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Die Stasi-Akten sollen nach Meinung der Experten an ihrem jetzigen Standort in Berlin-Lichtenberg bleiben.
© Stephanie Pilick/dpa

Die Zukunft der Stasiunterlagenbehörde: Die Stasiakten bleiben vorerst offen

Die Stasiunterlagen sollen nach dem Vorschlag einer Expertenkommission ins Bundesarchiv integriert werden. Aus dem Bundesbeauftragten würde ein "Ombudsmann der Opfer".

Das Modell galt als weltweit einzigartig: Erstmals konnten Bürger selbst Einsicht nehmen in Akten, die ein Geheimdienst zuvor über sie angefertigt hatte Für viele Staaten Osteuropas ist die Arbeit der Stasi-Unterlagenbehörde bis heute beispielhaft. Mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer soll diese Behörde nun nach dem Willen einer Expertenkommission in ihrer bisherigen Form abgeschafft werden. Die vom Bundestag eingesetzte Kommission schlägt vor, die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR bis 2021 in das Bundesarchiv zu integrieren.

„Das Stasi-Unterlagen-Archiv soll vollständig mit eigenem Namen und mit sichtbarer Eigenständigkeit unter dem Dach des Bundesarchivs weitergeführt werden“, heißt es in dem Bericht, den die Kommission am Dienstag dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) übergab. Dies sei wichtig „zur Wahrung der Symbolkraft, die mit der Öffnung der Akten verbunden war und ist“.

Der Bundestag hatte die 14-köpfige Kommission im Juli 2014 eingesetzt, um Empfehlungen für den künftigen Umgang mit den Stasi-Akten und für die Zukunft der Stasiunterlagenbehörde auszuarbeiten. Noch in dieser Legislaturperiode wollen die Abgeordneten über die Zukunft der Behörde entscheiden. Bereits in der ersten Sitzung der Kommission hatte Lammert daran erinnert, dass die Behörde ihren historischen Ursprung in der Erstürmung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße durch DDR-Bürger im Januar 1990 hatte. Die Mitglieder der Kommission stünden vor einer „ganz besonderen, ganz delikaten Fragestellung“, weil es in der Arbeit der Behörde um die Biografien noch lebender Menschen gehe.

Immer noch mehr als 5000 Anträge auf Akteneinsicht im Monat

Der Bundestag hatte im Beschluss zur Einsetzung der Kommission  die Vorgabe gemacht, der Aktenzugang  für Bürger müsse grundsätzlich erhalten bleiben. „Die Akten sollen weiter zugänglich sein, und zwar in der bisherigen Weise“, betonte der Kommissionsvorsitzende Wolfgang Böhmer, der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, am Dienstag. Das bedeutet, dass auch nach der Integration der Akten in das Bundesarchiv die Einsicht in Dokumente und die Erteilung von Auskünften gemäß dem Stasiunterlagengesetz gelten soll – allerdings nur „bis auf weiteres“. Denn später wird sich nach Meinung der Expertengruppe die Fortgeltung des Gesetzes ohnehin erübrigen, dann würde für die Stasiakten ein überarbeitetes Bundesarchivgesetz gelten.

Die Stasi-Unterlagen sollen nach den Empfehlungen der Kommission an ihrem bisherigen Standort in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg bleiben, die Mitarbeiter sollen vom Bundesarchiv übernommen werden und ihre bisherigen Aufgaben möglichst behalten. Das Interesse an den Stasiunterlagen nimmt zwar seit Jahren ab, ist aber nach wie vor groß: Noch immer stellen jeden Monat mehr als 5000 Menschen einen Antrag auf Akteneinsicht. Zum Vergleich: Das gesamte Bundesarchiv beantwortet mehr als 75.000 Anfragen pro Jahr.

Für die 12 Außenstellen der bisherigen Behörde schlägt die Kommission eine administrative Zusammenlegung unter dem Dach des künftigen Stasiunterlagenarchivs vor. Dabei sollte aber in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen jeweils mindestens eine Außenstelle erhalten bleiben. Der Theologe Richard Schröder, der ebenfalls der Kommission angehört, erinnerte daran, dass nur sieben Prozent der Antragsteller, für die es eine Akte gibt, im Jahr 2014 die persönliche Einsichtnahme wählten, alle anderen erhielten Kopien per Post.  So hätten in der Schweriner Außenstelle in dem gesamten Jahr nur 62 Personen Einsicht in die Akten genommen. Die Experten, darunter mehrere Historiker, empfehlen außerdem, dass eine neu zu gründende „Stiftung Diktatur und Widerstand“ das Gelände in der Normannenstraße verwalten und die Gedenkstätten, darunter auch das ehemalige Stasigefängnis in Hohenschönhausen, übernehmen könne. Unter dem Dach der Stiftung soll außerdem eine „Forschungsstelle DDR-Staatssicherheit“ entstehen.

Aus dem bisherigen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen soll nach dem Willen der Kommission ein „Bundesbeauftragter für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und ihren Folgen“ werden. Der Vertrag des derzeitigen Amtsinhabers Roland Jahn lief bereits im März aus, er wurde nicht verlängert, um der Arbeit der Kommission nicht vorzugreifen. Jahn führt die Geschäfte derzeit kommissarisch. Der neue Beauftragte, der dann nicht mehr die Verantwortung für die Akten hätte, solle vor allem „ein Ombudsmann der Opfer“ sein, betonte Schröder. Das Amt sei vergleichbar mit dem des Wehrbeauftragten. Jahn hat sich auch bisher als Fürsprecher der Stasi-Opfer verstanden. Jahn nannte die Vorschläge der Experten am Dienstag eine "solide Grundlage für die parlamentarische Arbeit" und erklärte, diese müssten nun auf ihre "Praxistauglichkeit" geprüft werden. Zugleich sprach er sich für eine öffentliche Debatte über das Konzept aus und mahnte, dabei seien insbesondere die Opferverbände zu hören.

Kommissionsmitglied warnt vor "Zerschlagung der Behörde"

Das Votum der Kommission war allerdings nicht einstimmig: Thüringens frühere Stasi-Unterlagen-Beauftragte Hildigund Neubert schloss sich den Empfehlungen nicht an und verfasste ein Minderheitenvotum. Sie sieht in den Vorschlägen der Kommission eine „Zerschlagung der Behörde“. Es sei „das falsche Signal, diese Institution der Freiheit zu schleifen“, warnte die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin. „Das Skandalon der totalitären SED-Herrschaft mit ihren noch schmerzenden Nachwirkungen soll in den Abgründen der Geschichte, den Labyrinthen von Archiven versinken.“

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