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Fayiz as-Sarradsch beriet sich am Sonntag in Istanbul mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, seinem wichtigsten ausländischen Partner.
© via REUTERS

Lage in Libyen: Die unruhige Waffenruhe

Russlands Präsident Putin unterstützt Merkels Vorhaben einer Libyen-Konferenz in Berlin Ende des Monats. Wie ist aktuell die Lage in dem umkämpften Land?

Die Waffenruhe in Libyen war am Sonntag erst wenige Stunden alt, als sich die beiden gegnerischen Lager in dem nordafrikanischen Land bereits gegenseitig vorwarfen, die Kampfpause zu stören. Die von den Vereinten Nationen anerkannte Einheitsregierung von Ministerpräsident Fayiz as-Sarradsch in der Hauptstadt Tripolis erklärte, Truppen des Rebellengenerals Chalifa Haftar hätten kurz nach Beginn der Waffenruhe um Mitternacht in zwei Gebieten das Feuer eröffnet. Haftars „Libysche Nationalarmee“ (LNA) teilte ihrerseits mit, die Milizen der Einheitsregierung griffen weiter „mit allen Waffen“ an. Die Kriegsgegner hatten unter dem Druck ihrer jeweiligen ausländischen Partner der Feuerpause zugestimmt. Fraglich ist, ob dieser Einfluss von außen ausreicht, um die verfeindeten Lager und die vielen verschiedenen Milizen und Gruppen zurückzuhalten, die auf beiden Seiten kämpfen.

Sarradsch beriet sich am Sonntag in Istanbul mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, seinem wichtigsten ausländischen Partner. Dabei dürfte es auch um die Vorbereitung einer für Ende Januar in Berlin geplanten Friedenskonferenz für Libyen gegangen sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird vor der Konferenz zu einem Besuch bei Erdogan in der Türkei erwartet. Erdogan hatte sich mit der Entsendung türkischer Truppen zur Unterstützung von Sarradsch in den Libyen-Konflikt eingeschaltet.

Als ehemalige Kolonialmacht mischt auch Italien mit

In Libyen gibt es seit 2014 zwei rivalisierende Regierungen. Haftars LNA, die ihre Machtbasis im Osten des Landes hat, begann im April 2019 mit einem Feldzug zur Eroberung von Tripolis im Westen Libyens, dem Sitz von Sarradschs Einheitsregierung. Friedensbemühungen der UN sind wiederholt gescheitert, was auch an der ausländischen Unterstützung für beide Seiten trotz eines Waffenembargos liegt: Während die Türkei und Katar die Milizen von Sarradsch mit Waffen und seit neuestem auch mit Soldaten versorgen, erhält Haftar wichtige Unterstützung aus Russland, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Frankreich. Als ehemalige Kolonialmacht mischt auch Italien in dem Konflikt mit, scheiterte vergangene Woche jedoch mit einer eigenen Initiative für einen Waffenstillstand.

Stattdessen riefen Erdogan und der russische Präsident Wladimir Putin zur Feuerpause auf. Obwohl sie in Libyen auf verschiedenen Seiten stehen, stellen die Türkei und Russland ihre Differenzen zurück, um sich – nicht zuletzt mit Blick auf die geplante Berliner Konferenz – eine günstige Ausgangsposition zu verschaffen.

Trotz des Appells seines Unterstützers Putin zögerte Haftar mit einer Zusage zur Waffenruhe: Seine Truppen hatten kürzlich die wichtige Hafenstadt Sirte eingenommen und fühlten sich dank der Verstärkung durch Söldner aus Russland und dem Sudan sowie Drohnen aus den VAE auf der Siegerstraße. Haftars Sprecher sagte am Wochenende, die Truppen des Generals würden auf ihren Geländegewinne beharren. Ein Rückzug komme nicht in Frage.

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