Schock für privat Krankenversicherte: DKV-Beiträge steigen um bis zu 130 Euro im Monat
Bis zu 130 Euro mehr müssen Privatversicherte ab April in der DKV bezahlen. Pro Monat. Der SPD-Experte Karl Lauterbach sieht das als Fanal für die gesamte Branche.
Beitragsschock für Hunderttausende von privat Versicherten: Bei der DKV, Deutschlands zweitgrößtem privaten Krankenversicherer, steigen die Tarife zum April teilweise um bis zu 130 Euro im Monat. Für die Betroffenen kann das eine Erhöhung um 40 Prozent und mehr bedeuten. Und ohne den Einsatz von knapp einer halben Milliarde Euro aus Rückstellungen wäre der Beitragsanstieg sogar noch höher ausgefallen.
Über alle Tarife erhöhten sich die Beiträge um 7,8 Prozent, sagte DKV-Sprecherin Sybille Schneider dem Tagesspiegel. Betroffen seien 59,2 Prozent der rund 818 000 Vollversicherten. Man habe die Steigerungen auf 129,90 Euro im Monat begrenzt. Für über 65-Jährige sei ein Limit von 79,90 Euro gezogen worden. Risikozuschläge und höhere Kosten für Tagegeldversicherungen kommen noch dazu.
Wie viele Versicherte die Höchstgrenzen erreichen, behielt der Konzern für sich. Allerdings betonte die Sprecherin, dass man den errechneten Beitragsanstieg in diesem Jahr mit 439 Millionen Euro aus Rückstellungen noch „weitestmöglich begrenzt“ habe
Das Neugeschäft bricht ein, die Zinsen sind im Keller
Der SPD-Experte Karl Lauterbach wertete die Beitragsexplosion als Beleg dafür, dass es für die private Krankenversicherung (PKV) „jetzt ans Eingemachte geht“. Ihr Neugeschäft breche ein, die Niedrigzinsphase schmälere zunehmend auch die langfristigen Geldanlagen der Versicherer, die Kostendynamik sei „nach wie vor ungebrochen“. Von diesen Problemen seien alle Anbieter betroffen.
Als Hauptgrund für den ungewöhnlich starken Beitragsanstieg nannte die Sprecherin eine „deutliche Zunahme“ erbrachter Leistungen. Das gelte vor allem für die stationäre Behandlung im Krankenhaus. Der Anteil der Hochkostenfälle habe sich „vervielfacht“. Teurer werde es auch, weil DKV-Versicherte länger lebten und im Alter seltener zu gesetzlichen Kassen zurückwechselten. Hinzu komme die Senkung des Rechnungszinses, weshalb die Versicherten mehr Geld für die Alterungsrückstellung aufbringen müssten.
Die Frage, ob man bei der DKV aufgrund der enormen Kostensteigerungen nicht einen Ausstieg aus dem Vollversicherungsgeschäft erwäge, verneinte die Sprecherin. Man habe in der Vergangenheit damit verdient und erwarte das auch für die Zukunft.
Nach Tagesspiegel-Informationen ist von der Beitragsexplosion vor allem der Tarif BM4 betroffen - einer der größten im DKV-Angebot, der bis vor kurzem noch als besonders seriös beworben wurde. Die durchschnittliche Beitragssteigerung liegt hier, über alle Selbstbehaltsstufen, bei 29 Prozent.
Versicherten-Information auf den letzten Drücker
Die Informationen an die Betroffenen gingen teilweise erst Ende Februar heraus, also auf den letzten Drücker, weil Beitragsanpassungen mindestens einen Monat vor Inkrafttreten mitgeteilt werden müssen. Seither stehen bei dem Versicherer die Telefone nicht mehr still. Beschwerden und Beratungsersuchen hätten "spürbar zugenommen", räumte die Sprecherin ein. Es kommt "zu längeren Wartezeiten bei der Bearbeitung".
Für Branchenexperten kommt die Beitragsexplosion bei der DKV nicht überraschend – und aus ihrer Sicht wird es auch nicht die einzige bleiben. „Wo’s bisher nicht geknallt hat, knallt es noch“, sagt der Versicherungsberater Christhart Kratzenstein vom Onlineportal Expertennetzwerk24. Bei anderen Anbietern sei die Situation „definitiv nicht besser“, für alle privat Versicherten werde es spürbar teurer. „Der Werbespruch, dass man in der PKV Geld spart, stimmt nicht mehr.“
Bei den Versicherern, die bereits zum Jahreswechsel nachjustiert haben, stiegen die Beiträge im Schnitt ebenfalls überdurchschnittlich - um 4,1 Prozent. Dies ist einer Übersicht des Branchendienstes Map-Report zu entnehmen, an der sich 17 der 32 Vollversicherer beteiligt haben. Demnach mussten Bestandskunden der R + V am tiefsten in die Tasche greifen, sie hatten eine Beitragserhöhung von 16,4 Prozent zu verkraften.
SPD: PKV ist für alle Nicht-Beamten zum Risiko geworden
Gut bezahlbar sei die private Absicherung nur noch für Beamte, sagte Lauterbach – und das liege auch nur daran, dass ihnen der Steuerzahler über die Beihilfe einen Großteil der Kosten abnehme. Für alle anderen sei die PKV „zum Risiko geworden“.
Kurzfristige Maßnahmen seitens der Politik schloss der Fraktionsvize dennoch aus. Das Thema tauge nicht für Schnellschüsse, sagte er. Nötig sei eine „systemische Herangehensweise“. Für die nächste Legislatur überarbeite die SPD ihr Bürgerversicherungskonzept. Und der neuen privatärztlichen Gebührenordnung werde man keinesfalls zustimmen. Die darin enthaltenen Honorarzuwächse würden den Kostenanstieg nämlich, so Lauterbach, „nur noch beschleunigen“.
Tipp: Wer trotzdem über einen Wechsel der PKV nachdenkt, sollte einen Blick in den Ratgeber-Bereich des PKV-Vergleichs werfen und sich informieren.