was sagt der Botschafter Ecuadors?
Der Botschafter Ecuadors hat schon am Mittwoch angekündigt, dass er sich zu dem Vorfall erklären wolle. Am frühen Nachmittag ging seine Pressemitteilung ein, die ahnen lässt, dass die Beziehungen tatsächlich ziemlich gestört sind. In dem Dokument heißt es: "Es gilt hervorzuheben, dass auffallend viele der ecuadorianischen Gesprächspartner der Parlamentariergruppe Organisationen oder Personen sind, die in der Vergangenheit mittels Realitätsverzerrung, bisweilen durch rechtswidrige Verleumdung und mit der Absicht, politischen Schaden und einen Ansehensverlust der ecuadorianischen Regierung zu erzeugen, die ecuadorianische Regierung attackiert haben." Weiter heißt es: "Diese geplanten Termine und Unterredungen deutscher Abgeordneter mit Personen, die jenseits der demokratischen Streitkultur agieren, sind nicht mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Menschliche Mobilität Ecuadors koordiniert worden." Ergänzend wird Jurado mit folgenden Worten zitiert: "Wir streben eine ausgeglichene Erarbeitung solcher Reiseprogramme an und verweisen auf das Gebot der Quellenvielfalt: Informationen sollten Abgeordnete bei einer offiziellen Parlamentarierreise von mehreren Stellen, auch staatlichen, einholen, nicht ausschließlich von der Oppositionsseite.“ Mit dieser Pressemitteilung verschärft Jurado den Ton sogar noch und zeigt damit, dass Ecuador auf dem Weg zu einer stabilen Demokratie noch einen langen Weg vor sich zu haben scheint.
Der Streit um den Yasuni-Nationalpark
Immerhin 34,5 Millionen Euro investiert Deutschland in den Schutz des Yasuni-Regenwaldes in Ecuador. Dem gingen jahrelange Auseinandersetzungen zwischen den Regierungen in Berlin und Quito, aber auch zwischen dem Entwicklungsministerium und dem Parlament voraus. Denn der ehemalige Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hielt nichts von der Idee. Er werde kein Geld dafür ausgeben, dass etwas unterlassen werde, sagte er. Es richte ja auch keinen Fonds für somalische Piraten ein, damit sie das Überfallen von Schiffen unterließen, sagte er damals der Berliner "Tageszeitung".
2007 hatte Ecuadors Präsident Rafael Correa der internationalen Gemeinschaft angeboten, das Öl im Yasuni-Nationalpark im Boden zu lassen, wenn diese im Gegenzug die Hälfte des damals vermuteten entgangenen Gewinns aus der Ölförderung als Entschädigung dafür in einen Fonds einzahlen würde. Corea forderte 3,6 Milliarden Dollar. Das Öl, das Correa 2007 noch mit einem Wert von etwa 7,2 Milliarden Dollar veranschlagt hatte, war im vergangenen Jahr, als Ecuador die Genehmigung zur Ölförderung gab, sogar mehr als 18 Milliarden Dollar wert. Inzwischen ist der Ölpreis dramatisch gefallen, was allerdings vor Ort wenig ändert. Rund 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid wären der Atmosphäre erspart geblieben.
Nach jahrelangem Streit darüber, wo der Fonds angesiedelt werden sollte, und wer genau Zugriff darauf haben sollte, und was mit dem Geld dann passieren sollte, wurde der Fonds unter dem Dach des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen eingerichtet. Knapp 10,6 Millionen Dollar sind in den Fonds eingezahlt worden, von sieben Regierungen, drei Regionalparlamenten, Firmen und knapp 700 privaten Spendern aus aller Welt. Das war Corrrea nicht genug. Im vergangenen Herbst kündigte er das Ende der Initiative an und erlaubte die Ölförderung im Nationalpark. Das Geld aus dem Fonds solle zurückgezahlt werden, kündigte er damals an. Und auch den Vertrag mit Deutschland, den Niebel ihm 2012 angeboten hatte, wollte Correa damals kündigen. Nach zähen Verhandlungen konnten sich Berlin und Quito dann aber doch noch auf eine Kooperation in Yasuni einigen. Derzeit scheint die Regierung allerdings wenig Wert auf gute Beziehungen zu Deutschland zu legen. Der Versuch, die Reise mit einem leicht geänderten Programm doch noch zu retten ist am Dienstag erneut am Außenminister gescheitert.
Präsident Corea will eine dritte Amtszeit erzwingen
Die politische Situation in Ecuador hat sich nicht nur wegen des Konflikts um den Yasuni-Nationalpark verschärft. Im vergangenen Monat haben Tausende dagegen demonstriert, dass sich Rafael Correa entgegen der Verfassung für eine dritte Amtszeit bewerben will. Außerdem hat die Regierung sehr umstrittene neue Arbeitsgesetze erlassen, die die Gewerkschaften in Scharen auf die Straße getrieben haben. In der innenpolitischen Auseinandersetzung will die Regierung offenbar verhindern, dass Regierungsgegner wie die Umweltorganisation Yasunidos, die gegen die Ölförderung im Regenwald kämpft, oder die missliebige aber demokratisch gewählte Präfektin der Region Ovellana, Guadelue Llori, eigenständige Kontakte zu Parlamentariern aus dem Ausland unterhalten. Der SPD-Umweltpolitiker Frank Schwabe, der eigentlich viel Sympathie für die Umweltpolitik der linken Regierungen in Lateinamerika hat, beklagt das "zunehmend autoritäre Gehabe" der Regierung Correa.
Dagmar Dehmer
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