Vor der Münchener Sicherheitskonferenz: Die USA müssen sich der Welt wieder zuwenden
Amerikanischer Isolationismus gefährdet den Frieden weltweit, schreibt der republikanische Gouverneur von Ohio in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die USA als stärkste militärische, wirtschaftliche und wissenschaftlichen Macht ein Fanal der Hoffnung für Demokratie und freie Wirtschaft, und wir konnten unsere Macht und unseren globalen Einfluss dafür einsetzen, dass andere an unseren Werten und unserem Wohlstand teilhaben können.
Heute wird in den USA lautstark der Rückzug hinter unsere Grenzen gefordert, während die Welt mit großen Herausforderungen und Gefahren konfrontiert wird. Wir dürfen diesen Stimmen kein Gehör schenken, sondern müssen uns der Welt wieder zuwenden. Um unsere Ziele für das 21. Jahrhundert zu erreichen – die Erhaltung unserer militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Macht als einer Kraft für Frieden und Demokratie in einer sich verändernden Welt –, müssen wir unsere Führungsrolle überdenken und neu konzipieren. Das heißt, dass wir ein stärkeres Militär und zugleich stärkere internationale Verteidigungs- und Handelsbündnisse aufbauen müssen.
Die Ausgaben für das Militär müssen steigen
Eine Erhöhung des US-Militärbudgets ist unverzichtbar. Schon jetzt ist unser Militär überlastet, und die Kampfbereitschaft wird als unzureichend empfunden. Wir dürfen nicht zulassen, dass erhöhte Ausgaben diese Probleme lediglich subventionieren, während neue Gelder politisch attraktiveren Programmen zufließen.
Wichtige strategische Herausforderungen sind zu berücksichtigen. Der zunehmenden Verbreitung von Atomwaffen müssen die USA weiterhin mit atomarer Abschreckung begegnen. Wir müssen unsere Atomwaffen und unsere Waffeneinsatzsysteme modernisieren, um die militärische Abschreckung an die neue multipolare internationale Situation anzupassen. Die ist vom Wettstreit zwischen etablierten und aufsteigenden Mächten gekennzeichnet, mit Bedrohungen, die über die herkömmlichen Schlachtfelder bis in den Weltraum und den Cyberspace reichen.
Atomares Arsenal modernisieren
Zeitgemäße internationale Verteidigungsbündnisse müssen auf diese Tatsachen zugeschnitten sein: auf ein besorgniserregendes Netzwerk von neuen Bedrohungen und Akteuren, das weit über die bekannten konventionellen und atomaren Bedrohungen durch Russland hinausreicht und das neue Gefahren einschließt, die von China, Nordkorea und Iran und von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen.
US-Präsident Trump hat zu Recht darauf hingewiesen, dass unsere Verbündeten es sich inzwischen leisten können, einen größeren Anteil ihrer Verteidigungskosten selbst zu tragen. So können aus unseren Bündnissen eine Reihe von dynamischen, problemorientierten Koalitionen hervorgehen, in denen die Beteiligten viel größere Verantwortung für sich und für die Verteidigung ihrer unmittelbaren Nachbarn übernehmen.
Freihandel fördert den Frieden
Unverzichtbares Pendant eines starken globalen Sicherheitsrahmens sind Partnerschaften für freien und offenen Handel. Wer miteinander Handel treibt, sagte schon Ronald Reagan, entwickelt enge Beziehungen, die den Frieden befördern. Faire Handelsabkommen müssen ein integraler Bestandteil jedes künftigen Sicherheitssystems sein.
Um die Suche nach einem neuen Konsens in der Sicherheitspolitik zum Erfolg zu führen, müssen aber auch Republikaner und Demokraten in Washington bereit sein, sich gegenseitig zu respektieren und Kompromisse zu schließen. Nur so werden wir die nachhaltigen Reformen im Finanz- und Bildungswesen und in anderen Bereichen durchführen können, um das Vertrauen der amerikanischen Bürger in ein internationales Engagement zurückzugewinnen.
Aus der Vergangenheit können wir gemeinsam Kraft für die Zukunft schöpfen, können Realisten und Idealisten weltweit den USA helfen, sich der Weltpolitik wieder mit Optimismus zuzuwenden, mit dem Ziel, das eigene, nationale Schicksal aktiv zu gestalten und auch in Zukunft die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Amerika – und die Welt – werden dadurch stärker und wohlhabender.
Der Autor ist Gouverneur des US-Bundesstaates Ohio und unterlag Donald Trump bei den Vorwahlen der Republikaner 2016.
John Kasich