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Nun darf der Bund auch digitalen Unterricht fördern.
© Friso Gentsch/dpa
Update

Bund und Länder ändern Grundgesetz: Digitalpakt ist auf dem Weg

Zügiges Ende eines langen Streits: Im Vermittlungsverfahren zur Umsetzung des Digitalpakts setzen Länder Änderungen an den Beschlüssen des Bundestags durch.

Der Digitalpakt kann kommen. Am Mittwochabend einigte sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat auf die Grundgesetzänderungen, die vor allem auf Forderungen von Bundesseite zurückgehen. Die Sitzung dauerte nur 21 Minuten - angesichts des zum Teil heftigen Streits in den vergangenen Monaten war es offenkundig das Anliegen aller Beteiligten, nun zügig Vollzug zu melden und ein Signal zu geben, dass Bund und Länder zum kooperativen Miteinander zurückgekehrt sind. Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, der CDU-Politiker Hermann Gröhe, sprach hernach auch von einer "überwältigenden Mehrheit". Im Bundestag werden an diesem Freitag Union, SPD, Grüne, FDP und Linke dem Ergebnis zustimmen. Im Bundesrat wird es am 15. März zu einer Zustimmung aller 16 Länder kommen. Der Digitalpakt, in dem der Bund in den kommenden fünf Jahren jeweils eine Milliarde Euro pro Jahr zu den Ausgaben der Länder für die Digitalisierung des Schulunterrichts zuschießt, dürfte so mit dem nächsten Schuljahr wirksam werden.

Gröhe sagte, es habe keine Formelkompromisse gegeben. Manuela Schwesig, die sozialdemokratische Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, sagte, es habe bei dem nun gefundenen Ergebnis keine Verlierer gegeben. Der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne), der Hauptwidersacher im Länderlager gegen die vom Bund gewünschten Verfassungsänderungen, betonte allerdings, es sei ihm noch nie so schwer gefallen, einem Kompromiss zuzustimmen.

War die Verfassungsänderung nötig?

Nicht nur nach Kretschmanns Ansicht, sondern auch nach Meinung von prominenten Staatsrechtlern und Finanzwissenschaftlern hätte die Verfassung allerdings gar nicht geändert werden müssen, um den Digitalpakt für die Schulen umzusetzen. In einem Gutachten für die rot-rote Regierung in Brandenburg kam der Berliner Verfassungsjurist Ulrich Battis zu dem Schluss, dass eine Anpassung der Steuerverteilung (so vorgesehen in den Artikeln 106 und 107 des Grundgesetzes) gegenüber den nun beschlossenen Änderungen die überzeugendere Lösung gewesen wäre. Ähnlich wie Kretschmann argumentierten auch die Regierungschefs von Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen. Sie konnten sich mit ihrer Position aber nicht durchsetzen.

Daher werden nun die Passagen des Grundgesetzes, in denen es um die Finanzhilfen des Bundes geht, neu gefasst. Im neuen Artikel 104b fehlt allerdings die sehr weit gehende Forderung des Bundestages, wonach bei solchen Finanzhilfen – üblicherweise sollen sie der Wirtschaftsförderung dienen – die Bundesmittel in mindestens gleicher Höhe im entsprechenden Investitionsbereich durch Landesmittel zu ergänzen seien. Eine solche 50:50-Kofinanzierung hatten alle Länder abgelehnt, zumal sie wegen des Eingriffs in die Haushaltsautonomie der Landtage verfassungsrechtlich sehr brisant ist. In dem Artikel steht nunmehr der Satz: „Die Mittel des Bundes werden zusätzlich zu eigenen Mitteln der Länder bereitgestellt.“  Damit können, wie bisher, die jeweiligen Finanzierungsanteile auf dem Verhandlungsweg geklärt werden. Die Länder haben sich hier durchgesetzt, die Formulierung kommt ihnen entgegen.

Zuspitzungen sind verschwunden

Auch beim Artikel 104c sind die Zuspitzungen, die der Bundestag im November – nicht zuletzt auf Drängen von FDP und Grünen – in den Regierungsentwurf schrieb, teils wieder verschwunden. Statt der Feststellung, dass der Bund investive Finanzhilfen „zur Sicherstellung der Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungswesens“ gewähren kann, heißt es nun nur noch, dass diese Finanzhilfen „zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Infrastruktur“ dienen dürfen. Der breite Ansatz, hinter dem mehrere Länder einen direkten Angriff auf die Bildungshoheit der Länder vermuteten, ist damit deutlich entschärft – es geht klarer als im Bundestagsentwurf allein um Infrastrukturfinanzierung. FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner, der sich vor allem für einen stärkeren Bundeseinfluss in der Bildungspolitik ausgesprochen hatte, nannte das Ergebnis dennoch eine "Wende im Bildungsföderalismus".

Allerdings darf der Bund mit seinen Finanzhilfen auch Ausgaben der Länder mitfinanzieren, die mit diesen Infrastrukturinvestitionen „unmittelbar verbunden“ sind. Das zielt zum Beispiel auf die Fortbildung von Lehrkräften, wenn die Finanzhilfe digitale Infrastruktur zum Zweck hat, oder auf die Bezahlung von Systemadministratoren. Entsprechend lobte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, das Ergebnis: Nun dürfe der Bund erstmals auch in Personal investieren.

Offen für alle Kommunen

Was am Ende tatsächlich mit diesen Grundgesetzänderungen möglich ist, wird sich zeigen. In jedem Fall gelten die Bundesprogramme für die kommunale Bildungsinfrastruktur – also die Schulen – künftig nicht mehr für finanzschwache Kommunen, sondern sind für alle Länder und Gemeinden offen.

In einem neuen Artikel 104d wird die Mitfinanzierung des Bundes beim sozialen Wohnungsbau wieder eingeführt, auf die man mit der Föderalismusreform 2006 verzichtet hat.

Weiterhin hat der Bund Kontrollrechte, um zu schauen, ob Finanzhilfemittel aus dem Bundesetat zweckgemäß verwendet werden – das haben die Länder bei der Einführung 2017 nur mit Murren akzeptiert, konnten aber jetzt keine größeren Zugeständnisse erreichen. Die Ministerpräsidenten halten die Berichte und „anlassbezogenen“ Vorlagen von Akten, die sich der Bund ausbedungen hat, für eine bürokratische Anreicherung der Bundesprogramme.

"Das Gesetz ist Flickwerk"

Kritisch äußerte sich hingegen Hans-Günter Henneke, Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistags. „Das ganze Änderungsgesetz ist Flickwerk“, sagte er dem Tagesspiegel. „An dieser Gesamtbewertung führt kein Weg vorbei.“ Henneke teilt die eher skeptische Beurteilung der Verfassungsänderungen in der Wissenschaft, die im Herbst auch in der Anhörung im Bundestag deutlich geworden war. Andererseits sei es im Vermittlungsverfahren gelungen, „die dem Grundgesetz vom Bundestag zugefügten tiefen Dellen in der Finanzverfassung“ zum Teil wieder auszubeulen.

Dem Kompromiss im Vermittlungsverfahren kann der Bundestag schon an diesem Freitag zustimmen. Im Bundesrat werden die Vereinbarungen bei der nächsten Sitzung am 15. März auf der Tagesordnung sein. Der Digitalpakt - er ist von den Bildungsministern von Bund und Ländern bereits 2017 vereinbart worden und war in der Sache gar nicht Gegenstand des Vermittlungsverfahrens - kann dann wohl zum kommenden Schuljahr umgesetzt werden. Er soll über fünf Jahre laufen, der Bund gibt insgesamt fünf Milliarden Euro.

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