Ampel ringt um ihr Entlastungspaket: Drei wollen gewinnen
Koalitionsspitzen treffen sich am Mittag, um Ausgleich für hohe Energiepreise zu beschließen. Keine Partei will als Verliererin aus dem Konflikt herausgehen.
Mit einem Entlastungspaket will die Ampel-Koalition gegen hohe Energiepreise vorgehen. Seit drei Wochen verhandeln SPD, Grüne und FDP. Innerhalb der Koalition ist es eher ein Belastungspaket. Zwar werden die drei Koalitionspartnerinnen das Ergebnis am Ende als große Gemeinschaftsaktion bewerben. Aber bis dahin ist es ein Kampf, denn keine der drei Parteien will am Ende als diejenige dastehen, die zu wenig erreicht hat.
An diesem Mittwoch soll das Paket fertig geschnürt werden. Für den Mittag ist eine Runde der Koalitionsspitzen anberaumt, und wenn nicht die Russland-Krise das Treffen beherrscht, könnte ein Ergebnis zügig verkündet werden. Es geht um die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage in der Stromrechnung, eine erhöhte Pendlerpauschale, mehr Geld für Ärmere. Beschlossen ist schon der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger.
Die Entlastungen auf den Weg zu bringen waren kein einfaches Unterfangen. Das Paket ist ein schönes Beispiel dafür, wie in einer Koalition ein überschaubares Vorhaben binnen kurzem in eine vertrackte Verhandlungssituation übergeht. Seit sich die Regierenden Mitte Januar locker verständigt hatten, die Abschaffung der EEG-Umlage – im Koalitionsvertrag für 2023 vereinbart – ins laufende Jahr vorzuziehen, kamen immer neue Akzentsetzungen hinzu. Was als schnelle Aktion gedacht war, entwickelte sich zum zähen Ringen und zum ersten Koalitionskonflikt – in den Flitterwochen dieser Regierung, sozusagen.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Zuletzt waren vor allem um zwei Vorschläge umstritten. Zum einen hatte sich FDP-Chef Christian Lindner stark gemacht für eine höhere Pendlerpauschale. Zum anderen drangen vor allem die Grünen darauf, den im Koalitionsvertrag beschlossenen Kindersofortzuschlag jetzt einzuführen. Er war vorgesehen als Überbrückungsleistung für ärmere Familien, als Vorschuss auf die geplante Kindergrundsicherung. Ein Zeitpunkt für deren Einführung ist im Koalitionsvertrag aber nicht genannt – wie bei den meisten Ampel-Vorhaben.
Pendlerpauschale und Kinderzuschlag
In beiden Fällen ist die Geldfrage mitentscheidend. Eine höhere Pendlerpauschale würde erst später finanzwirksam, wenn sie über die Steuererklärungen in Anspruch genommen wird. Der Kinderzuschlag müsste jetzt schon im Etat für 2022 berücksichtigt werden, den die Koalition gerade parallel vorbereitet. Die Höhe ist daher umstritten zwischen Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) und Lindner.
Zwar sahen die Steuereinnahmen im Januar gar nicht schlecht aus – ein Plus von 22 Prozent gegenüber Januar 2021. Das Plus geht allerdings auch auf deutlich höhere Umsatzsteuereinnahmen zurück, worin sich zumindest zum Teil jene Teuerung abbildet, die mit dem Entlastungspaket gemildert werden soll. Und dass sich die Entwicklung bei den Einnahmen im ganzen Jahr 2022 so freundlich zeigt, ist nicht anzunehmen.
Der Finanzminister jedenfalls drückt auf die Ausgabenbremse. Was auch damit zu tun hat, dass die FDP noch ein weiteres Anliegen in das Entlastungspaket geboxt hat: eine Abschreibungsmöglichkeit für Wirtschaftsgüter, der Mittelstandsteil des Entlastungspakets. Das Vorhaben, eine schnell wirkende Investitionsprämie bei Ausgaben für Klimaschutz und Digitales einzuführen, steht im Koalitionsvertrag – unter dem Begriff „Superabschreibung“. Ob das FDP-Anliegen schon der Einstieg in dieses Ampel-Projekt sein wird, ist unklar. Abschreibungen kosten ebenfalls Geld – auch hier mit Zeitverzögerung. Da aber parallel zum Etat 2022 auch schon der Haushalt für 2023 erarbeitet wird, muss Lindner die finanziellen Folgen eigener Erfolge mitbedenken.
Vor allem Lindner muss etwas bieten
Zumal vor allem der FDP-Chef es war, der die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage ins Gespräch gebracht hat. Auch das Ende dieses Zuschlags auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien ist teuer – Lindner nannte die Summe von 6,6 Milliarden Euro, die 2022 zusätzlich im Etat freigeräumt werden müsste. Die Umlage endet ja nicht, sondern wird vom Staat übernommen.
Der Bund hat schon im Vorjahr über einen Zehn-Milliarden-Zuschuss die Belastung der Stromkunden durch die Umlage deutlich verringert. Die Grünen wollen gesetzlich fixieren, dass die weitere Entlastung auch wirklich bei den Bürgern ankommt – wobei vor allem das immer teurer werdende Erdgas zu weiter steigenden Strompreisen führt, weshalb das Ende der EEG-Umlage keineswegs die Stromrechnung verringert, sondern allenfalls die Erhöhung dämpft.
SPD und FDP bremsen Grüne
Über das Ende der Umlage hinaus hatten die Grünen ein Klimageld vorgeschlagen, als „sozialen Kompensationsmechanismus“ (wie es im Koalitionsvertrag heißt) gegen hohe Energiepreise. Das aber wollen SPD und FDP zumindest im Entlastungspaket noch nicht angehen. Die Sozialdemokraten haben sich auf andere Maßnahmen festgelegt. Ob sie eine höhere Pendlerpauschale mittragen, ist unklar – SPD-Chef Lars Klingbeil ließ nur durchblicken, die Frage stehe im Raum. Eher könnte der SPD daran gelegen sein, Entlastungen für Mieter für sich zu reklamieren – also etwa die im Koalitionsvertrag vereinbarte Beteiligung der Vermieter am CO2-Aufschlag auf die Heizkosten.
[Lesen Sie dazu bei Tagesspiegel Plus: Wer kocht und kellnert in der Ampel?]
Interner Druck in der Koalition ist das eine. Doch während es zwischen SPD und Grünen vor allem darum geht, sich gegenseitig zu beäugen, sie sehen sich schließlich als Konkurrenten links der Mitte, spürt die FDP auch Druck von außen – von der Union. Lindner schaue stets darauf, was CDU und CSU machten, heißt es aus der rot-grünen Ecke in der Koalition.
Dass die Union nun vor allem die Pendlerpauschale als Forderung übernommen hat, bedeutet nach dieser Logik, dass Lindner hier unbedingt etwas vorzeigen muss. Zudem hat die Union es leicht, jetzt Forderungen aus der Wirtschaft zu übernehmen und sie gegen die FDP zu richten. Unlängst kam von ihr der Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Fernwärme zu verringern und die Industrie generell beim Strompreis gesondert zu entlasten. Und es stehen in den kommenden drei Monaten drei Landtagswahlen an: im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein. Auch die spielen beim Entlastungspaket der Ampel eine Rolle.
So geht es in der Ampel darum, den ersten Koalitionskonflikt in eine „win-win-win-Situation“ umzumünzen. Zu dritt ist der Versuch, keine Verlierer zu produzieren, eine größere Herausforderung als in einem Zweierbündnis.