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Gesetzliche Rente: Drei Prozent Plus bei den Renten

Die Bezüge steigen und die Beiträge sinken leicht, so die Prognose für das nächste Jahr. Auch in Zukunft ist die Tendenz positiv. Ist die Rente vielleicht doch sicher?

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Bei der Rente sind derzeit drei Dinge ziemlich sicher: Wegen Rekordbeschäftigung, Lohnplus und guter Konjunktur dürfte der Rentenbeitrag Anfang 2018 sinken. Die Renten dürften zum 1. Juli um rund 3 Prozent in Ost und West steigen. Und nach wenigen weiteren stabilen Jahren bei der gesetzlichen Rente dürfte die Rentenkasse noch vor 2025 stark unter Druck geraten und das Absicherungsniveau sinken. Doch was dann auf die Rentner wirklich zukommt, hängt auch vom Kurs der Jamaikapartner ab, der sich bisher nur grob abzeichnet.

Was haben die 21 Millionen Rentner im nächsten Jahr konkret zu erwarten?

Sie können sich freuen – und zwar auf das zweithöchste Plus seit 23 Jahren. Der Bundesregierung zufolge könnten die Renten zum 1. Juli 2018 im Westen um 3,09 Prozent und im Osten um 3,23 Prozent steigen. Das ist der aktuellen Version des Rentenversicherungsberichts zu entnehmen, den das Kabinett in der kommenden Woche beschließen will. Für den Standardrentner mit Durchschnittsverdienst und 45 Beitragsjahren bedeutet das etwa 43 Euro mehr im Monat.

2017 betrug die Erhöhung im Osten zwar auch 3,59 Prozent, die Westrentner wurden mit einem Plus von 1,9 Prozent aber eher bescheiden bedacht. Allerdings sind die Prognosen für 2018, was die Kommastellen betrifft, noch mit Vorsicht zu genießen, da die zugrundeliegende Lohn- und Gehaltsentwicklung im Land für das Vorjahr erst Anfang 2018 feststeht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist deshalb vorsichtiger. Man rechne für Ost- und West mit einer Steigerung von „rund drei Prozent“, sagte der amtierende Vorsitzende des Bundesvorstands, Alexander Gunkel, am Dienstag in Würzburg.

Worauf ist das kräftige Rentenplus zurückzuführen?

Wegen höherer Beschäftigtenzahlen und steigender Löhne haben sich die Einnahmen der Rentenkasse weit besser entwickelt als erwartet. Gleichzeitig sind die Ausgaben der Versicherer niedriger als noch im Frühjahr geschätzt – trotz der Zusatzbelastung durch die Leistungsausweitungen der großen Koalition. Nach aktueller Schätzung liegen Einnahmen und Ausgaben für 2017 mit 293,2 Milliarden Euro exakt gleichauf. Bei den Pflichtbeiträgen prognostizieren die Versicherer ein Wachstum von 4,3 Prozent.

In den vergangenen Jahren haben die Regierenden die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt immer zu pessimistisch eingeschätzt. Noch im Herbst letzten Jahres war man für 2017 nur mit einem Anstieg der Beitragszahler um 1,2 Prozent ausgegangen. Tatsächlich wird es eher ein Plus von 1,7 Prozent sein. Dazu kommen die Beiträge des Bundes zur Kindererziehung, die dieses Jahr besonders steigen. Verantwortlich dafür ist die starke Zunahme der unter Dreijährigen in der Bevölkerung. Was, weil um drei Jahre zeitverschoben, nicht etwa an Flüchtlingen und Migration liegt, sondern weit eher an dem Umstand, dass die geburtenstarken Jahrgänge nun allmählich Großeltern werden.

Wie entwickeln sich die Rentenbeiträge?

Auch hier gibt es eine positive Tendenz. Die Beiträge werden zum Jahreswechsel weiter sinken – von 18,7 auf 18,6 Prozent. Nicht weil die Versicherer das so wünschen, sondern weil es bei gut gefüllter Kasse gesetzlich so vorgeschrieben ist. Wenn die Rücklagen zum Jahresende mehr als das 1,5fache der monatlichen Rentenausgaben betragen, wird die Beitragssenkung zur Pflicht. Die 18,6 Prozent sind, wie der CDU-Rentenexperte Peter Weiß betont, „historischer Tiefstand“. Seit 2015 lag der Satz bei 18,7 Prozent. Im Jahr 2011 betrug er noch 19,9 Prozent. Und die 18,6 Prozent können den Versicherern zufolge voraussichtlich auch bis 2022 gehalten werden. Erst danach sei mit einer schrittweisen Anhebung auf bis zu 21,6 Prozent im Jahr 2030 zu rechnen.

Wie bewerten Experten die Beitragssenkung?

Sehr unterschiedlich. Das Arbeitgeberlager freut sich, die Gewerkschaften hätten gerne darauf verzichtet. Die alternierende Vorsitzende der Rentenversicherung, Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand, nennt die Reduzierung „absolut kontraproduktiv“. Es sei „widersinnig, die Beiträge jetzt abzusenken, um sie danach umso schneller wieder anheben zu müssen“. Schließlich seien weitere Leistungsverbesserungen nötig, und die Situation auf dem Arbeitsmarkt werde nicht so optimal bleiben. Alexander Gunkel vom BDA dagegen warnt davor, den Beitragssenkungs-Automatismus aufzugeben und in guten Zeiten stattdessen höhere Rücklagen anzuhäufen. Aufgrund der gegenwärtigen Minuszinsen und des Preisanstiegs habe die Rentenversicherung mit ihren Finanzreserven im kommenden Jahr schon so einen Realverlust von einer halben Milliarde Euro hinzunehmen. Zum Ende des Jahres dürfte die Rücklage etwa 32,9 Milliarden Euro betragen – was 1,59 Monatsausgaben entspricht.

Wie geht es weiter?

Im Vergleich zur Entwicklung bei Privatanbietern und Lebensversicherern sieht es für die gesetzlichen Renten gar nicht schlecht aus. Bis 2031 könnten die Renten den Prognosen zufolge um insgesamt 36 Prozent steigen – was ein Durchschnittsplus von 2,2 Prozent pro Jahr bedeuten würde. Und das Rentenniveau – ein Wert, der das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittseinkommen der Erwerbstätigen im selben Jahr beschreibt – wird auch weniger sinken als befürchtet. Im Jahr 2020 dürfte es sich voraussichtlich sogar noch einmal erhöhen – von 48,2 auf 48,3 Prozent. 2030 betrüge der Wert dann 45 Prozent. Die gesetzliche Untergrenze liegt deutlich tiefer: für 2020 bei 46 Prozent, für 2030 bei 43 Prozent. Für die Zeit danach gibt es bislang keine Festlegungen.

Was haben die Ostrentner zu erwarten? Wann ist ihre Rentenangleichung abgeschlossen?

Ab Juli 2024 soll der Rentenwert für Ost und West einheitlich sein – egal, ob die Löhne im Osten dann auf Westniveau liegen oder nicht. Um dies zu erreichen, gibt es bis dahin für den Osten regelmäßig höhere Rentensteigerungen als für Westdeutschland. Im Gegenzug sinken die Rentenansprüche für die noch im Erwerbsleben stehenden Ost-Arbeitnehmer. Regierungsschätzungen zufolge kostet das beschleunigte Procedere die Rentenversicherung im kommenden Jahr 600 Millionen Euro. Bis 2024 könnte sich dieser Posten dann auf jährlich bis zu 3,7 Milliarden erhöhen. Allerdings sind in dieser Prognose keine weiteren Lohnsteigerungen berücksichtigt. Aufgrund der guten Entwicklung rechnen die Rentenversicherer damit, dass die Aufwendungen für die Renteneinheit „deutlich geringer“ ausfallen.

Was wünschen sich die Rentenversicherer von der Jamaika-Koalition?

Je nach Arbeitgeber- und Arbeitnehmerlager, die in der Rentenversicherung ja beide vertreten sind, höchst Unterschiedliches. Einig sind sich beide Seiten aber in drei Dingen. Sie hätten die Untergrenze für ihre gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen aus Sorge vor Liquiditätsengpässen gerne von 0,2 auf 0,4 Monatsausgaben erhöht. Sie finden den Zwang zu einer Alterssicherung auch für alle Selbständigen „sozialpolitisch sinnvoll“. Und sie sperren sich vehement gegen eine neuerliche Ausweitung der Mütterrente auf Beitragszahlerkosten.

Er könne „nur dringend empfehlen, die langfristige Entwicklung der Rentenversicherung im Blick zu behalten und insbesondere keine neuen Leistungen einzuführen, für die keine Beiträge gezahlt wurden, soweit nicht in vollem Umfang ihre Finanzierung aus Steuermitteln gewährleistet ist“, sagt Gunkel. Das CSU-Projekt, die Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder nun in einem zweiten Schritt vollständig denen für Jüngere ab 1992 anzugleichen, würde die Beitragszahler mit weiteren sieben Milliarden Euro pro Jahr belasten – obwohl es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handle.

„Wir werden alles daran setzen, dass der Fehler von 2014 nicht 2018 ein zweites Mal gemacht wird“, bekräftigt DGB-Funktionärin Buntenbach. „Es kann nicht sein, dass die Politik Wohltaten verteilt und die Beitragszahler dafür gerade stehen müssen.“ Und es vertrage sich auch in keiner Weise mit den Gesprächen der Jamaika-Partner darüber, den Gesamtbeitragssatz der Sozialversicherungen nicht über 40 Prozent steigen zu lassen.

Und was halten die Rentenversicherer von Forderungen nach einem höheren Renteneintrittsalter?

Hier ist selbst Arbeitgebervertreter Gunkel vorsichtig. Zwar spreche vieles dafür, das Eintrittsalter langfristig weiter anzuheben, sagt er. Doch „alles zu seiner Zeit“. Erst mal sei der Vollzug der bereits beschlossenen Rente mit 67 abwarten. „Für verbindliche Entscheidungen in dieser Legislatur gibt es keinen Bedarf.“ Die Rentenversicherungs-Covorsitzende Buntenbach lehnt eine weitere Alterserhöhung „mit Nachdruck“ ab. Schon jetzt schafften es viele nicht, das gesetzliche Renteneintrittsalter zu erreichen und müssten Abschläge in Kauf nehmen, argumentiert sie. Mit einem höheren Renteneintrittsalter erhöhe sich auch die Altersarmut.

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