Neue Bündnissuche: Die USA und Russland buhlen um Indien
Angesichts der angespannten Lage zwischen Russland und dem Westen wird Indien als Verbündeter für die Großmächte immer wichtiger. Vladimir Putin ging bei seinem Besuch in Neu-Delhi in Vorleistung, doch Regierungschef Modi hält sich alle Türen offen. Von unserer Korrespondentin aus Neu-Delhi
Indien sei wie „eine reiche Braut mit vielen Bewerbern“, schmeichelte Russlands Botschafter in Delhi, Alexander Kadakin, seinem Gastland. Gebeutelt von westlichen Sanktionen und politisch isoliert will Russlands Präsident Wladimir Putin die Bande mit Indien neu beleben. Bei einem eintägigen Besuch in Delhi vereinbarte er am Donnerstag mit Indiens Regierungschef Narendra Modi eine Reihe von Projekten, um die Rüstungs- und Energiezusammenarbeit auszubauen.
Der Kreml-Chef sucht händeringend nach neuen Kunden und Freunden in Asien, um Russlands Wirtschaft zu stützen. So will Russland in den nächsten 20 Jahren weitere zwölf Atomkraftwerke an Indien liefern und dort Helikopter fertigen. Auch sollen der Diamantenhandel und die Öllieferungen ausgeweitet werden. „Indien ist ein bewährter Partner“, beschwor Putin die alte Freundschaft, die bis in die Zeiten des Kalten Krieges zurückreicht.
Auch die USA haben großes Interesse
Putin ist allerdings nicht der einzige Staatschef, der auf Freiersfüßen wandelt. Auch Washington buhlt mit neuer Verve um Indien. In rund sechs Wochen wird US-Präsident Barack Obama erwartet. Als erster US-Präsident wird er am 26. Januar als Ehrengast an Indiens „Tag der Republik“ teilnehmen. Die USA schauen mit neu erwachtem Interesse auf das Gandhi-Land. Nach langer Paralyse erhofft sich der Westen von Modi einen Reformschub und neue Milliardendeals.
Doch der Ukraine-Konflikt lauert im Hintergrund. Indien hält sich bisher raus – und hat klargemacht, dass es sich nicht den westlichen Sanktionen gegen Russland anschließen will. Zwar galt Indien während des Kalten Krieges als blockfrei, doch stand es der Sowjetunion näher als dem Westen. Erst in den vergangenen zehn Jahren taute das Verhältnis zu den USA deutlich auf.
Erste Risse im Verhältnis Moskau-Neu-Delhi
Bis heute ist Moskau mit Abstand Indiens größter Waffenlieferant. Modi versicherte Putin, dass Russland auch künftig wichtigster Waffenlieferant bleibe, auch wenn Indien heute mehr Optionen habe. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Verhältnis Risse zeigt. Moskau verübelt Delhi, dass es den französischen Rafale-Jäger Russlands Produkten vorzog. Umgekehrt zürnt Delhi Moskau, weil es Pakistan Kampfhubschrauber verkaufen will.
Schwieriger Balanceakt
Analysten glauben, dass der seit sechs Monaten regierende Hindunationalist Modi weniger prorussisch festgelegt ist als die linke Vorgängerregierung. Ihm geht es vor allem um die Wirtschaft. Modi setze auf die USA, spekuliert etwa der bekannte Kolumnist Karan Thapar, denn die könnten letztlich mehr bieten als Russland. Diplomatisch steht Modi damit ein schwieriger Balanceakt bevor. Einerseits will er die Beziehungen zu den USA forcieren, andererseits Russland nicht vor den Kopf stoßen.
Sieger China
Mit Sorge sieht man in Delhi auch, dass sich Russland zusehends dem Rivalen China zuwendet und Peking zu Schnäppchenpreisen Energie und Militärgüter liefert, um die Sanktionen des Westens zu unterlaufen. Der frühere indische Außenstaatssekretär Kanwal Sibal hält die westliche Politik für kurzsichtig. Am Ende werde China militärisch und wirtschaftlich als Sieger und lachender Dritter aus dem Konflikt hervorgehen. „Für Indien ist es zunehmend schwierig, die Gründe der US/EU-Politik gegenüber Russland zu verstehen, die Russland in die Arme Chinas treibt.“ Christine Möllhoff
Christine Möllhoff