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Pegida-Kundgebung Anfang Dezember in Dresden, vorn Kathrin Oertel, am Rednerpult Lutz Bachmann
© Arno Burgi/dpa
Update

Anti-Islam-Bewegung spaltet sich: Dresden bekommt "Pegida light"

Die Pegida-Aussteiger um Kathrin Oertel wollen einen neuen Verein gründen - und so nach eigenen Worten mit neuen Demos die bürgerliche Mitte erreichen. Das Bündnis "Dresden nazifrei" nimmt ihnen das nicht ab.

Nach dem Rücktritt der halben Pegida-Spitze steht die islamkritische Bewegung vor dem endgültigen Bruch. Die abtrünnigen Pegida-Organisatoren um Ex-Sprecherin Kathrin Oertel wollen ein eigenes Bündnis gründen, wie der bisherige Vereinsvize René Jahn am Donnerstag vor Journalisten in Dresden sagte. „Wir wollen uns nicht totspazieren.“ Auch andere Mitstreiter von Oertel, die am Mittwoch ihren Rückzug aus der Pegida-Führung angekündigt hatten, bestätigten die Pläne.
Der neue Name für die Bewegung ist bisher noch nicht bekannt. Nach einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ ist der Name „Bewegung für direkte Demokratie in Europa“ im Gespräch. Jahn sagte, die Endung „gida“ sei nicht mehr vorgesehen. „Wir wollen die bürgerliche Mitte erreichen“, sagte Jahn weiter. „Die Thematik kontrollierte Zuwanderung“ werde Teil des neuen Programms sein. Zunächst will das Bündnis weiter jeweils am Montag auf die Straße gehen. Die Kundgebung am kommenden Montag fällt aus. Dennoch wird es an diesem Tag Anti-Pegida-Demonstrationen in Dresden geben, wie die Veranstalter ankündigten.

Die fünf Ex-Mitglieder distanzierten sich von den radikalen Äußerungen der Legida-Bewegung. Auch mit den Medien wolle der neue Verein zusammenarbeiten. Noch am Sonntag hatte Oertel Journalisten öffentlich als „Presselügner“ beschimpft und von „Politikversagern“ gesprochen.

Ex-Pegida-Vize René Jahn am Donnerstag vor der Landespressekonferenz Sachsen
Ex-Pegida-Vize René Jahn am Donnerstag vor der Landespressekonferenz Sachsen
© Sebastian Kahnert/dpa

Der Sprecher des Aktionsbündnisses „Dresden nazifrei“, Silvio Lang, sagte, er erwarte auch nach der Neugründung inhaltlich keine großen Veränderungen – trotz der demonstrativen Abkehr von Pegida-Gründer Lutz Bachmann Lang sagte dem Tagesspiegel: „Frau Oertel und die anderen Aussteiger haben ihren Rassismus nur besser bemäntelt.“ Wie Bachmann weiter vorgeht, blieb am Donnerstag zunächst offen. Seine Mitstreiter bei Pegida hatten den Rückzug von Bachmann wegen rassistischer Facebook-Postings vergangene Woche erzwungen. Unter Druck geraten war der Vereinsgründer zudem wegen eines Fotos, das ihn in Hitler-Pose zeigt. Unklar ist auch, was aus den Dresdner Entwicklungen für die verschiedenen Pegida-Ableger folgt.

Linke und SPD zweifeln an Kurswechsel

Der sächsische Linken-Chef Rico Gebhardt sagte dem Tagesspiegel: „Die bisherigen Pegida-Organisatoren sind für uns aufgrund ihrer erwiesenen extremen Rechtslastigkeit keine Partner, egal welche Vereine sie jetzt gründen.“ Allerdings müsse sich seine Partei mit der sozialen Verunsicherungen und dem damit verbundenen Frust bei denjenigen beschäftigen, die bisher bei Pegida mitgelaufen seien. Die Linke müsse überzeugender vermitteln, „dass der entscheidende Unterschied zwischen Oben und Unten ist, und nicht zwischen Einheimischen und sogenannten Fremden“.

Der sächsische SPD-Fraktionschef Dirk Panter sagte: „Ein neuer Name ist nicht gleichbedeutend mit einem anderen Inhalt. Wir kennen jetzt nur vage das neue Türschild. Wer sich dann dahinter versammelt, ist völlig offen.“

CDU setzt weiter auf Dialog mit Pegida-Anhängern

Der Innenexperte der sächsischen CDU-Landtagsfraktion, Christian Hartmann, sagte: „Auch wenn man zunächst die weitere Entwicklung bei und um Pegida abwarten muss, ist eines sicher: Die Probleme werden mit der Aufspaltung nicht gelöst.“ Genauso wenig würden sich die Sorgen und Ängste der bisherigen Demonstrationsteilnehmer in Luft auflösen, betonte Hartmann, der auch Chef des CDU-Kreisverbandes Dresden ist. „Deshalb muss die Politik den begonnenen Dialog weiterführen. Die Union wird bei ihrem Kurs bleiben und mit den Pegida-Demonstranten sprechen, ohne ihnen nach dem Mund zu reden."

Die CDU-Landtagsfraktion begleitete den Auftritt des bisherigen Pegida-Vizevorsitzenden Jahn vor der Landespressekonferenz mit einer Serie von Botschaften im Kurznachrichtendienst Twitter. Demnach hat Jahn unter anderem versichert, dass Bachmann „kein Rechter“ sei. Die CDU-Fraktion zitierte den bisherigen Pegida-Funktionär darüber hinaus mit den Worten: „Wir wollen den Dialog mit der Politik!“ und „Ich hab mich bei meinem Austritt beschissen gefühlt.“

Am vergangenen Montag hatte der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) die damaligen Pegida-Anführer Oertel und Achim Exner getroffen. Die Oppositionsfraktionen Linke und Grüne kritisierten die Begegnung scharf, bei Ulbig seien politische Sicherungen durchgebrannt, hieß es. Verärgert zeigte sich anschließend auch die SPD, seit Herbst kleiner Koalitionspartner der CDU. SPD-Fraktionschef Panter blieb bei seiner Kritik jedoch verhaltener: „Von einem Rechtsruck möchte ich da nicht gleich sprechen.“ (mit AFP/dpa/epd)

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