Innenministerium entkräftet Merz-Argumente: Die Sorge der CDU vor Ukraine-Flüchtlingen ist unberechtigt
In der CDU wächst die Sorge vor einem Sicherheitsrisiko bei nicht registrierten Flüchtlingen. Doch Anlass für Horrorszenarien gibt es offenkundig nicht.
Friedrich Merz schildert ein Szenario, das schlimme Erinnerungen weckt. Unter den Flüchtlingen aus der Ukraine befinde sich mittlerweile „eine größere Zahl von Flüchtlingen, die gar nicht aus der Ukraine kommen, sondern sich über diesen Weg jetzt auch auf nach Deutschland gemacht haben“, sagte der CDU-Vorsitzende am Dienstag.
Das geschehe „nach unseren Einsichten und Erkenntnissen“, eine Quelle nannte Merz nicht. Dennoch forderte er Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) „jetzt wirklich auf, sich um dieses Problem zu kümmern“. Die Ministerin müsse dafür sorgen, dass die Flüchtlinge registriert werden, wie das auch an der polnisch-ukrainischen Grenze erfolge.
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Merz insinuiert, dass Leute nach Deutschland kommen, die problematisch sein könnten. Das erinnert an das Drama von 2015, als die Terrormiliz IS den Flüchtlingszustrom über die Balkanroute nutzte, um Attentäter einzuschleusen, die sich dann am 13. November an dem schweren Angriff in Paris beteiligten.
Mit einer Serie von Attacken tötete die IS-Kommandos in der Stadt 130 Menschen, mehr als 680 wurden verletzt. Kann das nun wieder passieren?
"Russenmafia schon seit Jahren in Berlin"
Das wäre ein Horrorszenario, sagt Torsten Akmann (SPD), Innenstaatssekretär im Berliner Senat. Doch Akmann betont, in der aktuellen Lage gebe keine Erkenntnisse, dass sich Mitglieder von Terrorgruppen oder Saboteure in den Strom der Flüchtlinge aus der Ukraine mischen.
Bei Experten aus mehreren Behörden ist auch zu hören, dass Risiko sei gering, Putin würde Saboteure schicken, die als vermeintliche Flüchtlinge nach Polen und Deutschland kämen.
Ein Experte bemerkt sarkastisch, die Russenmafia sei schon seit Jahren in Berlin. Da könnte sich das Putin-Regime angesichts der Verbindungen zwischen organisierter Kriminalität und Nachrichtendiensten in Russland bedienen, wenn ein Angriff in der Bundesrepublik geplant werden sollte.
Innenministerin Faeser hat am Mittwoch im Bundestag betont, „wir schauen jetzt genau hin, wer nach Deutschland kommt“. Die Bundespolizei habe die Kontrollen an den Grenzen, in Zügen und an Bahnhöfen „stark intensiviert". Auch die Polizeien der Länder hätten das Geschehen im Blick.
Am Donnerstag teilte das Ministerium auf Anfrage des Tagesspiegels mit, die Bundespolizei habe die Schleierfahndung an den Grenzen zu Polen, Tschechien und Österreich „deutlich intensiviert“.
Bislang lägen „lediglich vereinzelt Erkenntnisse zu sicherheitsrelevanten Personen vor“, zum Beispiel solchen mit Wiedereinreisesperren. Dabei handelt es sich um meist Personen, die aus Deutschland abgeschoben wurden.
Visafreiheit für 90 Tage
Faeser äußerte sich am Mittwoch auch zum Thema Registrierung von Flüchtlingen. Für Ukrainerinnen und Ukrainer mit biometrischem Pass gelte Visafreiheit für 90 Tage. Das sei geltendes Recht und ermögliche, dass viele Flüchtlinge in andere europäischen Staaten weiterreisen können.
„Trotzdem haben wir sehr schnell entschieden, auch diese Menschen bei der Erstaufnahme zu registrieren – und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt“, sagte Faeser. Die Registrierung erfolge spätestens, „wenn Menschen Unterstützungsleistung brauchen“.
Aktuell sind von den 187.428 Personen aus der Ukraine, die bisher nach Deutschland eingereist sind, ungefähr 176.000 ukrainische Staatsangehörige. Insgesamt 153.000 waren visumbefreit, weil sie einen biometrischem Reisepass haben.