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Verheerend. Bei dem Angriff auf den UN-Konvoi starben mehr als 20 Menschen.
© Foto: O. Haj Kadour/AFP

Krieg in Syrien: DRK-Präsident Seiters: „Die humanitäre Hilfe wird instrumentalisiert“

Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, über Verstöße gegen das Völkerrecht, Millionen Bedürftige und Flugverbotszonen in Syrien.

Herr Seiters, ein Hilfskonvoi der UN und des Roten Halbmonds wird angegriffen, 18 Trucks mit Lebensmitteln und Medikamenten zerstört, mehr als 20 Menschen sterben. Haben Sie eine derart verheerende Attacke schon mal erlebt?

Dieser Angriff auf einen völkerrechtlich geschützten und eindeutig als solchen zu erkennenden humanitären Transport bedeutet eine weitere Steigerung der Unmenschlichkeit und Verantwortungslosigkeit im Bürgerkriegsland. Und er ist eine eklatante Verletzung des humanitären Völkerrechts. Der Konvoi war ja mit allen Konfliktparteien abgestimmt. Das macht das Ganze noch schlimmer.

Die UN und der Rote Halbmond, mit dem das Rote Kreuz in Syrien eng zusammenarbeitet, haben ihre Hilfslieferungen wegen des Angriffs vorerst ausgesetzt, wollen sie aber bald wieder aufnehmen. Was bedeutet das für die Notleidenden in Syrien?

Wir haben die Hilfskonvois erst einmal eingestellt, sind aber jederzeit in der Lage, Hilfslieferungen für Menschen in den betroffenen Gebieten wieder aufzunehmen. Das gilt sowohl für Regionen, die unmittelbar vom Krieg betroffen sind, als auch für jene, die wir nur schwer erreichen können. Der Rote Halbmond als unser Partner vor Ort leistet dabei Unglaubliches. Er versorgt fünf Millionen Bedürftige. Wir als Rotes Kreuz haben, vor allem mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes, seit 2011 Hilfen im Wert von 60 Millionen Euro nach Syrien gebracht.

Welche Voraussetzungen müssen generell erfüllt sein, damit die Unterstützung wieder aufgenommen wird?

Zentral ist der Schutz unserer Mitarbeiter und der Zivilbevölkerung. Hierfür benötigen wir bedingungslose Sicherheitsgarantien aller Konfliktparteien. Der Vorstoß von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, eine Flugverbotszone einzurichten, kann hierbei ein wichtiger Beitrag sein. Die meisten der im Konflikt bisher getöteten Kolleginnen und Kollegen sind allerdings durch Mörser oder Kleinwaffenbeschuss ums Leben gekommen.

Rudolf Seiters (78) ist seit 2003 Präsident des Deutschen Roten Kreuzes.
Rudolf Seiters (78) ist seit 2003 Präsident des Deutschen Roten Kreuzes.
© Maurizio Gambarini/dpa

Wäre Hilfe aus der Luft eine Alternative?

Vereinzelt wird dies ja bereits so durchgeführt. Allerdings kann eine reine Versorgung aus der Luft keine Lösung für Millionen von Menschen sein.

Und es braucht ohnehin das Einverständnis des Regimes in Damaskus, oder?

Wir haben es in Syrien mit sehr vielen verschiedenen Konfliktparteien und daher ganz unterschiedlichen Interessen zu tun: Baschar al Assad, islamistische wie nicht islamistische Gruppierungen, Russland, die Vereinigten Staaten, der Iran, Saudi-Arabien, die Türkei. Das macht die Sache ja so kompliziert. Das große Problem ist: Die humanitäre Hilfe wird politisiert und instrumentalisiert, die Versorgung der Notleidenden von den Kriegsparteien als Unterstützung für den jeweiligen Gegner interpretiert. Was natürlich Unsinn ist.

Schon vor der Attacke bei Aleppo arbeiteten die Helfer ständig unter Lebensgefahr. Warum werden alle Appelle, das Völkerrecht zu respektieren, so offenkundig eklatant ignoriert?

Traurigerweise sind bereits mehr als 50 Helfer des Syrischen Arabischen Roten Halbmonds ums Leben gekommen. Manche Konfliktparteien akzeptieren die Werte des humanitären Völkerrechts einfach nicht – oder ordnen sie strategischen und regionalen Interessen unter. In dieser Gemengelage sind die Leidtragenden des Konflikts bedauerlicherweise die Menschen in Syrien. Dabei ist doch ganz klar: Die Gewalt dort muss endlich aufhören.

Das Gespräch führte Christian Böhme.

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