Rechter Terror: Durch Sprache wurden Opfer symbolisch ausgebürgert
Wie unpassend die Sprache im Fall des Neonazi-Terrors war, fiel erst auf, als der Zentralrat der Juden darauf aufmerksam machte. Es wäre besser, wenn man auf die Hinweise der Migrantencommunities hören würde.
Sprache ist verräterisch, und im Fall der sogenannten Döner-Morde war sie es gleich mehrfach: Denn nicht nur die Morde – zehn Tote in einem Jahrzehnt! – werden mit der Metapher vom Imbissstand gleichzeitig verniedlicht und unsichtbar gemacht. Schließlich richteten sich die Taten nicht gegen Mittagssnacks, sondern gegen Menschen.
Aber auch die Mörder werden sprachlich verkleidet, als handle es sich um Comic-Personal: ein „Nazi-Trio“ war’s. Man denkt an die trottlige Panzerknackerbande aus Donald Duck oder an Donalds drei niedliche Neffen. Unversehens wird so aus einer Mordserie, die unglaublich lange übersehen, fehlinterpretiert und nicht aufgeklärt wurde, ein Stück aus einem Cartoon. Als hätten Tick, Trick und Track in der Trinkhalle rumgeballert.
Das ist übrigens erst so, seit die wahren Zusammenhänge bekannt sind. Zuvor hatte man über kriminelle Verbindungen der Opfer gemutmaßt, oder – Romani Rose vom Zentralrat deutscher Sinti und Roma erinnerte kürzlich daran – im Fall der ermordeten Polizistin recht bald aufs „Sinti-und-Roma-Milieu“ getippt. Dass man nicht mehr von Zigeunern reden sollte, weiß man inzwischen.
Was da geschieht, ist eine symbolische Ausbürgerung. Die „Döner“-Toten gehören nicht „zu uns“. Sie sind die Anderen, die Fremden. Und hinter diesem behaupteten Fremdsein wird alles unwichtig, was die Toten voneinander unterscheidet. Ein ermordeter Grieche ist so fremd wie die ermordeten Türken, der Blumenhändler, der Internetcafé-Betreiber, der Schneider, der Gemüsehändler: Döner oder nicht, ist eh alles Döner.
Dass dies nach so vielen Tagen endlich aufgefallen ist, ist wieder einmal dem Zentralrat der Juden in Deutschland zu verdanken. Schließlich haben Deutschlands Juden ihre eigenen Erfahrungen mit symbolischen Ausgrenzungen gemacht, die dann nicht im Serien-, sondern im Massenmord endeten. Und es ist ihren Repräsentanten, hier dem Vorsitzenden Dieter Graumann, zu danken, dass sie auch für die heutigen Opfer von Ausgrenzung immer wieder Stellung beziehen – wobei die der Juden ja nicht aufgehört hat. Und sie tun es meist früher als die übrige sogenannte Mehrheitsgesellschaft.
Besser wäre es freilich, „wir“ hörten auch die entsprechenden Hinweise der türkischen und Migrantencommunities, an denen es auch diesmal nicht fehlte. Noch besser wäre, es würde auch ohne diese Hinweise etwas kritischer hingesehen. In dem Jahrzehnt, in dem diese Morde geschahen, ist das Leben der sogenannten Anderen in Deutschland insgesamt schwerer geworden. Das allein Rechtsextremisten und Faschisten in die Schuhe zu schieben, ist wieder eine symbolische Ausbürgerung, hier eines Problems, das nicht nur die Ränder haben, sondern auch die Mitte der Gesellschaft.
Das Institut für Menschenrechte hat soeben darauf hingewiesen: Begriffe wie der der Döner-Morde spiegeln mindestens Vorurteile, womöglich rassistische Einstellungen. Und machen es schwer, rassistische Mordmotive zu erkennen.
Reden wir also vielleicht demnächst weniger über Integration und mehr darüber, was Integration am stärksten behindert: über Rassismus. Das heißt nicht, einzelnen Personen, Verfassungsschützern oder Polizisten ein böses Etikett aufzukleben. Sondern Einfühlung und Sensibilität zu schulen, nicht nur ihre. Das Wort Rassismus tut weh. Aber Sprache ist nicht nur verräterisch, das richtige Wort kann auch am Anfang von Einsicht stehen.