zum Hauptinhalt
Es geht um die Zukunft des Checkpoint Charlie - des ehemaligen Grenzübergangs an der Friedrichstraße.
© Doris Spiekermann-Klaas

Gedenkstätte in Berlin: Die Spur der Scheine am Checkpoint Charlie

Eine der geschichtsträchtigsten Flächen Berlins wird an einen dubiosen Investor gegeben. Der Bürgermeister wirkt, als interessiere ihn das nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Am Checkpoint Charlie hat sich Weltgeschichte ereignet. Hier standen sich russische und amerikanische Panzer gegenüber, nur einen Schuss vom Krieg entfernt. Der Ort ist Symbol für den Kampf der Systeme, Diktatur oder Demokratie. Hier wurden Agenten geschleust, hier spielt die Eröffnungsszene des Films „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Hier durchbrachen Menschen auf der Flucht Barrikaden, andere versteckten sich im Kofferraum eines Diplomatenwagens. Hier verbluteten Menschen, erschossen von Grenzern der DDR.

Heute lässt der Senat den Checkpoint Charlie als einen der wichtigsten Orte vermarkten, er ist Anziehungspunkt für Millionen Touristen, die dem Hauch der Geschichte nachspüren wollen. Tatsächlich aber wurde aus der berühmten Kreuzung an der Friedrichstraße ein billiger Rummelplatz, wild zugeparkt von Reisebussen, besetzt von Hütchenspielbetrügern, Kramhändlern und Historiendarstellern, eingerahmt von Büdchen und Brachflächen.

Das Museum liegt zu zwei Dritteln im Keller

Zwischen Weltpolitik und Würstchenbude oszilliert am Checkpoint Charlie auch die Berliner Politik. Jahrelang sahen Bezirke und Senat dem unwürdigen Treiben nur zu. Dann schloss die Finanzverwaltung nach Verhandlungen mit einem Investor über die Verwertung der letzten freien Grundstücke eine geheim gehaltene Absichtserklärung, im nächsten Jahr soll ein dazu passender Bebauungsplan nachgeliefert werden. Vorgesehen ist unter anderem ein „Hard Rock“-Hotel sowie ein Museum, das zu zwei Dritteln im Keller liegt und vom Land Berlin gemietet werden soll.

Wer hier baut, schreibt Berlins Geschichte fort

Doch ob der Vertrag zustande kommt, ist fraglich. In der Koalition gibt es erhebliche Widerstände, teils wegen des Konzepts, teils wegen des Investors. Der ist zwar mit seinen verschachtelten Firmenkonstruktionen bereits an mehreren Orten der Stadt präsent. Aber der Checkpoint Charlie ist eben nicht irgendein Ort. Wer hier baut, schreibt die Geschichte Berlins mit fort. Die Stadtgesellschaft hat deshalb einen Anspruch auf größtmögliche Transparenz und Mitsprache. Doch ausgerechnet hier ist das Gegenteil der Fall. Ein Deal, der im Geheimen angebahnt wird; ein Plan, der innerhalb der Regierung umstritten ist; ein Geschäft, das nachteilig für Berlin sein kann; ein Investor, von dem direkte Linien zu einem Despoten führen: Da sind Fragen nicht nur legitim, sondern Antworten zwingend notwendig.

Michael Müller tut so, als sei es ihm egal

Doch die will niemand geben, auch nicht der Regierende Bürgermeister. Michael Müller lässt auf die Fachaufsicht anderer Ressorts verweisen, als sei auch er nur eine Art Sachbearbeiter in dieser Stadt, als sei der Checkpoint Charlie auch nur irgendein Ort. Als sei es ihm egal. Sollen sich andere kümmern. Einmal nur hat Müller sich offen geäußert, zugunsten der Pläne des Investors, damit die „unwürdige Situation“ am Ort beendet wird. Aber dafür brauchte es gar keinen Investor. Dafür reichte ein zwischen den Bezirken und dem Senat abgestimmtes und entschlossenes Vorgehen.

Wem gehört Berlin? Es muss eine Antwort geben auf diese Frage, besonders hier, am Checkpoint Charlie. Die Leute haben ein Recht darauf zu erfahren, wer diesen weltberühmten Ort in Besitz nimmt, woher das Geld dazu stammt - und ob es sauber ist oder blutig. Das sollte auch den Regierenden Bürgermeister Berlins interessieren. Selbst wenn er, rein formal, gar nicht zuständig ist.

Zur Startseite