Reaktionen auf die US-Wahl: "Donald, mir graust vor Dir!"
Während Rechtspopulisten aus Frankreich, den Niederlanden und Deutschland Donald Trumps Sieg feiern, sprechen andere deutsche Politiker von einem "Albtraum".
Von Schock bis Triumph: Die europäischen Reaktionen auf den Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl könnten unterschiedlicher nicht sein. Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen erklärte Trump noch vor Bekanntwerden aller Ergebnisse zum Sieger der US-Wahl und gratulierte. „Herzlichen Glückwunsch dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, und dem amerikanischen Volk, frei“, schrieb die Chefin der stramm rechten Front National (FN) am Mittwochmorgen auf ihrem Twitter-Account. Der stellvertretende FN-Vorsitzende Florian Philippot erklärte: „Das Volk lässt sich seine Wahl nicht von einer Oligarchie vorschreiben, die ein zweites Mal nach dem Brexit geschlagen wird.“ Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, Chef der Partei für die Freiheit, twitterte: „Die Amerikaner holen sich ihr Land zurück.“ Nigel Farage, der Chef der EU-kritischen Ukip-Partei gratulierte Trump ebenfalls. "Du hast eine mutige Kampagne gefahren."
Obama gratuliert seinem Nachfolger
Noch US-Präsident Barack Obama hat nach Informationen des Fernsehsenders CNN seinem Nachfolger zum Wahlsieg gratuliert. Beide wollten sich am Donnerstag treffen, berichtete CNN am Mittwoch weiter. Obama durfte nach einer achtjährigen Amtszeit nicht erneut kandidieren. Der scheidende US-Präsident hatte nach dem Wahlsieg von Trump seine Landsleute zur Einigkeit aufgerufen.
Der Wahlkampf sei zwar anstrengend, stressig und manchmal auch einfach nur seltsam gewesen, sagte er in einem Video, das das US-Nachrichtenportal Buzzfeed am Dienstagabend Ortszeit auf Twitter veröffentlichte. Aber: „Egal was passiert, die Sonne wird morgen wieder aufgehen, und Amerika wird auch weiterhin das großartigste Land auf der Welt sein.“ Die Amerikaner sollten sich nach der Wahl seines Nachfolgers nicht nur als Demokraten oder Republikaner fühlen, sondern als Amerikaner, sagte Obama.
"Vor Trump liegen viele Aufgaben"
Als einer der ersten Staatschefs weltweit hat Russlands Präsident Wladimir Putin Trump gratuliert. Er hoffe, dass es ihnen gemeinsam gelingen werde, die russisch-amerikanischen Beziehungen aus der Krise zu holen, schrieb Putin am Mittwoch in einem Telegramm.
Netanjahu begrüßt Trump-Sieg: Echter Freund Israels
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Sieg Donald Trumps begrüßt. Er gratulierte Trump und beschrieb ihn als „echten Freund Israels“. Nach Angaben seines Büros sagte der Regierungschef: „Wir werden zusammenarbeiten, um die Sicherheit, Stabilität und den Frieden in unserer Region zu stärken.“ Das starke Bündnis zwischen Israel und den USA basiere auf gemeinsamen Werten und Interessen sowie einem gemeinsamen Schicksal, sagte Netanjahu. Er sei überzeugt, dass er den Pakt zwischen beiden Ländern gemeinsam mit Trump zu „neuen Höhen“ bringen könne.
Spaniens Außenminister Alfonso Dastis ist davon überzeugt, dass Donald Trump sich als US-Präsident gemäßigter als in den vergangenen Wochen präsentieren wird. „Trump hat im Wahlkampf viele Sachen gesagt, die er als Regierungschef nicht sagen wird“, erklärte Dastis am Mittwoch bei einem Radiointerview. Der republikanische Kandidat habe unter anderem auch wegen seiner starken Persönlichkeit gewonnen, analysierte der Minister der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy. In den USA werde es einen Wandel geben. Die US-Demokratie sei „aber ein System von verschiedenen Gegengewichten und Gewalten, die ins Gleichgewicht gebracht werden müssen, und das schränkt den Handlungsspielraum eines Präsidenten ein“, betonte Dastis.
Zurück in die "schlechten, alten Zeiten"
SPD-Chef Gabriel bezeichnet Trump als "Vorreiter einer neuen autoritären und chauvinistischen Internationalen". Er wolle ein "Rollback in die alten, schlechten Zeiten", sagt der Wirtschaftsminister.
Frank Walter Steinmeier (SPD): "Wir müssen das Ergebnis der Wahl akzeptieren und wir werden es akzeptieren." Der Außenminister hält es für gut, dass der Wahlkampf endlich vorbei sei, auch ihn selbst habe er sehr verstört. Für Trump wird es nicht einfach sein, die hohen Erwartungen zu erfüllen, er habe viele Wahlversprechen und Ankündigungen gemacht. Die Gräben, die im Wahlkampf von Trump gezogen wurden, müssten wieder geschlossen werden. "Donald Trump hatte kritische Worte gegenüber Europa und Deutschland fallen lassen. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass vieles schwieriger wird in der Außenpolitik".
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) rechnet damit, dass Europa unter dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump mehr Eigenverantwortung übernehmen muss. "Europa muss sich ein Stück auf sich selbst besinnen und sich drauf einstellen, unseren globalen Einfluss nicht über die USA zu definieren", sagte der langjährige CSU-Außenpolitiker dem Tagesspiegel. "Die Zeiten werden für die EU auf jeden Fall fordernder und teurer." Trump werde sich absehbar zunächst auf die USA selbst konzentrieren. "Jeder amerikanische Präsident hat zuerst eine Verantwortung für sein Land", sagte Schmidt. "Da liegen viele Aufgaben vor ihm."
"A fucking nightmare"
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zeigte sich erschüttert vom Erfolg des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. „Das war schon ein schwerer Schock, als ich gesehen habe, wohin die Entwicklung geht“, sagte sie am Mittwoch in der ARD-„Tagesschau“ auf die Frage, mit welchem Gefühl sie nach der US-Wahlnacht aufgewacht sei. Sie ergänzte aber: „Auch wenn dieser Wahlkampf getränkt war von Herabwürdigung, von Spaltung: Es ist eine demokratische, freie Wahl. Und wir müssen uns jetzt mit den Realitäten auseinandersetzen.“
Sven Kindler, ein grüner Bundestagsabgeordneter, twitterte: "A fucking nightmare." Auch Familienministerin Manuela Schwesig bezeichnete das Ergebnis als "Albtraum". Der stellvertretende SPD-Parteichef Ralf Stegner erklärte: "Wenn die Abgehängten und Frustrierten einem Milliardär, Steuervermeider und Lügner folgen, haben auch die progressiven Kräfte versagt." Bernd Riexinger, der Parteichef der Linken kommentierte: "Ich hoffe auf eine abschreckende Wirkung."
Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat sich nur verhalten kritisch zum Wahlsieg geäußert. "Ich kann beim besten Willen nicht sagen, das ist die Totalkatastrophe, während auf der anderen Seite die verheißungsvolle Alternative gewesen wäre", sagte Wagenknecht vor Journalisten in Berlin. Sie nannte es einen Fehler der Demokraten, nicht Bernie Sanders als Kandidaten nominiert zu haben, mit ihm "hätten wir heute einen anderen US-Präsidenten". Hillary Clinton hingegen sei die "Kandidaten des Weiter so, des Establishment und der Korruption" gewesen. "Ihre Außenpolitik wäre auch höchst gefährlich gewesen." Die Menschen in den USA aber hätten Veränderungen gewollt und gewählt.
"Schwarzer Tag für alle, die sich für die Rechte von Frauen, Migranten und Minderheiten engagieren"
Wagenknecht forderte, Deutschland müsse nun "eigene Interessen" in der Außenpolitik deutlich machen. Sie sprach von der Notwendigkeit einer "eigenständigen Außenpolitik" Deutschlands. Sie hoffe, dass sich diese Einsicht auch in Europa durchsetze.
Deutlich kritischer äußerte sich Linken-Parteichefin Katja Kipping. Sie sprach von einem "schwarzen Tag für alle, die sich für die Rechte von Frauen, Migranten und Minderheiten engagieren". Auch sie kritisierte die Strategie der US-Demokraten, die es Trump mit der Nominierung von Clinton leicht gemacht hätten, sich als Kraft gegen das Establishment darzustellen. Kipping forderte, aus dem Sieg der Republikaner in den USA Lehren auch für die Bundestagswahl zu ziehen. Das Beispiel zeige, dass es Rechtspopulisten in die Hände spiele, wenn die Politik soziale Spaltung befördere und die Mittelschicht vernachlässige.
Donald, mir graust vor Dir!
Gabi Zimmer, Vorsitzende der Linksfraktion GUE/NGL im EU-Parlament: „Demokratie gehört niemandem allein - weder Personen, Parteien oder Staaten per se. Wer immer glaubt, Menschen folgen automatisch jenen, die sich selbstzufrieden als die Besseren betrachten, kann sich furchtbar irren. Zur Demokratie gehört auch, sich mit dem Scheitern auseinanderzusetzen und sich zu korrigieren. Trumps Sieg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass eigentlich Demokraten und Republikaner die Wahl verloren haben. “ Zimmer weiter: „Mit Donald Trump an der Spitze der US-Regierung rächen sich die Fehler der Vergangenheit gleich mehrfach. Jahrzehntelang sind echte Abrüstungsschritte, ein Verbot aller Atomwaffen verweigert worden. Militärische Interventionen gelten nach wie vor als Mittel der Politik. Menschenrechte werden politisch instrumentalisiert. Die Welt ist nach wie vor Supermächten ausgeliefert. Donald, mir graust vor Dir! Das System Supermacht muss nun endgültig der Vergangenheit angehören. Die EU muss den Moment nutzen und sich für eine Stärkung kollektiver Sicherheitssysteme einsetzen, die die Interessen aller berücksichtigen.“
Freude bei der AfD
Bei der AfD sieht man das Wahlergebnis wohlwollend. Die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch, sagte: "Der Sieg von Donald Trump ist ein Signal dafür, dass die Bürger in der westlichen Welt einen klaren Politikwechsel wollen. Vieles von dem, was Trump im Wahlkampf gesagt hat, ist kritisch zu sehen. Doch nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird." Auch wenn sich mit Trump ein vermeintlicher Outsider durchgesetzt habe, müsse er erst beweisen, dass er wirklich einen Neuanfang für die USA wolle, insbesondere durch die versprochene außenpolitische Zurückhaltung.
"Es ist eine letzte Warnung"
AfD-Chef Jörg Meuthen klingt regelrecht euphorisch: „Wir gratulieren Donald Trump zu seinem grandiosen Wahlsieg. Sein Sieg ist ein gutes Signal für die Welt und markiert eine Zeitenwende. Genauso wie die AfD in Deutschland hat Trump es im US-Wahlkampf verstanden, die Sorgen und Nöte der Menschen aufzugreifen und klar und mutig die Missstände im Establishment anzuprangern." Das Establishment müsse nun erkennen, dass man nicht auf Dauer am Volk vorbei regieren könne. Trump werde zurecht für seinen Mut belohnt, sich gegen das System aufzulehnen und unbequeme Wahrheiten anzusprechen. "Es ist eine letzte Warnung für all die arroganten, abgehobenen Politiker, die sich selbst genug sind und deren einziges Ziel lediglich der Machterhalt ist."
"US-Wahl ist Zäsur"
Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, erklärten: "Mit Donald Trump ist ein US-Präsident gewählt worden, der mit offenem Rassismus, mit Frauenverachtung und mit wahnwitzigen außenpolitischen Positionen Stimmung und Hass geschürt hat. Das stellt eine tiefe Zäsur dar – für die USA und für uns alle. Mit seinem Wahlsieg ist auch einer der schmutzigsten Wahlkämpfe zu Ende gegangen, den wir bislang erlebt haben.
Die Wahl hat gezeigt, dass die USA ein zutiefst gespaltenes Land sind. Wir sind in großer Sorge, was der Wahlausgang für das Zusammenleben in den USA bedeutet: für den Umgang mit Minderheiten, für die Rolle von Frauen und wie die hasserfüllte Stimmung überwunden werden kann. Die USA und damit auch die internationale Ordnung stehen vor stürmischen und schwierigen Zeiten.
Mit Donald Trump ist eine reibungslose Fortsetzung der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit nur schwer vorstellbar. Wir stehen vor großen Herausforderungen: Wie geht es weiter mit dem Klimaabkommen und anderen Errungenschaften der Obama-Administration? Wie steht ein Präsident Trump zur NATO? Wenn Donald Trump seine Ankündigungen in der Außenpolitik auch nur zum Teil wahr macht, dann könnten zentrale Eckpfeiler deutscher und europäischer Außenpolitik ins Wanken geraten. Seine Sympathien für Autokraten wie Wladimir Putin sind beängstigend. Zu hoffen bleibt, dass viele seiner Ankündigungen wahltaktisch motiviert waren."
Die Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Rebecca Harms, sagte: „Das amerikanische Volk hat eine demokratische Entscheidung getroffen. Die Angst vor den Konsequenzen bleibt: Donald Trump hat einen Wahlkampf geführt der auf Spaltung, Überlegenheit des weißen Mannes und Frauenfeindlichkeit gesetzt hat. Auch in Europa gewinnen populistische Parteien und Bewegungen immer mehr Zustimmung. Wir müssen unsere Lektionen aus dem US-Wahlkampf lernen. Es ist unsere Aufgabe, Wege zu finden, die Polarisierung in unseren Gesellschaften zu überwinden dies- und jenseits des Atlantiks."
Der CSU-Politiker Hans Peter Friedrich gratulierte den US-Republikanern auf Twitter und teilte gegen die deutschen Medien aus: "Langsam begreifen die deutschen Journalisten, dass sie nicht bestimmen, wer amerikanischer Präsident wird." (dpa/Reuters/fiem/rok)
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