Anschlag in Istanbul: Die Türkei verdient mehr Mitgefühl
Schon wieder ein Anschlag in der Türkei. Doch die Beileidsbekundungen aus Europa klingen hohl, denn die Türkei ist vor allem Land eines unliebsamen Präsidenten. Falsch ist es trotzdem. Ein Kommentar.
Terror und Tote – das neue Jahr beginnt in der Türkei wie das alte endete. Eine bittere Erfahrung. Dabei wollten die Menschen im angesagten Nachtclub „Reina“ nur die Silvesternacht ausgiebig feiern. Doch die Party endete vorzeitig in verheerender Gewalt. Dutzende Disco-Gäste kamen ums Leben. Menschen, die Spaß haben wollten.
Die Botschaft der Extremisten, seien es nun Islamisten oder Kurden, ist eindeutig: Niemand kann sich sicher fühlen, nirgends. Selbst Tausende Polizisten sind kein ausreichender Schutz gegen Anschläge. Und so zeugen die markigen Worte von Präsident Erdogan, der Staat werde alles zum Schutz seiner Bürger tun, letztendlich von großer Hilflosigkeit.
Denn Fakt ist, dass die Türkei wie kein anderer Nato-Staat vom Terror heimgesucht wird. Und viele Opfer sind Zivilisten. Menschen, die nichts weniger wollen als Krieg, Tod und Leid. Dies sollte auch in Europa mit mehr Sensibilität und Empathie zur Kenntnis genommen werden – unabhängig von der Politik des Regierenden. Denn Anteilnahme zeigen bedeutet nicht, dass man damit irgendetwas gutheißt, was im Land innenpolitisch seit dem gescheiterten Putschversuch vor sich geht.
Sind Ankara und Istanbul so fremd und fern?
Keine Frage. Erdogan verwandelt in Manier eines Sultans die Demokratie immer rascher in eine Autokratie nach seinen Vorstellungen. Grund- und Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Meinungsfreiheit steht allenfalls auf dem Papier. Das Land ist zerstritten und zerrissen. Diese gefährliche Entwicklung muss klar beim Namen genannt werden. Ebenso wie die Tatsache, dass die „Säuberung“ staatlicher Institutionen nicht zuletzt auch die Schlagkraft des Sicherheitsapparats beeinträchtigt hat.
Dennoch haben die vom Terror geplagten Menschen in der Türkei Solidarität verdient. Aber viele Beileidsbekundungen wirken routiniert und gefühlsarm. Sind Istanbul und Ankara Deutschland so fern und fremd? Sind die Opfer in Paris und Brüssel näher? Mag sein. Falsch ist es trotzdem. Denn Terroristen machen keinen Unterschied. Sie wollen nichts anderes, als Angst und Schrecken verbreiten, sie wollen morden. Mitleid ist ihnen fremd. Das sollte dazu ermuntern, genau das zu zeigen.