Streit über Rentenreform: Drohen den Franzosen Streiks an Weihnachten?
Streiks haben Frankreich seit zwei Wochen fest im Griff. Nun fürchten die Franzosen, an den Feiertagen ihre Familien nicht besuchen zu können.
Der französische Präsident Emmanuel Macron will unter dem Druck der Straße den Konflikt um die Rentenreform kurz vor Weihnachten entschärfen. Der Élyséepalast beteuerte zwar nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP, an dem Prestigeprojekt festhalten zu wollen, signalisierte aber bei einem Kernpunkt des Vorhabens Gesprächsbereitschaft. Premier Édouard Philippe traf am Mittwoch Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, um drohende Streiks an Weihnachten noch zu verhindern.
Der Chef der Hardliner-Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, blieb nach dem Treffen jedoch weiter hart. „Wir haben unseren Standpunkt nicht geändert.“ Auch der Generalsekretär des eher gemäßigten Gewerkschaftsbunds CFDT, Laurent Berger, erklärte nach dem Treffen, dass eine Einigung noch „sehr, sehr weit entfernt“ sei. Es gebe Zeichen der Öffnung, aber noch keine Lösung, so Berger.
Die Franzosen fürchten, an den Feiertagen ihre Familien nicht besuchen zu können. In Frankreich wird mit Chaos an den Bahnhöfen gerechnet. Die Streiks haben Frankreich seit zwei Wochen fest im Griff. Besonders der Zugverkehr im ganzen Land ist massiv gestört - das betrifft auch Reisen von und nach Deutschland.
Sollte vor Weihnachten gestreikt werden, hat die französische Staatsbahn SNCF versprochen, dass zwar alle Kunden mit Fahrschein befördert würden. Allerdings werde es in rund der Hälfte der Fälle Fahrplanänderungen geben. Teilweise müssten Reisende dann ihre Tickets selbst umtauschen. Es werden jedoch dabei massive Probleme dabei erwartet.
Macron will an der Reform festhalten
Die Gewerkschaft CGT erhöhte erneut den Druck auf die Regierung. Sie und andere Gewerkschaften forderten wiederum die Rücknahme der Reform - stattdessen solle das bestehende System verbessert werden. Sie riefen zu Streiks über Weihnachten auf, sollte es keine Antwort der Regierung geben.
Die Gewerkschaft CFDT hatte sich am Dienstag erstmals an den Protesten gegen die Reform beteiligt. Hunderttausende demonstrierten in ganz Frankreich am dritten großen Protesttag seit Anfang Dezember. Ein rotes Tuch für die CFDT ist das Renteneintrittsalter. Die Rentenpläne sehen vor, dass die Franzosen künftig erst mit 64 Jahren Anspruch auf volle Bezüge haben. Das legale Renteneintrittsalter von 62 Jahren soll aber bestehen bleiben.
Macron und die Regierung zeigten sich an dieser Stelle nun offen für Verhandlungen. Der Präsident sei offen, bei diesem Thema nachzubessern, zitierte die französische Nachrichtenagentur AFP aus dem Umfeld des Élysée. An der grundsätzlichen Reform wolle er aber festhalten. Der Präsident wolle eine Pause der Streiks und Proteste während der kommenden Feiertage.
Frankreichs Rentenbeauftragter ist zurückgetreten
Rechtsaußenpolitikerin Marine Le Pen warf der Regierung falsches Spiel vor. „Es ist eine alter Verhandlungstrick“, sagte die Erzfeindin Macrons dem Sender BFMTV. Man lege etwas vor, das inakzeptabel sei, um es am Ende wieder zurückzuziehen und so alles andere durchzubekommen, was ebenso inakzeptabel sei.
Die Rentenreform war ein großes Wahlversprechen von Macron. Die Mitte-Regierung will die Zersplitterung des französischen Rentensystems beenden. Statt 42 verschiedener Rentenkassen soll es künftig ein universelles Punktesystem geben. Die verschiedenen Einzelkassen bringen oft spezielle Privilegien mit sich - etwa für Eisenbahner, aber auch für andere Berufsgruppen.
Bereits bei der Vorstellung der Pläne in der vergangenen Woche hatte der Premier Zugeständnisse unter dem Druck der Straße an einige Berufsgruppen gemacht und lange Übergangsfristen angekündigt. Das reichte den Gewerkschaften allerdings nicht.
Die Regierung war in dieser Woche zusätzlich geschwächt worden, als der Rentenbeauftragten Jean-Paul Delevoye zurücktrat. Er hatte eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung und ist ein Vertrauter Macrons. Enthüllungen über zahlreiche Nebenjobs führten zu seinem Rücktritt. Laurent Pietraszewski wurde zu seinem Nachfolger ernannt. (dpa)