Gewalt in Bottrop und Amberg: Die verheerenden Folgen des Hasses
Die jüngsten Gewalttaten zeigen vor allem eines: Die Gesellschaft braucht ein Konzept zum Umgang mit Hasskriminalität. Ein Kommentar.
Hass macht keine Pause. Das neue Jahr hat gerade erst begonnen, da fährt ein womöglich psychisch kranker Rassist mit seinem Wagen in Bottrop und Essen gezielt auf Migranten zu. Acht Menschen erleiden Verletzungen, eine Syrerin überlebt nur dank einer Notoperation. Und erst kurz vor dem Jahreswechsel haben vier junge Asylbewerber im bayerischen Amberg wahllos auf Passanten eingeschlagen, zwölf Menschen werden verletzt.
Das Land ist entsetzt. Beide Delikte wirken wie Fanale, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigen. Und Ressentiments noch verstärken, bei den einen gegen Ausländer und bei den anderen gegen Deutsche. So wird der Hass noch stärker. Keine guten Aussichten für 2019.
Bundesinnenminister Horst Seehofer schlägt harte Töne an, vor allem gegen gewalttätige Asylbewerber. Um sie loszuwerden, will er Gesetze ändern lassen. Die Reaktion auf die Amokfahrt im Ruhrgebiet klingt weniger entschlossen, Seehofer ist „sehr betroffen“. Um eine mögliche Unwucht in seiner Rhetorik zu vermeiden, betont der Minister, es gehöre zur politischen Glaubwürdigkeit, beide Fälle „mit Entschiedenheit und Härte zu verfolgen“. Das ist wohl das, was viele Menschen gleich welcher Herkunft in diesem Land jetzt hören wollen, schon um die eigenen Ängste dämpfen zu können. Und es ist doch zu wenig.
Das beginnt schon bei der Analyse beider Fälle. In Amberg ist zu untersuchen, wie es soweit kommen konnte, dass junge Flüchtlinge in Gewalt und Hass abdriften. Warum fanden die Täter keinen Halt in dieser Gesellschaft, in diesem Land? Und bei dem Amokfahrer aus Essen ist zu prüfen, ob eine psychische Erkrankung seine Fähigkeit beeinträchtigt hat, rational zu handeln.
Sollte der Mann an Schizophrenie leiden, was nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse nicht auszuschließen ist, wäre es fraglich, ob der Angriff auf die Migranten ein terroristischer Akt war. Die häufige Behauptung, Extremisten und Terroristen seien alle gestört, ist viel zu pauschal und glücklicherweise kein Maßstab für einen differenzierenden Rechtsstaat und sein Strafrecht.
Labile Menschen sind besonders anfällig für Hassparolen
Dennoch sind Sorgen berechtigt. Selbst wenn die Tat des Amokfahrers strafrechtlich nicht wie die eines gesunden Menschen geahndet werden kann, ist doch unübersehbar, wie verheerend extremistischer Hass wirken kann. Genau das nehmen die Agitatoren des Hasses billigend in Kauf.
Wer die sozialen Netzwerke als Brandbeschleuniger für menschenverachtende Parolen missbraucht, sehnt eine Eskalation herbei. Dass labile und erst recht psychisch kranke Menschen den angebotenen Hass inhalieren und dann wie fremdgesteuert mit einem Messer oder einem Fahrzeug zur Jagd auf vermeintliche Feinde aufbrechen, gehört zum zynischen Kalkül von Rassisten, Salafisten und anderen Fanatikern. Es könnte obendrein Tendenzen zur Stigmatisierung psychisch Kranker verstärken.
Da sollte auch die Frage gestellt werden, ob die Schläger von Amberg ebenfalls zu rassistischem Hass aufgestachelt waren - gegen Deutsche. Oder ob sich die Täter selbst in eine solche Gesinnung hineinradikalisiert haben. Nur wer allen Fragen nachgeht, in Amberg wie in Essen, wird Antworten finden, wie Hasskriminalität besser zu begegnen wäre. Wo bei Prävention, Deradikalisierung und natürlich auch bei Repression mehr getan werden müsste. Und wie der gesellschaftliche Zusammenhalt zu stärken wäre, um den Hass wenigstens einzudämmen.