Halbzeit von US-Präsident Trump: Donald First
Zur Halbzeit wirkt er angeschlagen, aber nicht geschlagen. Eine zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump ist noch drin.
An diesem Sonntag regiert Donald Trump bereits seit 731 Tagen, oder anders gesagt: seit genau zwei Jahren. Am 20. Januar 2017 wurde der damals 70-jährige New Yorker Immobilienmogul als US-Präsident vereidigt – und die Welt schaute fassungslos zu. Zur Halbzeit wird nun Bilanz gezogen, und angesichts all der Skandale, nachgewiesenen Lügen, Rücktritte und schlechten Umfragewerte müsste es normalerweise heißen: Nr. 45 wird ein One Term President bleiben, so wie auch George H.W. Bush, Jimmy Carter oder Gerald Ford. Doch Trump wäre nicht Trump, wenn es am Ende nicht auch wieder ganz anders kommen könnte. Denn es gibt einiges, was dafür spricht, dass er am 3. November 2020 noch einmal als Sieger aus der Wahl hervorgeht – dass er wieder antreten will, hat er bereits klargemacht.
DER GEGNER
Das vielleicht wichtigste Argument für eine mögliche Wiederwahl von Trump ist der bisher fehlende Gegner. Wenn die Demokraten eine wirkliche Chance haben wollen, müssen sie sich so langsam mal darauf einigen, welcher Kandidat den Amtsinhaber herausfordern soll. Und vor allem mit welchem Programm. Doch nach Geschlossenheit sieht es derzeit nicht aus, und mit dem Einzug der neuen Abgeordneten in den Kongress tritt der ungeklärte Richtungsstreit offen zutage. Zwar ist die Empörung gerade auf der linken Seite enorm, aber mit der hohen Taktzahl der Skandale setzt auch ein Gewöhnungseffekt ein. Von Massenprotesten gegen die Politik des Präsidenten ist derzeit kaum noch etwas zu sehen. Selbst die Motivation der Schüler, die im vergangenen Jahr landesweit für schärfere Waffengesetze auf die Straße gegangen waren, scheint erloschen. Passend zum Bergfest des Präsidenten haben Frauen in Hunderten US-Städten zwar wieder die Neuauflage des Women’s March für diesen Samstag angekündigt, aber die Antisemitismusvorwürfe gegen einige der Anführerinnen überschatten die Proteste.
DIE ANHÄNGER
Trump lügt im Schnitt 15-mal am Tag? Er beleidigt konsequent eigentlich jeden, mit dem er es zu tun hat, besonders gerne Frauen, Minderheiten und die Medien? Der Präsident der Vereinigten Staaten wird bei der UN-Generalversammlung in New York auf offener Bühne ausgelacht und bringt selbst die engsten Partner gegen sich auf? Seine Wähler, darunter auch erstaunlich viele weiße Frauen, zucken nicht einmal bei solchen Nachrichten. Für sie sind das alles lediglich Attacken derjenigen, die nicht wollen, dass IHR Präsident erfolgreich ist. Dass er als Milliardär das Eliten-Bashing auf die Spitze treibt, finden sie nicht unglaubwürdig. Und ignorieren bereitwillig, dass er seine Milliarden anders als behauptet gar nicht selbst angehäuft hat. Für sie steht fest: Trump ist und bleibt einer von ihnen. Besonders hoch rechnen sie ihm an, dass er angeblich gar kein Politiker ist. Und dass er mache, was er sage. Auch in der Außenpolitik: Dass sich die USA aus Endloskonflikten wie in Syrien oder Afghanistan zurückziehen könnten, kommt bei ihnen gut an. Zu lange und zu viel habe sich ihr Land um andere gekümmert. Jetzt soll damit Schluss sein. Auch dafür haben sie Trump gewählt. Denn dessen Philosophie ist: „Make America Great Again“.
DIE WAHLVERSPRECHEN
Seine eigene Bilanz fällt in dieser Hinsicht eindeutig aus. „Keine Regierung hat in den ersten zwei Jahren mehr getan als die Trump-Regierung“, brüstet er sich immer wieder. Dass das erwiesenermaßen nicht der Wahrheit entspricht – geschenkt. Was für seine Anhänger zählt, ist, dass er seine Wahlversprechen konsequent angeht. So hat der Präsident wie versprochen eine Steuer- und eine Strafrechtsreform durchgebracht. Der US-Wirtschaft geht es derzeit prima, die Arbeitslosenzahlen sind historisch niedrig. Die versprochene Mauer ist zwar noch lange nicht gebaut, aber Trump lässt kaum einen Tag vergehen, ohne dieses Wahlversprechen zu thematisieren – und zu instrumentalisieren. Er inszeniert sich als Schutzmacht seiner Bürger, nur er könne und wolle die Amerikaner vor den Gefahren durch illegale Migration bewahren, sagt er. Das kommt nicht nur bei seinen weißen Wählern in den texanischen Grenzregionen an. Trump erfüllt auch die Hoffnungen der erzkonservativen Anhänger: Mit der Ernennung auf Lebenszeit von bereits zwei Obersten Richtern und mehr als 80 weiteren Bundesrichtern kann sich die Rechtsprechung dramatisch nach rechts verschieben. Viele fürchten bereits, dass liberale Errungenschaften der vergangenen Jahre wie die Homoehe, Arbeiterrechte oder das Abtreibungsrecht zurückgedreht werden. Dass Trump vor seiner Wahl Schweigegelder an Pornostars und Playmates gezahlt hat, verzeiht ihm seine in großen Teilen puritanische Basis dagegen überraschenderweise gerne.
DIE WIRTSCHAFT
Traditionell steht die Republikanische Partei für Haushaltsdisziplin, und Trump versprach im Wahlkampf, die damals bereits mehr als 19 Billionen Dollar Staatsschulden der USA abbauen zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Schulden stiegen in Trumps erster Halbzeit auf die Rekordsumme von fast 22 Billionen Dollar an. Aber das ist in den USA kaum ein Thema. Viel wichtiger sind die weiter sinkenden Arbeitslosenzahlen – im Dezember fiel die Quote auf unter vier Prozent –, die immer noch gute Konjunktur, die steigenden Aktienkurse, von denen viele Amerikaner profitieren. Dass Trump Unternehmen von wichtigen Auflagen etwa im Finanz- oder Umweltbereich befreit, erzürnt zwar seine Kritiker, kurbelt aber die Wirtschaft kräftig an.
DIE AUSSENPOLITIK
Während enge Verbündete die Konfliktthemen mit dem transatlantischen Partner bald gar nicht mehr zählen können, kommen Trumps außenpolitische Auftritte bei den eigenen Leuten an. Ob bei der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran, das gerade auch im Kongress stets kritisch gesehen wurde, ob bei der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem oder beim Umgang mit dem aufstrebenden Wettbewerber China oder dem komplizierten Gebilde Europäische Union: Der Applaus der Hardliner ist ihm sicher. „America First“ ist für viele Amerikaner eine Selbstverständlichkeit, den Glauben von der Überlegenheit und Einzigartigkeit ihres Landes lernen sie spätestens in der Schule. Und dass nach Jahrzehnten die Europäer nun auch mal selbst mehr für ihre Verteidigung tun sollten, geben diese sogar selbst zu. Ebenso steht Trump mit seiner Auffassung nicht alleine, dass der US-Einsatz etwa in Afghanistan schon viel zu lange dauert.
DIE PARTEI
Was Beobachter häufig am meisten erstaunt, ist das Ausmaß, in dem Trump die Republikaner zu seiner Partei gemacht hat. Nach den Zwischenwahlen ist die Zahl seiner innerparteilichen Kritiker dramatisch geschrumpft, und mit dem republikanischen Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, hat der Präsident einen wichtigen Mitspieler – wie sich gerade wieder bei dem schon jetzt längsten Shutdown in der amerikanischen Geschichte beobachten lässt. McConnell stoppt derzeit jede Vorlage, die die Verwaltung wieder in Gang bringen könnte. Ganz im Sinne des Präsidenten, der nicht bereit für einen Kompromiss ist, solange die Finanzierung seiner Mauer nicht drinsteht. Dass Hunderttausende beim Staat angestellte Amerikaner so lange kein Gehalt bekommen, stört ihn nicht weiter – er schiebt das einfach den Demokraten in die Schuhe. Auch in der Außenpolitik regt sich nur wenig Widerstand in den eigenen Reihen, wenn Trumps Finanzminister Steven Mnuchin beispielsweise russische Oligarchen mit auffälliger Nähe zum Kreml-Chef Wladimir Putin von der Sanktionsliste streicht. Alles besser, als es sich mit dem eigenen Präsidenten zu verscherzen. Dass Trumps Regierungsmannschaft in den vergangenen beiden Jahren im Grunde komplett ausgetauscht wurde und das Chaos im Weißen Haus bereits in diversen Büchern beschrieben wird, hat auch kaum Konsequenzen: Was jeden anderen verunsichern würde, scheint Trump zu genießen. Er ersetzt die erfahrenen Mitarbeiter ganz einfach mit ihm treu ergebenen.
DIE RUSSLAND-ERMITTLUNGEN
Noch immer rätselt die Öffentlichkeit, was FBI-Sonderermittler Robert Mueller eigentlich genau erreichen will. Und welche handfesten Beweise er bisher tatsächlich gesammelt hat. Doch selbst wenn Muellers Bericht Trump am Ende belastet, ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Amtsenthebungsverfahren erfolgreich sein würde. Die im Senat dafür notwendige Zweidrittelmehrheit ist nach den Kongresswahlen noch weniger in Sicht als zuvor. Die Drohung mit einem Impeachment dürfte wiederum die eigenen Reihen schließen. Zudem ist gar nicht einwandfrei geklärt, ob ein Präsident im Amt angeklagt werden kann. Schon alleine daher wird Trump alles daran setzen, so lange wie möglich zu regieren. Und solange die Zustimmung in den eigenen Reihen nicht wegbricht, ist eine zweite Amtszeit alles andere als unwahrscheinlich.