Martin Schulz und die Umfragen: Die SPD hofft auf den Schulz-Effekt
In Umfragen wird die Kandidatur von Martin Schulz positiv aufgenommen. Die SPD profitiert deutlich. Doch halten die guten Startwerte bis zur Wahl?
Ist der neue Kanzlerkandidat der SPD nun Genosse Trend, der den nachhaltigen Aufschwung seiner Partei bis zur Bundestagswahl am 24. September garantiert? Schafft es Martin Schulz wirklich, sein am Sonntag formuliertes Ziel zu verwirklichen: Mit der SPD die Wahlen zu gewinnen, sie zur stärksten Partei zu machen? Zwar hat die Benennung des EU-Spitzenpolitikers als Kanzlerkandidat der Partei sofort einen Schub in den Umfragen gegeben: Im ZDF-Politbarometer hüpfte sie in der Projektion, also der gewichteten Sonntagsfrage, um drei Prozentpunkte nach oben, von 21 auf 24 Prozent. Im ungewichteten Ergebnis, also allein nach den Rohdaten, waren es sogar acht Prozentpunkte. Diese Rohdaten werden anhand langfristiger Erkenntnisse zur Stabilität des Wählerverhaltens gewichtet, die errechnete Projektion ergibt daher stets geringere Ausschläge. Aktuelle Ereignisse, die viele Menschen bewegen oder überraschen – und dazu gehört natürlich die nur von wenigen erwartete Nominierung von Schulz – schlagen in Umfragen schnell durch. Diese Stimmungswerte sind nach aller Erfahrung aber nicht immer wirklich nachhaltig. Und noch ist die SPD weit von der Union entfernt, die bei 36 Prozent liegt – unverändert und damit zunächst unerschüttert durch die Entscheidung der SPD.
Ein Viertel noch ohne Urteil
Ob Schulz tatsächlich eine Wende gelingt, ob mit ihm für die SPD der Trend nach oben wirklich kommen wird, lässt sich vorerst nicht seriös sagen. Matthias Jung von der Forschungsgruppe sagte dem Tagesspiegel: „Das Hochschnellen von Martin Schulz und der SPD ist natürlich erst einmal ein Kurzfristeffekt. Mehr als ein Viertel der Befragten sieht sich noch gar nicht in der Lage, den Kanzlerkandidaten zu beurteilen.“ Zu den guten Startwerten trägt nach Jungs Auffassung auch der große Überraschungseffekt bei, „zumal die Werte von Sigmar Gabriel und damit auch der SPD auf einem Tiefpunkt waren“. Das positive Ansehen von Schulz sei noch nicht gefestigt. „Man muss abwarten, wie er sich in der politischen Landschaft in Deutschland durchsetzt.“ Im Rückblick auf frühere Wahlen sagt der Wahlforscher: „Ein guter Start ist nicht alles. Das hat man bei Rudolf Scharping 1994 gesehen, der ebenfalls mit viel Vorschusslorbeer ins Rennen ging. Im Lauf des Wahlkampfes aber sank die Zustimmung immer weiter.“
Recht nahe an Merkel
Der frühere EU-Parlamentspräsident ist in der Beurteilungsskala des Politbarometers mit einem Wert von 2,0 noch vor die Bundeskanzlerin gesprungen – Angela Merkel kommt auf 1,8 –, liegt aber hinter Frank-Walter Steinmeier, dem Liebling der Deutschen, der auf 2,4 kommt. Allerdings liegt Schulz bei den Anhängern der SPD mit 3,1 ein Quäntchen vor Steinmeier (3,0) – und klar vor Gabriel (1,8). Er hat also durchaus das Potenzial, die sozialdemokratische Wählerschaft zu mobilisieren. Merkel kommt bei den Unions-Anhängern (also inklusive CSU) auf 3,6. Auf die Frage, wen sie gern an der Spitze der nächsten Bundesregierung sähen, sprachen sich 44 Prozent der Befragten für Merkel aus, 40 Prozent dagegen für Schulz. Zum Vergleich: Im September 2008 lag Merkel mit 51 Prozent deutlich vor dem frisch gekürten SPD-Kandidaten Steinmeier (36 Prozent). 2012 kam Peer Steinbrück kurz nach der Nominierung auf einen Zustimmungswert von 40 Prozent, Merkel lag bei 49 Prozent. Viele Befragte konnten damals keine großen Unterschiede zwischen dem SPD-Mann und der Kanzlerin ausmachen. Das sprach am Ende offenbar eher für Merkel. Schulz wird daher stärker auf Konfrontation setzen müssen.