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Für Innengastronomie braucht es in einigen Bundesländern (bald) kein Modellprojekt mehr.
© Sebastian Willnow/dpa
Update

Fünf Bundesländer unter 35: Diese Lockerungen sind bei niedrigen Inzidenzen möglich

Die Corona-Zahlen sinken weiter stark, Spahns 20er-Inzidenz wirkt nicht utopisch. Einige Bundesländer lockern bereits, weil sie die 50 unterschritten haben.

Weniger als 20 Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen als Zielmarke für einen unbeschwerten Sommer? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Messlatte am Sonntag hoch gesetzt.

Aktuelle Zahlen zeigen allerdings, dass die Zahl nicht utopisch wirkt und viele deutsche Bundesländer auf einem guten Weg dahin sind. Seit Mittwoch ist sogar die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz unter 50.

Berlin war am Dienstag das sechste Land, in dem die Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 gefallen ist. Thüringen (70,3), das Saarland (62,4), Baden-Württemberg (59,3), Hessen (53,3) und Nordrhein-Westfalen (51,6) sind die einzigen Bundesländer, in denen die Inzidenz noch über 50 liegt. Seit Mittwoch gibt es hingegen schon fünf Bundesländer, in denen die 35er-Inzidenz gefallen ist.

Das geht aus aktuellen Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) und einer Prognose des Zentralinstituts für die die kassenärztliche Versorgung (ZI) hervor. Das Institut rechnet dafür die aktuelle Inzidenz pro Bundesland mit dem R-Wert hoch.

Diese Ansteckungsrate liegt derzeit in allen Bundesländern unter 1. Das bedeutet erstens, dass überall eine Person weniger als eine weitere Person ansteckt. Und es bedeutet zweitens, dass die Zahl der Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner rückläufig ist.

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In Berlin beispielsweise liegt der R-Wert derzeit bei 0,84. Das bedeutet, dass 100 Menschen dort 84 weitere Menschen anstecken. Der ZI-Prognose zufolge dauert es nur noch bis zum 29. Mai, bis im Land Berlin die 35er-Inzidenz fällt.

In Sachsen-Anhalt, wo erst am Mittwoch die 50er-Inzidenz gefallen ist, wird die nächste Grenze auf der Skala nach unten früher erreicht, und zwar schon am Donnerstag voraussichtlich. Denn dort liegt der R-Wert bei 0,71. Die bundesweite Inzidenz soll am 1. Juni voraussichtlich den 35er-Wert unterschreiten.

Auf dem Weg zu Spahns Ziel, der 20er-Inzidenz, sind diese Zahlen noch wenig aussagekräftig. Sehr wohl aber, wenn man sich die neuen Verordnungen in den Ländern anschaut. In einigen Bundesländern wurden bereits weitere Lockerungen beschlossen. In Niedersachsen beispielsweise ist eine neue in Kraft getreten, die Lockerungen beim Erreichen der 50er- und 35er-Inzidenz beinhaltet.

Bundesländer mit Inzidenz unter 50 (Voraussichtliches Erreichen der 35):

  • Mecklenburg-Vorpommern: 23,5
  • Schleswig Holstein: 24,2
  • Hamburg: 29,0
  • Niedersachsen: 34,0
  • Brandenburg: 34,9
  • Berlin: 39,3 (29.5.)
  • Sachsen-Anhalt: 40,6 (27.5.)
  • Bremen: 41,3 (31.5.)
  • Rheinland-Pfalz: 45,1 (31.5.)
  • Bayern: 45,9 (31.5.)
  • Sachsen: 47,2 (30.5.)

In Schleswig-Holstein ist die Pandemie-Lage seit Wochen mit Abstand am besten. Dort liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bereits seit wenigen Tagen bei unter 35. Neue Lockerungen gibt es deshalb allerdings nicht, da es landesweit lediglich eine Grenze beim 50er-Wert gibt.

Diesen unterschritt Schleswig-Holstein bereits vor über einer Woche. Deshalb darf dort sogar die Innengastronomie wieder öffnen. Außerhalb geschlossener Räume sind sogar Treffen von bis zu zehn Personen verschiedener Haushalte erlaubt. Schulen und Kitas sind längst wieder zum Regelbetrieb übergegangen.

In Niedersachsen ist die Inzidenz landesweit ebenfalls bereits unter 35. Unterschreitet dort ein Landkreis die Sieben-Tage-Inzidenz von 50 fünf Werktage in Folge, entfällt zukünftig die Testpflicht im Handel. Auch dürfen Schulen und Kitas frühestens ab kommenden Montag dann wieder in den Regelbetrieb zurückkehren. Allerdings müssen sich Schüler:innen sowie Lehrkräfte weiterhin zweimal in der Woche testen.

Unterschreitet die Inzidenz in niedersächsischen Landkreisen sogar fünf Werktage in Folge den Wert 35, fallen sogar die flächenbezogenen Kunden-Obergrenzen in Geschäften weg. Urlaube sind in Niedersachsen auch für auswärtige Gäste sogar wieder bei einer Inzidenz unter 100 möglich. Allerdings ist dafür bei Anreise ein negativer Schnelltest notwendig. Auch müssen sich die Gäste zwei weitere Male pro Urlaubswoche testen lassen.

In Mecklenburg-Vorpommern hatte die Landesregierung bereits vor zwei Wochen Daten für den Neustart im Handel und der Gastronomie festgelegt. Am Dienstag folgte dann die definitive Ansagen, dass Hotels und Pensionen bereits am Freitag wieder öffnen dürfen. Zudem sollen Kultureinrichtungen, wie Kinos oder Museen, ab dem 1. Juni schrittweise wieder Besucher empfangen.

Auch in Brandenburg wurde am Dienstag über weitere Lockerungen angesichts der Inzidenz unter 50 beraten. Dort wird nun angestrebt, das Einkaufen ohne Termin und auch Restaurantbesuche im Innenraum ab dem 3. Juni wieder zu ermöglichen. Ab dem 11. Juni dann könnten auch private Übernachtungen in Hotels und Pensionen wieder ohne Auslastungsbeschränkung erlaubt sein.

Zumindest die Grundschulen kehren in Brandenburg schon am kommenden Montag in den Präsenzunterricht zurück. Tags darauf dürfen die Fitnessstudios wieder öffnen.

Der Senat in Hamburg berät am Freitag über weitere Lockerungen. Aus Berlin, wo die Inzidenz knapp über 35 steht, sind keine neuen Planungen bekannt. Der aktuelle Stufenplan sieht vor, dass unter anderem am 4. Juni Kontaktbeschränkungen gelockert werden und womöglich am 18. Juni die Innengastronomie öffnen soll. Die nächste Sitzung des Berliner Senats soll es erst in der kommenden Woche, am 4. Juni, geben.

In Sachsen-Anhalt ist die Innengastronomie sogar schon bei einer Inzidenz von 100 wieder bereit zu öffnen. Eine Besonderheit ist dort, dass nun, sobald die 50er-Inzidenz unterschritten ist, Veranstaltungen im Außenbereich mit bis zu 300 Gästen möglich sein werden. Im Innenbereich dürfen es maximal 200 Gäste sein, wenn nicht mehr als die Hälfte der Plätze belegt ist.

„Allein auf die Inzidenz zu schauen, wird nicht reichen“

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer warnte in der „Welt“ allerdings davor, Inzidenzzahlen von vor einem Jahr eins zu eins auf die heutige Situation zu übertragen. Er kritisierte damit ganz offen Gesundheitsminister Spahn und seine Aussage zur 20er-Inzidenz.

Inzwischen hätten die meisten Menschen in den Risikogruppen zumindest ihre erste Impfung, in den Hochrisikogruppen hätten viele bereits den vollen Schutz. „Die Intensivbetten leeren sich, die schweren Verläufe werden deutlich seltener. Die Gefährdungslage aus einer spezifischen Zahl, sei es 20, 35, 50 oder 100, ist inzwischen eine ganz andere, als das noch Anfang des Jahres der Fall war“, sagte Theurer.

Mittlerweile haben 40 Prozent der Deutschen zumindest eine Erstimpfung erhalten, mehr als 45 Millionen Impfdosen sind verabreicht worden. Rund 14 Prozent der Menschen in Deutschland sind sogar schon voll geimpft.

Zurückhaltender äußerten sich die Grünen. „Allein auf die Inzidenz zu schauen, wird in den nächsten Wochen nicht reichen“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Auch wenn eine Strategie der niedrigen Infektionszahlen grundsätzlich richtig ist.“

Unionsfraktionsvize Stephan Stracke (CSU) sprang Spahn in der „Welt“ zur Seite. Es solle keineswegs das Infektionsschutzgesetz mit den Grenzwerten 100, 50 und 35 geändert werden, sagte Stracke. Aber: „Mit der Zielrichtung von 20 vermeiden wir insbesondere Situationen, in denen Öffnungsschritte bei Überschreiten der gesetzlichen Grenzwerte wieder zurückgenommen werden müssen.“ (mit dpa)

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