"Safer Internet Day": "Digital natives" sehen eher Gleichaltrige als Ratgeber
Am John-Lennon-Gymnasium sprachen drei Generationen über die Digitalisierung. Allerdings lassen sich junge Leute bei dem Thema von Älteren nichts vormachen.
Die Szenerie wirkt etwas improvisiert. Unweit des Rednerpultes, das für die EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel aufgebaut wurde, hängt ein Basketballkorb. Das stört aber nicht weiter, denn in der Turnhalle des John-Lennon-Gymnasiums in Mitte kommt an diesem Montag trotzdem ein Gespräch zwischen den Generationen zu Stande. Da sind zunächst die Schüler als „digital natives“. Zur Generation derjenigen, die noch ohne Smartphone aufwuchsen, gehört die 39-jährige Kommissarin aus Brüssel. Und da ist noch der 73-jährige Regisseur Wim Wenders. Als Gabriel daran erinnert, dass die Videoläden früher ein wichtiger Vertriebskanal für seine Filme waren, gibt es unter den Schülern leises Gelächter.
Das Digitale eröffnet auch Bildungschancen
Gabriel und Wenders sind in das John-Lennon-Gymnasium gekommen, um nachträglich zum „Safer Internet Day“, an dem alljährlich für Online-Sicherheit für Kinder und Jugendliche geworben wird, mit den Schülern über Bildung im digitalen Zeitalter, aber auch über Cybermobbing und Fake News zu sprechen. „Hallo together, hallo everybody“, begrüßt Verena Wottrich von der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für Medien und Kommunikation die Gäste, die sich zuvor mit den jungen Leuten in Workshops ausgetauscht haben. Gabriel hält eine Rede, am Ende appelliert sie an die „digital natives“: „Europa gehört euch. Seid kreativ, und seid nett zueinander.“ Anschließend stellen Schülerinnen die Ergebnisse aus den Workshops vor und stellen Fragen an die EU-Kommissarin – alles in sehr flüssigem Englisch.
Allerdings gibt es immer dann, wenn jüngere und ältere Menschen über die Chancen und Risiken im Netz sprechen, ein Problem. Die „digital natives“ lassen sich von Älteren nur ungern darüber belehren, dass sie ihr Smartphone während der Hausaufgaben abschalten, sichere Passwörter verwenden oder bei Nachrichten im Netz auf die Quelle achten sollen. Die angehende Abiturientin Malina Steinbrecher bringt es auf den Punkt: „Wir hören eher auf Gleichaltrige als auf Lehrer und Eltern.“ Wobei sie auch das ganze Spannungsfeld der Digitalisierung beschreibt: Das Netz ist nach ihrer Auffassung zwar kein „großes Monster“, aber eben auch der Ort von Hate Speech, Sexismus und Rassismus.
EU-Kommission fordert Facebook und Co. zu Transparenz auf
Die EU-Kommission will derzeit vor allem verhindern, dass vor der Europawahl mögliche Desinformationskampagnen ins Rollen kommen. Die Sorge ist nicht unbegründet, denn nach der Einschätzung von US-Geheimdiensten beeinflusste Russland vor allem über Facebook die Präsidentschaftswahl im Jahr 2016. Gabriel fordert „mehr Transparenz“ von den Internet-Plattformen, auch wenn sich Google, Facebook und Co. mit der EU-Kommission im vergangenen Herbst auf einen Verhaltenskodex geeinigt haben. Dieser Kodex sieht eine Selbstregulierung der Konzerne beim Kampf gegen Fake News vor. Nach den Worten von Gabriel müsse nicht zuletzt offengelegt werden, wer gesponserte Inhalte finanziere. Es gehe dabei nicht um eine Zensur, sondern um eine freie Entscheidungsfindung der Nutzer, erklärt die EU-Kommissarin.
Filme im Zeitalter von Snapchat
Dass im Zeitalter von Snapchat und Instagram noch ein Interesse an filmischer Erzählkunst besteht, zeigt immerhin die Frage einer Schülerin. Sie will von Wenders wissen, welche Bedeutung die Farbgebung in seinen Filmen habe. „Farben haben eine emotionale Wirkung auf unsere Wahrnehmung“, antwortet Wenders. Farben sind nach seiner Einschätzung genauso wichtig wie die Schauspieler und der Filmschnitt. Und nicht zu vergessen: der Text, der auch erst einmal geschrieben werden will.
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Albrecht Meier