Die Morgenlage aus der Hauptstadt: Die SPD setzt auf das Prinzip ,die Hoffnung stirbt zuletzt’
Merkel und die Wirtschaft fremdeln, in Bremen beraten die Grünen über Jamaika. Unser Nachrichtenüberblick am Morgen.
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Worüber redet Berlin? Zwei Zahlen machen die Runde: 3 und 5. Die CDU hatte drei Bewerber um die Nachfolge von Angela Merkel an der Spitze der CDU. Bei der SPD gab es dagegen bisher nur 5 (mehr oder weniger klare) Absagen für den Parteivorsitz. Entsprechend spekulativ war die Stimmung bei der 58. Spargelfahrt des Seeheimer Kreises auf dem Wannsee. 600 Genossen, Lobbyisten und Journalisten mehrere Stunden eingepfercht auf einem Schiff, der Terminkalender passte zur SPD-Dramatik. Die Partei wirkt ja fast wie die Titanic. So wie auch die große Koalition, bei beiden ist noch unklar, wer der Eisberg sein wird.
Der kommissarische Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, kritisiert scharf, dass Andrea Nahles nach dem Doppel-Rücktritt zu Hause in der Eifel von Medienleuten belagert würde. Olaf Scholz ruft zum „Unterhaken“ auf, Manuela Schwesig rechnet mit „Sonne nach dem Regen“. Potentielle Kandidaten erklären sich auch auf der MS Havel Queen nicht – aber es zeichnet sich ab: Es wird lange dauern. Zunächst sollen die Mitglieder zur neuen Parteiführung befragt werden, erst im November oder Dezember könnte es einen notwendigen Parteitag geben. Noch eine Zahl: Die Unionsspitze hat nun vier (!) SPD-Ansprechpartner an der Spitze von Partei und Fraktion.
Wer ist gestorben? Zumindest symbolisch der Klimaschutz. Bei einem „Die Inn“ stellten sich rund 20 Jugendliche vor den Augen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) tot auf lagen reglos auf dem Boden des Deutschen Bundestags. Auf einem Transparent stand: „Eure Klimapolitik = Katastrophe“. Mit der Aktion im Rahmen der Veranstaltung „Jugend und Parlament sollte Druck auf die Bundesregierung gemacht werden. „Wir sehen nicht, dass diese Koalition die schwerste Krise der Menschheit ernst nimmt“, sagte ein Aktivist. Das Netzwerk Fridays for Future unterstützte den Protest.
Schäuble reagierte auf seine Art. Er hatte am Dienstag auch einen Auftritt beim Wirtschaftsrat, wo er die Ludwig-Erhard-Medaille erhielt. Sein bissiger Kommentar zu dem freitäglichen Klimaprotesten während der Schulzeit, die nun auch an anderen Tagen eine Rolle spielen: „Lass sie doch mal alle Freitag demonstrieren – wen das zur Dauereinrichtung wird, machen wir halt dem Samstag wieder schulpflichtig“.
Wer hat ein Problem? Wirtschaft und Kanzlerin, zumindest miteinander – die Beziehung ist merklich abgekühlt. Es war sehr ungewöhnlich, wie es da beim Tag der deutschen Industrie auf offener Bühne zum Disput kam, zumal das Schreckgespenst der Industrie eine Regierung mit Beteiligung der Grünen ist. BDI-Präsident Dieter Kempf monierte beim Tag der Industrie das mutlose Abarbeiten kleinteiliger Sozialpolitik und die ganze Umverteilung. „Die Regierung hat einen großen Teil des in sie gesetzten Vertrauens verspielt“.
Merkel keilte zurück, sie wolle nicht sagen, „wie viele Stunden ich in den vergangenen Monaten mit den Regelverletzungen der Autoindustrie verbracht habe.“ Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sekundierte: „Die Grundlage des Kaufmanns ist das Nörgeln.“ Das Band zwischen Wirtschaft und Regierung war schon enger.
Was bringt der Tag? Die Berliner Turbulenzen haben etwas in den Hintergrund gedrängt, dass die SPD ja in Bremen noch irgendwie versucht, die einstige rote Hochburg, die man erstmals an die CDU verloren hat, zu retten. Das hängt aber an den Grünen. Deren Landesvorstand berät am Mittwoch über einen Vorschlag für die Basis – möglich ist die Verhandlung über eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP und über ein rot-grün-rotes Bündnis mit SPD und Linkspartei.
Zudem wird in Berlin der Deutsche Schulpreis verliehen und in Lübeck-Travemünde beginnt die Justizministerkonferenz von Bund und Ländern. Im SPD-Drama ist ja etwas untergegangen, dass die Partei noch keine Nachfolgerin für Bundesjustizministerin Katarina Barley benannt hat, die nach Brüssel in das Europaparlament wechselt. Andrea Nahles hatte einen Nachfolgeplan im Kopf, wie sie vor der Europawahl sagte, – aber mit ihrem Komplett-Rücktritt ist der erstmal obsolet.
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