Nach Steinmeiers Nato-Kritik: "Es ist richtig und wichtig, dass die Nato übt"
Nach der Kritik von Außenminister Frank-Walter Steinmeier an der Nato ist die Bundesregierung um Schadensbegrenzung bemüht. Was bedeuten die Äußerungen des Ministers?
Frank-Walter Steinmeiers Äußerung machte international Schlagzeilen: Schließlich hatte der deutsche Außenminister am Wochenende die Nato kritisiert und davor gewarnt, die angespannte Lage im Verhältnis zu Russland „durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt.“ Wenige Wochen vor dem Nato-Gipfel in Warschau löste dies bei den Bündnispartnern Irritationen aus. In Moskau gab es dagegen Beifall: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Alexej Puschkow, lobte Steinmeier als „Stimme der Vernunft“.
Am Montag legte der Minister mit seiner Kritik an der Nato noch einmal nach und warf dem Bündnis vor, zu wenig auf Dialog mit Russland zu setzen. „Abschreckung wird am Ende nicht ausreichen.“
Wie wurde Steinmeiers Äußerung in Deutschland aufgenommen?
Beim Koalitionspartner stießen Steinmeiers Äußerungen auf massive Kritik. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sprach angesichts der vom Außenminister verwendeten Begriffe „Säbelrasseln“ und „Kriegsgeheul“ von „ungeheuerlichen Vorwürfen“. Röttgen vermutete, dass Steinmeier sich damit in der eigenen Partei profilieren wolle. Mit Blick auf Russland sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt: „Deutschland und der Außenminister sollten keinen Zweifel daran aufkommen lassen, wer Urheber der gegenwärtigen Spannungen ist – mit Sicherheit nicht ,Säbelrasseln‘ aufseiten der Nato.“
Beifall bekam Steinmeier gleich zweifach von ungewohnter Seite. „Das ist seit Langem eine Botschaft aus dem Außenministerium, der ich zustimmen kann“, erklärte der stellvertretende Linken-Fraktionschef Wolfgang Gehrcke. Auch der AfD-Politiker Alexander Gauland lobte Steinmeiers Äußerung und kritisierte eine Politik der Abschreckung gegenüber Russland. Man solle „gerade jetzt auf Kooperation und Dialog mit Russland auf Augenhöhe setzen“, forderte der stellvertretende AfD-Vorsitzende.
Wie reagiert die Bundesregierung?
Als Kritik an den Nato-Manövern in Osteuropa wollte das Auswärtige Amt Steinmeiers Aussagen im Nachhinein nicht verstanden wissen. Zur Schadensbegrenzung veröffentlichte das Ministerium am Wochenende ein längeres Statement Steinmeiers, aus dem die zitierten Sätze stammen. So betont der Minister, Russland habe mit der Krim-Annexion und den militärischen Aktivitäten in der Ostukraine „bei unseren östlichen Nachbarn ein Gefühl der Bedrohung entstehen lassen“.
Ob er dieses Gefühl für berechtigt hält, sagte der Minister nicht. Es sei richtig gewesen, darauf eine gemeinsame Reaktion der Nato zu finden, betonte Steinmeier und verwies auf den Nato-Gipfel in Wales. Steinmeiers Sprecher sagte, der Minister habe nicht die in Wales beschlossenen Maßnahmen gemeint, zu denen auch Manöver gehören – und ebenso wenig die auf dem Nato-Gipfel in Warschau erwarteten Beschlüsse.
Bei dem Treffen am 8. und 9. Juli soll die Stationierung von vier Nato-Bataillonen in Osteuropa beschlossen werden. Es wird erwartet, dass Deutschland die Führung eines Bataillons in Litauen übernimmt.
Auch der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel war am Montag sichtlich bemüht, den Eindruck zu vermeiden, Deutschland distanziere sich von den Nato-Manövern: „Es ist gut, richtig und wichtig, dass die Nato übt“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Bundeswehr beteiligt sich in diesem Jahr mit 5500 Soldaten an Nato-Übungen sowie an nationalen Manövern wie „Anakonda“ in Polen. Letzteres wurde mit ausdrücklicher Zustimmung des Auswärtigen Amtes vorbereitet.
Doch worauf zielt dann Steinmeiers Kritik? Der Sprecher des Ministers verweist darauf, Vertreter der Nato in baltischen Staaten hätten gesagt, man solle einen „totalen Krieg gegen Russland“ vorbereiten. Das sei durchaus „Kriegsgeheul“. Und der Minister habe ein Problem damit, dass Manöver „propagandistisch“ ausgenutzt würden.
Auf die Frage, was mit „symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze“ gemeint gewesen sei, wenn nicht die Manöver, verweist Steinmeiers Sprecher auf Fotos, die man im Internet finden könne, etwa Bilder von Soldaten mit „südamerikanischen Würgeschlangen“ und von „symbolischen Panzerparaden“. Eine Bildersuche fördert tatsächlich ein Foto zutage, das zwei US-Soldaten in Polen mit einer Anakonda zeigt – allerdings handelt es sich um ein Stofftier.
Wie passt Steinmeiers Äußerung in seine Russlandpolitik?
Der SPD-Politiker hat sich bereits im Frühjahr innerhalb der Nato dafür starkgemacht, dass das Militärbündnis den Dialog im Nato-Russland-Rat wieder aufnimmt, und sich damit auch gegen Widerstände aus osteuropäischen Staaten durchgesetzt. Zuletzt rückte er mit der Forderung nach einem schrittweisen Abbau der EU-Sanktionen, die wegen der russischen Intervention in der Ukraine gegen Russland verhängt worden waren, von der Linie des Bundeskanzleramts ab.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte eine Aufhebung der Sanktionen bisher stets von einer vollständigen Umsetzung des Minsker Friedensplans für die Ostukraine abhängig gemacht. An diesem Dienstag beraten die EU-Botschafter über die Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Sollten sie sich auf eine Verlängerung einigen, könnte diese bereits am Freitag beschlossen werden.