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Rupert Neudeck beobachtet die Situation auf dem Mittelmeer sehr aufmerksam.
© dpa

Rupert Neudeck - sein letztes Tagesspiegel-Interview: „Die Zeit ist reif für eine Cap Anamur“

Rupert Neudeck, der Gründer der Hilfsorganisation „Cap Anamur“, ist gestorben. Wir veröffentlichen an dieser Stelle noch einmal ein Interview, das der Tagesspiegel vor einem Jahr mit ihm führte.

Herr Neudeck, Sie haben vor 36 Jahren mit der „Cap Anamur“ vietnamesische Flüchtlinge aus dem Chinesischen Meer gerettet. Ist es Zeit für eine neue „Cap Anamur“ mit dem Einsatzgebiet Mittelmeer?

Es gibt ja bereits eine private Initiative von Harald Höppner, der mit einem Kutter von Malta aus Flüchtlinge retten will. Ich stehe mit ihm in Kontakt. Höppners Schiff ist aber sehr klein, diese Aktion kann daher nur zur Bewusstseinsbildung beitragen. Wenn man dann sieht, die Zeit ist reif für eine Initiative nach dem Vorbild der „Cap Anamur“, sollte man sofort loslegen.

Heißt das, Sie suchen bereits nach einem großen Schiff und Leuten, die einen größeren Einsatz finanzieren?
Ich bin dabei, mich umzuhören, ja. Es geht auch um politische Unterstützung. Als wir „Cap Anamur“ starteten, hatte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht sich bereiterklärt, 1000 vietnamesische Boatpeople aufzunehmen. So etwas suche ich auch jetzt.
Haben Sie schon Ihre Fühler ausgestreckt?
Ja, das habe ich, einen Namen kann ich aber noch nicht nennen.
Wann kommt also die „Cap Anamur II“?
Die Aufgabe ist viel politischer und viel gewaltiger als damals. Wir haben damals 11.300 Flüchtlinge gerettet, die italienische Marine während ihrer Rettungsaktion „Mare Nostrum“ dagegen 140.000. Deshalb muss man zunächst auch andere Lösungen in Betracht ziehen.

Was sind diese anderen Lösungen?
Kurzfristig sollte sich die Bundesmarine an der Seenotrettung im Mittelmeer beteiligen. Die Italiener haben es vorgemacht, jetzt könnten wir Deutsche den Stab übernehmen, danach vielleicht die Franzosen. Das wäre ein guter europäischer Beitrag. Außerdem sollten kommerzielle Schiffe, die Flüchtlinge aufnehmen, finanzielle Unterstützung bekommen und ihre Kapitäne ausgezeichnet werden. Denn angesichts des wirtschaftlichen Drucks fahren bisher noch zu viele dieser Schiffe an Flüchtlingsbooten vorbei.
Und langfristig?
Ich setze darauf, dass es jetzt einen Knall gibt wie nach dem Atomunfall von Fukushima und man eine Entscheidung trifft, mit der man der Flüchtlingskrise langfristig begegnen kann. Die meisten Flüchtlinge, die aus afrikanischen Ländern kommen, suchen kein Asyl, sondern Ausbildung und Arbeit. Wenn wir in bestimmten Staaten, etwa in Marokko oder Tunesien, Ausbildungszentren aufbauen, in denen sie Berufe lernen können, werden sie in ihre Heimatländer zurückgehen.

Rupert Neudeck (75) gründete 1979 einen privaten Verein, der mit dem Frachter "Cap Anamur“ vietnamesische Boatpeople rettete. Später gründete er die Hilfsorganisation „Grünhelme“.

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