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Trümmerfeld. Auf dem Markt in Bani Saad kamen 120 Menschen ums Leben.
© Ahmed Saad/Reuters

Attentat im Irak: Drei Tonnen Sprengstoff töten 120 Menschen

Im Irak sterben bei einem verheerenden Anschlag mindestens 120 Marktbesucher. Die sunnitische Terrormiliz "Islamischer Staat" übernimmt die Verantwortung. Die Lage für die Zivilbevölkerung wird immer prekärer.

Attentate gibt es im Irak fast jeden Tag. Doch dieser Anschlag ist einer der verheerendsten zumindest in diesem Jahr. Nahe Bagdad sind am Freitagabend mindestens 120 Menschen ums Leben gekommen. Zudem seien bei dem Attentat 130 Besucher eines belebten Marktes in Bani Saad rund 35 Kilometer nordöstlich der irakischen Hauptstadt verletzt worden, sagte Muthana al Tamimi, Gouverneur der betroffenen Provinz Dijala, der Nachrichtenseite Almada Press.

Die sunnitische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannte sich über den Kurznachrichtendienst Twitter zu der Tat. Ein Selbstmordattentäter habe sich in einem mit fast drei Tonnen Sprengstoff beladenen Fahrzeug in die Luft gesprengt. Die sunnitische Terrororganisation erklärte nach Angaben des US-Senders CNN, die Tat habe einer Zusammenkunft schiitischer Milizen gegolten.

Viele Besucher zum Ende des Fastenbrechens

In Fernsehbildern waren Leichen inmitten der Trümmer total zerstörter Gebäude und brennender Fahrzeuge zu sehen. Die Menschen waren zusammengekommen, um das Fest des Fastenbrechens am Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan zu feiern, als die Bombe explodierte. Die Behörden in der Provinz Dijala sagten nach dem Anschlag die Feierlichkeiten ab und riefen eine dreitägige Trauer aus

Die betroffene Region steht zu weiten Teilen unter Kontrolle der Dschihadisten des "Islamischen Staats". Die irakische Armee hatte vor einigen Tagen eine Offensive zur Rückeroberung der westlichen Provinz Al Anbar gestartet. Diese vor allem von Sunniten bewohnte Region ist eine der wichtigsten Hochburgen des IS.

Die Extremisten hatten im vergangenen Mai die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen. Sie kontrollieren mit Falludscha auch die zweite wichtige Stadt der Provinz. Während der Kämpfe zwischen irakischen Regierungstruppen und den Islamisten wurden seit Anfang 2014 nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 15.000 Zivilisten getötet und 30.000 verletzt.

Fast drei Millionen Flüchtlinge seit Anfang 2014

Die Lage der Bevölkerung ist inzwischen dramatisch. Die anhaltende massive Gewalt hat dazu geführt, dass fast drei Millionen Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Viele wurden schon mehrfach vertrieben – weil sich die Frontlinien ständig verändern. Mehr als acht Millionen Iraker sind außerdem den UN zufolge auf Unterstützung angewiesen.

Allerdings fehlen der Weltorganisation nach eigenen Angaben die notwendigen finanziellen Mittel, um Nothilfe zu leisten. Die irakische Regierung selbst kann die Flüchtlinge ebenfalls kaum versorgen. Die Staatskasse ist unter anderem aufgrund des gesunkenen Ölpreises weitgehend leer, die Zahl der Bedürftigen steigt allerdings massiv an. Allein nach der Eroberung von Ramadi haben sich 140.000 Einwohner auf den Weg nach Bagdad gemacht. Aus Angst, unter ihnen könnten sich Kämpfer des IS befinden, wurden viele Menschen nicht in die Stadt gelassen.

Auch im Irak fliehen immer mehr Menschen vor der Terrormiliz "Islamischer Staat".
Auch im Irak fliehen immer mehr Menschen vor der Terrormiliz "Islamischer Staat".
© Delil Souleiman/ AFP

Auch Ärzte ohne Grenzen schlägt Alarm. "Das Land kämpft derzeit mit der schlimmsten humanitären Krise seit Jahrzehnten", betonte vor Kurzem Fabio Forgione, Koordinator der internationalen Hilfsorganisation im Irak. Tausende Menschen steckten in "Grauzonen" fest. Wer dort lebe, habe keinerlei Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen oder elementarer Gesundheitsversorgung. Prekär ist vermutlich auch die Situation der Menschen, die in vom IS kontrollierten Gebieten leben. In der Regel haben die Helfer dort keinen Zugang. Man schätzt aber, dass zwei Millionen Frauen, Kinder und Männer in diesen Regionen versorgt werden müssten.

Einsatz von Giftgas in Syrien?

In Syrien gehen die Kämpfe zwischen dem "Islamischen Staat" und seinen Gegnern ebenfalls mit unverminderter Härte weiter. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) teilten am Samstag mit, ihre Einheiten seien von der Dschihadistenmiliz mit Giftgas angegriffen worden. Demzufolge waren am 28. Juni Raketen in der nordöstlichen Stadt Hassaka und südlich von Tel Brak eingeschlagen.

Aus den Geschossen sei ein gelbes Gas ausgetreten, das stark nach verfaulten Zwiebeln gerochen habe. Betroffene Kämpfer hätten unter anderem über Erbrechen, ein Brennen in Augen, Hals und Nase und schwere Kopfschmerzen geklagt. Tote habe es nicht gegeben. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete ebenfalls über die Angriffe.

Im syrischen Bürgerkrieg wurden bereits mehrfach Chemiewaffen eingesetzt. Präsident Baschar al Assad hatte im Oktober 2013 der Vernichtung sämtlicher derartiger Kampfstoffe zugestimmt, nachdem die USA wegen eines Giftgasangriffs mit bis zu 1400 Toten nahe der Hauptstadt Damaskus im August 2013 mit einem Militärschlag gedroht hatten.

Die ausgehändigten Bestände, 1300 Tonnen, wurden großteils auf einem US-Marineschiff im Mittelmeer unschädlich gemacht. In den vergangenen Monaten hatte es jedoch immer wieder Hinweise auf den Einsatz von Chlorgas gegeben. Vor allem den Regierungstruppen wird vorgeworfen, den Kampfstoff bei Angriffen mit Fassbomben eingesetzt zu haben.

Tote bei Festnahmen in Saudi-Arabien

In Saudi-Arabien haben Ermittler nach eigenen Angaben ein mit der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" verbündetes Netzwerk zerschlagen. Wie das Innenministerium am Samstag mitteilte, wurden 431 mutmaßliche Mitglieder der Organisation festgenommen. Bei den landesweiten Festnahmen seien dutzende Menschen getötet worden. Die meisten Festgenommenen sind den Angaben zufolge Saudis. Sie hätten Anschläge auf Moscheen und eine Botschaft geplant. Bei den Festnahmen seien 37 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen Sicherheitskräfte und Zivilisten. 120 Menschen seien verletzt worden. Auch sechs "Terroristen" seien getötet worden. (mit dpa und AFP)

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