Corona-Rekordinfektionen und Südafrika-Variante: Druck für eine Bundes-Notbremse wächst – auch auf die Ampel
Angela Merkel mahnt und warnt, Jens Spahn auch. Ein rascher Bund-Länder-Gipfel soll kommen, ein Lockdown ist im Gespräch. Die Frage ist: Was macht Olaf Scholz?
Dass Angela Merkel die Spitzen der geplanten Ampel-Koalition immer energischer bittet, endlich einzulenken, zeigt zumindest bei den Grünen erste Wirkung. "Wir starten möglicherweise diese Regierung in der schwersten Gesundheitskrise, die Deutschland je hatte", hat Grünen-Chef Robert Habeck gegenüber der eigenen Basis deutlich gemacht. Er zitiert nun wie die scheidende Kanzlerin die Verdopplungszeit von nur noch zwölf Tagen bei der Infektionsrate.
Von den aktuell täglich über 75.000 neu Infizierten werden statistisch gesehen 600 Menschen sterben - pro Tag. Kliniken warnen, dass ihnen schon bald die Intensivstationen um die Ohren fliegen werden. Und die Bundeswehr hat erste Rettungsflüge gestartet, um Intensivpatienten im Bundesgebiet zu verlegen.
In Länderkreisen heißt es, Merkel habe SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und den Spitzen von Grünen und FDP in ihrem Krisengespräch vor wenigen Tagen deutlich gemacht, jetzt könnten sie noch umdrehen, wenn nicht, würden sie einen ganz bitteren Start mit der neuen Regierung erleben. Bei den Grünen werden neue Lockdowns nicht mehr ausgeschlossen, auch die FDP kommt ins Nachdenken.
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Nun sind, wenn auch noch nicht Kanzler, die Führungsqualitäten von Scholz gefragt. Sicher, die schwersten Fehler - zu wenig Impfdruck und keine Boosteroffensive - sind im Sommer passiert und es gibt noch eine Regierung, die handeln könnte. Doch das ist eben nur die halbe Wahrheit. Mit ihrer neuen Mehrheit regieren sie de facto schon mit und haben entsprechend folgenreiche Entscheidungen getroffen. Die auch nur mit ihrer Mehrheit verändert werden können.
Die Ampel wollte das Infektionsschutzgesetz ändern, als symbolischen Neustart, weniger starke Grundrechtseingriffe, als Signal, die Pandemie ist bald überwunden. Doch dann kam es seit Ende Oktober zu einem für viele überraschend dynamischen, exponentiellen Wachstum. Nun ist der Instrumentenkasten für harte Schritte leer, nur Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte und die Absage von Veranstaltungen sind möglich, aber keine bundesweiten Lockdowns. Daher steht ein Wochenende mit vielen Telefonaten und Krisengesprächen bevor.
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Die Frage der politischen Verantwortung
Denn je mehr Tage verstreichen, desto stärker werden die Folgen von vielen weiteren unnötigen Corona-Toten der Ampel angerechnet. Angesichts der neuen hochansteckenden Virusvariante aus Südafrika und der von Rekord zu Rekord eilenden Corona-Infektionszahlen wächst mittlerweile der Druck für eine bundesweite Notbremse. Das sei notwendig zur Eindämmung des Coronavirus und eine allgemeine Impfpflicht am besten schon ab dem 1. Januar, sagt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. „Bei Corona wird es keine 100-Tage-Schonfrist geben, wir haben nicht einmal 100 Stunden", meint der CSU-Chef in Richtung der Ampel-Koalition. „Wenn es keine bundeseinheitliche Regelung gibt, dann wird Land unter sein vor Weihnachten. Und zwar auch mit erheblicher Lebensgefahr.“
Im April hatte Merkel zu dem Mittel einer Bundes-Notbremse gegriffen mit automatischen Einschränkungen, bundesweit, wenn bestimmte Inzidenzwerte überschritten waren. Jetzt müssten die sich eher an Klinikbelegungs-Grenzwerten orientieren. Aber ob das juristisch haltbar wäre - und auch für Geimpfte - gelten dürfte? Da gibt es große Zweifel.
Nach Tagesspiegel-Informationen wird nun eine Bundestags-Sondersitzung kommende Woche erwogen, um womöglich Verschärfungen oder eine neue Rechtsgrundlage auf den Weg zu bringen, die auch bundesweite Lockdownmaßnahmen erlauben würde. Allerdings sperrt sich besonders die FDP bisher gegen solche Änderungen. Auch eine Rückkehr zum bisherigen Infektionsschutzgesetz und die Wiedereinsetzung der epidemischen Notlage nationaler Tragweite wird diskutiert, um mit Sonderdurchgriffsrechten der Exekutive schneller reagieren zu können.
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Länder appellieren: Brauchen neue MPK
Wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fordert auch Söder zudem eine sofortige Ministerpräsidentenkonferenz (MPK). In SPD-Kreisen heißt es, vor einem neuerlichen Treffen müsse klar sein, was daraus folgen solle und kann. Und auch Unions-regierte Länder wie Schleswig-Holstein bremsen da bisher.
Aber mehrere Bundesländer pochen zum Beispiel auch auf gemeinsame Verabredungen, wie in kürzester Zeit bundesweit mehr Intensivbetten-Kapazitäten geschaffen werden können. „Die neue Virusvariante, die sich zuspitzende Lage auf den Intensivstationen in vielen Regionen, das weiter nicht gebremste exponentielle Wachstum - all das macht schnelles Handeln notwendig“, mahnt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur eine rasche Bund-Länder-Runde an. Allerdings wird es als sehr unwahrscheinlich bewertet, dass sie noch dieses Wochenende stattfinden könnte.
Warnung an Scholz, nicht auf seine Kanzler-Wahl zu warten
Kretschmann betont, dass der 9. Dezember als Termin für das nächste Krisentreffen zu spät sei – eigentlich wollte Scholz als neuer Kanzler dann erstmals die Ministerpräsidentenkonferenz leiten.
Wie der Tagesspiegel erfuhr, wird er von Unions-Seite gewarnt, deshalb erneut eine MPK-Einberufung zu verzögern, vor der Runde am 18. November hatte die SPD-Seite dies zunächst tagelang blockiert. Das koste alles Menschenleben und sei skandalös, heißt es in Länderkreisen. So könnte es noch einmal zu einer entscheidenden Corona-Runde mit womöglich weitreichenden Entscheidungen unter Merkels Führung kommen.
Sind die 2G-Regeln ein Infektionstreiber?
Die hohen Ansteckungsraten zeigen nach Meinung von Experten auch, dass die 2G-Regeln, die auch Kanzlerin Merkel unterstützt hat, wegen des abnehmenden Impfschutzes ein Treiber des exponentiellen Infektionswachstums sein können. Weil sich viele Bürger wegen der Impfungen in Sicherheit wiegen, werden auch die Kontakte bisher nicht in der gewünschten Form reduziert – daher pochen Merkel und Spahn hier auf rasche Kontaktbeschränkungen, die mit dem neuen Infektionsschutzgesetz möglich wären, nicht aber Schließungen etwa von Kneipen, Geschäften und Restaurants oder Beherbergungsverbote.
Köln macht mit 50.000 Zuschauern das Stadion voll
Die SPD-Seite schüttelt dagegen über die Bundesländer den Kopf, die bisher viel zu wenig auf die noch möglichen Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und Absage von Veranstaltungen zurückgreifen würden. Und es gibt hier besonders umstrittene Beispiele. Da sich regional die Fallzahlen weiterhin sehr unterschiedlich entwickeln, teilt zum Beispiel der 1. FC Köln mit, dass das Gesundheitsamt der Stadt unter 2G-Regeln sogar eine Vollauslastung mit 50.000 Zuschauern am Samstag beim Derby gegen Borussia Mönchengladbach genehmigt hat.
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