Wahlkampf: Die SPD streitet sich wegen Gerhard Schröder
Darf der Altkanzler als Aufsichtsrat beim russischen Ölkonzern Rosneft anheuern? Die SPD und Martin Schulz tun sich schwer mit einer Antwort.
Das Engagement von Altkanzler Gerhard Schröder beim russischen Ölkonzern Rosneft wird für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz zunehmend zur Belastung im Bundestagswahlkampf. Während die Union ihre Angriffe auf den früheren Regierungschef verschärft, streiten namhafte Sozialdemokraten offen über Schröders Entschluss, im September für einen mit rund 300 000 Euro dotierten Aufsichtsratsposten bei Rosneft zu kandidieren. Das halbstaatliche Unternehmen gilt als Machtinstrument des russischen Präsidenten Wladimir Putin und steht nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim auf der Sanktionsliste der EU.
Sie könne Schröders Entscheidung „überhaupt nicht verstehen“, sagte die frühere Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan dem „Spiegel“. „Ich hätte mir sehr gewünscht, dass er diese Aufgabe nicht macht.“ Das Rosneft-Engagement biete „viele Angriffsflächen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ukrainekrise“. Die SPD-Außenexpertin Dagmar Freitag monierte, für einen belastbaren Draht zu Putin müsse man keinen Job in einem der wichtigsten russischen Staatskonzerne annehmen. Der frühere Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), sprach in der „Welt“ von einem „Akt gegen Solidarität in der EU, die Sanktionen gegen Rosneft verhängt hat“.
Stephan Weil wirbt um Verständnis für Schröder
Um Verständnis für Schröder warben hingegen Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der Vorsitzende der NRW-SPD, Michael Groschek. „Man muss nicht alles gut finden, was der Privatmann Schröder macht, aber er ist einer der wichtigsten Brückenbauer zwischen den Aufgeregtheiten in Deutschland und der russischen Politik“, sagte Groschek. Weil erklärte, ein Engagement Schröders bei Rosneft bleibe dessen Privatangelegenheit. „Sie verletzt keine Interessen der Bundesrepublik. Das Unternehmen liefert übrigens gegenwärtig wohl etwa 25 Prozent der gesamten deutschen Rohöleinkäufe.“
Die fortgesetzte Debatte um den Altkanzler droht nicht nur den Gerechtigkeitswahlkampf der SPD zu überlagern, sie bringt auch Kanzlerkandidat Schulz in die Defensive. Der SPD-Chef hatte Schröders Engagement zunächst zur „Privatsache“ erklärt, zugleich aber versichert, er selbst hätte ein solches Angebot nicht angenommen. Kurz darauf musste Schulz wegen des wachsenden Drucks nachbessern. Ein Bundeskanzler außer Dienst sei „immer nur bedingt Privatmann“, gab er bei Phoenix zu Protokoll. Aus SPD-Kreisen verlautete überdies, Schulz habe sich in einem Telefonat mit Schröder über dessen Entscheidung beschwert und sie als hinderlich für den SPD-Wahlkampf kritisiert. Nun zeigt sich, dass dieser Art der Distanzierung nicht alle in der SPD folgen wollen.
Schröder selbst denkt gar nicht daran, zugunsten von Schulz auf den Posten bei Rosneft zu verzichten. Über die Schweizer Zeitung „Blick“ kündigte er seine Kandidatur für den Aufsichtsrat des russischen Öl-Riesen Ende September an. Er werde sich „zur Wahl stellen, trotz aller Kritik, die ich für falsch halte“. Auch glaube er nicht, „dass ich mit dem Mandat meiner Partei schade“. Zu den Bedenken von Schulz erklärte Schröder: „Jeder muss selber wissen, was er sagt. Ich werde Martin Schulz’ Wahlkampf trotzdem unterstützen, wenn er das will.“ Die Deutschen hätten großes Interesse an vernünftigen Beziehungen zu Russland. Er glaube auch, „dass es den Rosneft-Arbeitnehmern in Deutschland und den Gewerkschaften nicht unwohl ist, wenn ein Deutscher an wichtiger Stelle mit dabei ist“.
SPD-Wahlkampf mit Schröder? Gemeinsame Auftritte des früheren Kanzlers mit dem heutigen Kanzlerkandidaten sind nach SPD-Angaben nicht geplant. Allerdings wird Schröder Ende August im Wahlkreis des niedersächsischen SPDAbgeordneten Lars Klingbeil erwartet – öffentliches Interesse garantiert.