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Der Bundestag hat Änderungen im Bleibe- und Ausweisungsrecht beschlossen.
© Fredrik von Erichsen/dpa

Änderungen von Bleibe- und Ausweisungsrecht: Doppelt hält besser funktioniert im Asylrecht nicht

„Gesamtstrategie“ nennt die Regierung ihr Vorhaben: Das neue Gesetz zum Asyl- und Bleiberecht enthält jedoch eine Botschaft, die keiner hören will. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Doppelt hält besser, eine alte Einsicht, die in Unternehmen in der Doppelspitze ihren Ausdruck findet, in der Diplomatie im doppelten Boden und in der Politik zunehmend in der Doppelbotschaft. Fördern und fordern, so lautete eine Devise. Jetzt heißt das Motto einladen und abweisen, es gilt Migranten und Flüchtlingen und beschreibt die Reform zum Bleiberecht, die am Donnerstagabend im Bundestag beschlossen wurde. Gemessen daran, was in den vergangenen Jahren hier geflickt und gefrickelt wurde, ebenfalls eine Zäsur.

Das Einschneidende ist zweischneidig. Der Koalition, die das Projekt zu ihrem Antritt vereinbart hatte, ist zugutezuhalten, dass sie nach Jahren der Realitätsverweigerung einen Weg finden will, integrierten Ankömmlingen – und ihren Kindern – ein Dasein mit einem sicheren Aufenthaltsstatus zu ermöglichen. Die bisherige Duldungspraxis zerriss Lebenspläne und zermürbte Familien. Es hilft auch nichts, Hürden aufzubauen, die niemand nehmen kann. So ist es sicher richtig, die viel zu strikt gefasste Regelung für Sprachtests beim Ehegattennachzug zu relativieren, die nicht nur gegen EU-Recht verstieß, sondern ein Armutszeugnis war für eine Politik, die Ehe und Familie als Werte predigt.

Gut-Böse- Schema

Auf der anderen Seite steht das klare Bekenntnis, das Ausländerrecht als etwas zu nutzen, für das es eigentlich nicht geschaffen ist: als Abwehrwaffe gegen Terror und Extremismus. Der Fremde als Gefahr, in diese Kategorien fügen sich auch scharfe Kontroll-, Überwachungs- und Festnahmerechte, die vom neuen Gesetz vornehm als Gewahrsam etikettiert werden. Wer sich nicht so verhält, wie es die Behörden erwarten, verliert erst mal die Freiheit. Für Menschen, die, womöglich traumatisiert, alles zurückgelassen haben, kann das den schlimmsten Verlust bedeuten; hier, wie bei den Abschiebungsentscheidungen, deren Gut-Böse- Schema zu grob erscheint, wird es auf den Gesetzesvollzug und die richterliche Kontrolle ankommen.

Doppelte Botschaften haben einen Nachteil. Der Absender hat es nicht in der Hand, die jeweilige Sendung an die richtige Adresse zu steuern. In der von Flüchtlingszahlen aufgeschreckten Pegida-Welt könnte sich festsetzen, dass Fremden die Türen weiter geöffnet werden, statt sie zu versperren. Minister de Maizière möchte das unbedingt vermeiden, weshalb er mit seinem Gesetz den Unerwünschten „zu Leibe rücken“ will, statt dass sie „dem Staat auf der Nase herumtanzen“. Jedoch verstärken solche Redeweisen wiederum den Eindruck eines repressiven Ausländerrechts, dessen Zeit angesichts der vielen politischen Krisen, vor denen Hunderttausende fliehen, und der faktischen Implosion des Dublin-Regimes zur EU-Asylverteilung abgelaufen sein sollte.

„Gesamtstrategie“ nennt die Regierung ihr Vorhaben kühn, aber wie das Fördern und Fordern Arbeitsloser wird auch die politische Losung vom Einladen und Abweisen an der Wirklichkeit geschliffen werden. Man muss niemanden einladen, die Leute kommen von selbst. Und Abweisen ist ein Vorhaben, das unter dem moralischen Imperativ des massenhaften Flüchtlingstods immer schwerer erträglich wird. Richtig ist, dass bei dem Thema Ambivalenzen ausgehalten werden müssen. Vieles kann so nicht weitergehen, dennoch wird es so weitergehen. Auch diese Botschaft sendet das neue Gesetz. Fraglich ist nur, wer sie hören will.

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