Mordfall Alexander Litwinenko: Die Spur führt in den Kreml
Was der britische Untersuchungsbericht über den Mord am Ex-Geheimdienstler Alexander Litwinenko und die Rolle von Russlands Präsident Wladimir Putin sagt.
Der grüne Tee war schon fast kalt und außerdem ungezuckert. Alexander Litwinenko trank nur ein paar Schlucke. Doch das reichte für eine lebensgefährliche Vergiftung, denn der Tee enthielt radioaktives Polonium 210. Schauplatz der Tat war die Bar des Millennium-Hotels im schicken Londoner Stadtteil Mayfair. Wenige Wochen nach der Verabredung zum Tee am 1. November 2006 starb der aus Russland stammende Geheimagent qualvoll.
Litwinenko kannte Ex-FSB-Chef Putin persönlich
Eine offizielle britische Untersuchung des Mordfalls kommt nun zu dem Schluss, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Tat wohl abgesegnet habe. „Die FSB-Operation zur Tötung von Herrn Litwinenko wurde wahrscheinlich von Herrn Patruschew und auch von Präsident Putin gebilligt“, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Untersuchungsbericht. Nikolaj Patruschew war der damalige Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB.
Für die Geheimdienstler galt Litwinenko schon lange als Verräter. Schließlich hatte er zunächst dem sowjetischen KGB und dann der Nachfolgeorganisation FSB angehört. Er befasste sich vor allem mit dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen und stieß dabei auf enge Verbindungen zwischen Kriminellen und Geheimdienstlern. Er machte die Missstände öffentlich und wurde entlassen. Wenig später, im Jahr 2000, verließ Litwinenko Russland.
Im Londoner Exil wird Litwinenko, der die britische Staatsbürgerschaft annimmt, zu einem der stärksten Kritiker Putins, den er aus dessen Zeit als FSB-Chef persönlich kannte. Er gehört zum Kreis um den Oligarchen Boris Beresowski, der Putin zuerst förderte und sich dann mit ihm überwarf, und den tschetschenischen Exilpolitiker Achmed Sakajew. Der frühere Geheimdienstler schreibt zwei Bücher, in denen er den FSB für Anschläge auf Wohnhäuser in Russland 1999 verantwortlich macht und ihn der Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen bezichtigt.
Litwinenko brachte Putin-Vertraute mit organisiertem Verbrechen in Verbindung
Doch Litwinenko erhebt auch schwere Vorwürfe gegen einflussreiche Politiker: Im Auftrag einer Sicherheitsfirma beschafft er Informationen über den Putin-Vertrauten Viktor Iwanow und dessen angebliche Verbindungen zum organisierten Verbrechen. Putin soll demnach in seiner Zeit in der Petersburger Stadtverwaltung seine schützende Hand über Iwanow gehalten haben. In London arbeitet der frühere FSB-Mann Litwinenko offenbar auch für den britischen Geheimdienst MI6. Kurz nach der tödlichen Verabredung zum Tee hätte er zudem in Spanien über die Verbindung ranghoher russischer Regierungsvertreter zur Mafia aussagen sollen.
Für den Mord an Litwinenko macht der britische Richter Robert Owen die Russen Andrej Lugowoj und Dmitri Kowtun verantwortlich. Lugowoj war wie Litwinenko erst beim KGB und später bei dessen Nachfolgeorganisation FSB, Kowtun war Offizier in der russischen Armee und arbeitete später zeitweise als Kellner in Hamburg.
Owen ist überzeugt, dass beide zwar wussten, dass sie mit einem gefährlichen, teuren Gift hantierten, ihnen aber nicht klar war, dass es sich um radioaktives Material handelte. In Hamburg und London fanden sich später an Orten, an denen Kowtun gewesen war, radioaktive Spuren. Einem Freund in Hamburg sagte Kowtun, Litwinenko solle vergiftet und nicht erschossen werden, „um ein Exempel zu statuieren“.
Tat "wohl im Auftrag des Geheimdienstes FSB"
Beide Täter hätten wohl im Auftrag des FSB gehandelt, heißt es in dem Bericht. Vor Gericht sagten Zeugen aus, dass es beim russischen Geheimdienst üblich sei, sich Rückendeckung von ganz oben zu holen. Ein anderer Zeuge betont, dass selbst der FSB sich nicht ohne Autorisierung aus dem Kreml das Polonium beschafft haben könnte.
Litwinenko selbst sagte wenige Tage vor seinem Tod in einer Befragung, er kenne das System und wisse, dass der „Auftrag zu einem solchen Mord an dem Bürger eines anderen Landes, besonders wenn es um Großbritannien geht, nur von einer einzigen Person erteilt worden sein konnte“. Auf die Frage des britischen Kriminalbeamten, wer das denn sei, antwortet Litwinenko: „Diese Person ist der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin.“