Wahlen in Polen: Drei Frauen ringen um die Macht
Am Sonntag wird in Polen ein neues Parlament gewählt. Drei Frauen prägen den Kampf um die Wählergunst. Doch wie unabhängig sind sie?
Wer ein kokettes Lächeln erwartete, sah sich beim Fernsehduell zwischen Regierungschefin Ewa Kopacz und der als künftige Premierministerin gehandelten Beata Szydlo enttäuscht. Steif reichten sich die Spitzenkandidatinnen die Hand und gingen dann zum Frontalangriff über. Kopacz versuchte sich als Landesmutter zu präsentieren, die rechte Oppositionskandidatin Szydlo zeigte viel Herz für die Schwachen. Tags darauf maßen sich die beiden – Umfragen geben Szydlos rechtsnationaler Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) ein Drittel der Stimmen und Kopaczs rechtsliberaler Bürgerplattform (PO) ein Viertel – mit der gewinnend, aber auch bestimmt auftretenden Barbara Nowacka von der „Vereinigten Linken“. Das Fazit lautete eins zu null für die 40-jährige Frauenrechtlerin.
Drei Frauen prägen seit Anfang Oktober Polens Wahlkampf. Dies hat nicht zuletzt dazu geführt, dass die Angst vor Jaroslaw Kaczynskis PiS acht Jahre nach deren Abwahl in Polen kaum mehr wirkt. Vor allem ist dies das Verdienst von Beata Szydlo. Die 52-jährige Ethnologin und Kulturmanagerin mag kein gewinnendes Lächeln auf ihre Lippen zaubern können, dennoch hat sie das Gesicht der PiS wesentlich aufgehellt. Die Kür durch Parteichef Jaroslaw Kaczynski, dessen Zwillingsbruder Lech im April 2010 bei Smolensk mit dem Flugzeug abstürzte, dürfte sich als dessen bisher genialster Machtstreich erweisen.
Szydlo war lange kaum jemandem aufgefallen. Dies hat auch damit zu tun, dass sie schon immer zu den gemäßigteren PiS-Abgeordneten zählte, denen rechtskatholisches Sektierertum fernliegen. Bekannt wurde Szydlo erst als Wahlkampfstabsleiterin Andrzej Dudas. Aus dem ebenfalls kaum bekannten Europaparlamentsabgeordneten machte sie im Mai den jungen, strahlenden Gewinner der Präsidentenwahlen.
Einen guten Leistungsausweis kann auch die 58-jährige Noch-Premierministerin Ewa Kopacz (PO) herzeigen. Ausdauernd, fleißig und loyal, so wie sie es nach Gewinn der zweiten Regierungsperiode drei Jahre lang als Parlamentspräsidentin immer an Donald Tusks Seite war, hat die Kinderärztin aus der Kleinstadt Skaryszew südlich von Warschau die Partei nach dem Abhörskandal vom Sommer 2014 wieder zurück auf die Zielgerade gebracht.
Dass ihrer Bürgerplattform dabei am Ende ein paar Stimmenprozente zum erneuten Wahlsieg fehlen dürften, ist nicht ihre Schuld, sondern vor allem die ihrer männlichen Parteigenossen. Deren Chauvinimus und Überheblichkeit in den im Nobelrestaurant „Eule und Freunde“ abgehörten Hinterzimmergesprächen vermochte auch Ewa Kopacz in nur einem Jahr nicht mehr aufzuwiegen.
Geradezu als Retterin der polnischen Linken wird Barbara Nowacka gehandelt. Erst in letzter Minute konnte sich diese zu einem Bündnis mit der linksliberalen Palikot-Bewegung und den Grünen durchringen. Doch auch die weit links der polnischen Mitte politisierende 40-jährige Frauenrechtlerin, die für das Recht auf Abtreibung und Homoehen kämpft, war bisher keine bekannte Politikerin. Den Einzug ins Europaparlament verpasste sie. Die von ihr zuvor mitgegründete Jungsozialistische Bewegung hatte keinen Erfolg. Ohne Unterstützung des post-kommunistischen Altherrenklubs um Ex-Premier Leszek Miller hätte es auch sie nie in ihre heutige Poleposition gebracht.
Kein Wunder, dass die Politologin Anna Materska-Sosnowska von der Universität Warschau nicht an einen emanzipatorischen Aufbruch in Polen glaubt. „Alle drei Frauen dienen einzig als Lückenbüsserinnen“, sagt sie. Sie hätten sich von ihren jeweiligen Parteichefs aufstellen lassen, um den Wählern etwas Neues zu bieten. Bei Szydlo sei zudem davon auszugehen, dass Kaczynski sämtliche politischen und personellen Entscheidungen eigenhändig absegne, ehe sie die künftige Regierungschefin bekannt machen dürfe. „Für Kaczynski wird es gar nicht nötig sein, Szydlo als Regierungschefin auszuwechseln und selbst zurück an die Macht zu gelangen. Denn Szydlo ist Kaczynski treu ergeben wie ein Schaf."