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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).
© dpa

Nach Steinmeier-Kritik an Nato: Die SPD und ihre riskanten Manöver

Bei der SPD-Spitze ist ein schleichender Wandel der Rhetorik gegenüber der Nato und Russland zu erkennen. Ist das Absicht? Oder Unsicherheit? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Ist die SPD-Spitze dabei, den Kopf zu verlieren? So wie Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier über Russland, die Nato und Handel mit den USA reden, dürfen sie sich über Spekulationen nicht wundern. Betreiben sie einen Links-Schwenk, um eine Machtoption zu öffnen?

Das wäre ein riskantes Manöver. Die Chancen auf Rot-Rot-Grün werden nicht besser, wenn die SPD sich an die Linke ranschmeißt, weil sie zugleich an Glaubwürdigkeit bei den Grünen verliert, ganz voran bei deren Menschenrechtsflügel. Das zeigt die empörte Reaktion von Rebecca Harms, der grünen Fraktionschefin im Europaparlament, auf Steinmeiers Warnung, der Westen dürfe die Lage nicht durch „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ weiter anheizen.

Nun ist nicht alles, was wie ein konzertierter Vorstoß wirkt, abgesprochen, zumal zwischen Gabriel und Steinmeier. Nur weil Gabriel für ein Mitte-links-Bündnis wirbt, müssen Steinmeiers harte Worte über Nato-Vertreter nicht dieselbe Absicht verfolgen. Warum sollte Steinmeier Rot-Rot-Grün wollen? Es klingt glaubhaft, dass er mit den Zitaten für die „BamS“ keine innenpolitischen Absichten verfolgte, sondern sich ernste Sorgen um das Verhältnis zu Russland macht.

Aber er muss wissen, wie das ankommt: Putin hat die Ukraine angegriffen. Er lässt sein Militär Scheinangriffe auf Nato-Staaten üben. Wenn aber die Nato verständlicherweise die Verteidigung ihrer östlichen Mitglieder trainiert, klagt der deutsche Minister nicht über „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ des Aggressors, also Russlands, sondern der Verteidiger.

Mit Pro-Russland und Anti-Nato kann die SPD nichts gewinnen

Seit Monaten meinen Partner im Ausland einen schleichenden Wandel der Rhetorik bei Sozialdemokraten wahrzunehmen. Gabriel trat früher unerschrocken für das atlantische Handelsabkommen TTIP ein und legte sich offen mit den Gegnern an. Heute nicht mehr. Wenn Gabriel und Steinmeier früher über die Russland-Sanktionen sprachen, war die Hierarchie klar. Zuerst kam die Bedingung: Russland muss seinen Teil des Abkommens von Minsk erfüllen. Dann könne man über eine Linderung nachdenken. Heute reden sie umgekehrt: für die Lockerung. Die Bedingung folgt als leiser Nachklapp.

Und nun Steinmeiers missverständliche Äußerungen zur Nato – in den Tagen, in denen Polen und Deutschland auf 25 Jahre gute Nachbarschaft zurückblicken. In denen die Balten auf eindeutige Solidaritätszusagen beim Nato-Gipfel hoffen. Und Osteuropäer vor neuer russischer Truppenkonzentration an der Grenze zur Ukraine warnen. Steinmeier hat oft Anlass, über fehlende Sensibilität seines polnischen Kollegen zu klagen. Hier war er der Unsensible.

Merken Gabriel und Steinmeier überhaupt, dass manche Partner rätseln? Ist die neue Rhetorik Absicht oder Ausdruck der Unsicherheit, die wohl jede Volkspartei befällt, die unter 20 Prozent zu stürzen droht? Bei TTIP könnte man ein Kalkül verstehen, da sind viele Deutsche skeptisch. Doch mit Pro-Russland und Anti-Nato kann die SPD nichts gewinnen, da würde sie nicht nur der Linken, sondern auch der AfD ähnlicher. Sie würde sich der Mitte entfremden. Laut Umfragen sehen 80 Prozent der Deutschen in Russland keinen Partner mehr. Eine Mehrheit will mehr für Verteidigung ausgeben. Bisher galt die Unberechenbarkeit der Linken als Haupthindernis für Rot-Rot-Grün. Eine irrlichternde SPD hilft da nicht weiter.

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