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Selbstironisches Zitat. Merkel stellt sich neben Seehofer wie damals, als er sie vorführte. Beide nahmen es mit Humor.
© AFP

CSU-Parteitag in Nürnberg: Die selbstironische Geste der Angela Merkel

Merkel hatte die CSU gemieden, seit sie dort auf offener Bühne vorgeführt wurde. Jetzt persiflierte sie die Szene noch einmal, der Parteitag applaudiert ihr.

Ganz allein sitzen sie in der ersten Reihe, aber Schulter an Schulter, die Köpfe im Gespräch leicht einander zugeneigt. Markus Söder hat streng genommen nichts zu suchen da vorne, weil das Parteitagsprotokoll neben den Parteivorsitzenden seine Stellvertreter platziert. Aber der Generalsekretär Andreas Scheuer wird gleich die neue Grundrechenart der CSU erläutern – „Geschlossenheit plus Entschlossenheit gleich Erfolg“ –-, und das soll ja dann auch sinnfällig für die vielen Fotografen illustriert werden.

Lange ist es nicht her, dass Horst Seehofer und Markus Söder derart trauliche Bilder mit allen Mitteln vermieden hätten. Aber seit der Alte vor dem Jüngeren kapituliert hat, muss gelächelt werden. Der eine hat Grund dazu und der andere keine Wahl. Ohnehin ist viel von vorweihnachtlichem Frieden die Rede bei dem Treffen der Christsozialen. Er erstreckt sich sogar über die bayerischen Landesgrenzen hinaus, und er nimmt Formen an, die eigentlich sogar den Satzungsspezialisten der Antragskommission zu weit gehen.

Der Parteitag stimmt nämlich für den Antrag M8, und das, obwohl die Tagungsleitung zwei Mal auszählen lässt, was normalerweise ein klare Signal an die Delegierten aussendet, jetzt gefälligst so zu votieren wie es die da oben wollen. Tun sie aber nicht. Und so beschließt der Parteitag:

Mitglieder der großen Schwester CDU dürfen künftig gleichzeitig auch Mitglieder der CSU sein.

CSU-Mitglieder dürfen das umgekehrt übrigens schon lange. Man kann also wortwörtlich von einem „Wiedervereinigungsparteitag“ sprechen, wie es morgens etwas spöttisch einer aus der CSU-Führung formuliert hatte. Der Mann meinte freilich etwas anderes: den Auftritt der CDU-Vorsitzenden.

Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg.
Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg.
© dpa

Angela Merkel war nicht mehr bei der CSU, seit Seehofer sie im Flüchtlingsstreit auf offener Parteitagsbühne gemaßregelt hatte. Die 13 hochnotpeinlichen Minuten dürften ihr Teil zur Wahlschlappe der Union beigetragen haben, weil sie jedem vor Augen führten, wie heillos zerstritten die beiden Führungsfiguren von CDU und CSU waren. Man ging sich danach auf den Parteitagen wechselseitig aus dem Weg, sicherheitshalber.

Am späten Freitag Nachmittag aber kündigt CSU-Vize Angelika Niebler die Wiederaufnahme der Tradition an. Merkel zieht zur üblichen donnernden Musik in den Saal ein. Der Beifall fällt verhalten freundlich aus, ein paar Pfiffe aus dem Plenum könnten nett gemeint sein oder auch nicht.

Die Kanzlerin klettert auf die Bühne und lächelt die „lieben Freundinnen und Freunde von der CSU“ gewinnend an: „Ob Sie's glauben oder nicht, ich freu' mich richtig, wieder auf einem CSU-Parteitag zu sein!“

Die letzten zwei Jahre seien keine einfachen gewesen für CDU und CSU, räumt Merkel ein. „Natürlich hat sich das dann auch auf die Bundestagswahl ausgewirkt.“ Aber, sagt Merkel, man hat sich zusammengerauft, und darauf komme es ja am Ende an: „Stark sind CDU und CSU immer, wenn sie einig sind.“ Der Beifall bleibt verhalten. Erst als die CDU-Chefin später über den Ärztemangel auf dem Land redet und andere lebensnahe Fragen, die die nächste Regierung angehen müsse, rauscht so plötzlich starkes Klatschen auf, dass Merkel verblüfft nachfragt, ob vielleicht jemand per Twitter Applaus befohlen habe, eventuell?

Geschichte einer Wiederannäherung

Am Ende wendet sie sich direkt an Seehofer. „Wir sind nicht dafür bekannt, dass wir's uns in unserem Leben immer einfach gemacht haben miteinander“, sagt Merkel. Aber die Schwächephase liege jetzt hinter der Union, „die Bereicherungsphase liegt vor uns“.

Womit also auch hier der Friede wieder hergestellt wäre. Aber irgendwie müssen sie das Gefühl gehabt haben, dass noch etwas aus der Welt geschafft werden muss. Seehofer kommt auf die Bühne und stellt sich ans Rednerpult. Merkel tritt einen Schritt vor und stellt sich schräg neben das kleinere Pult, auf dem das Wasserglas für den Redner Platz findet.

Sie formt die Raute. Und in dem Moment merken es alle: Die Szene ist ein Zitat. So, genau so hat Merkel an dem furchtbaren Tag vor zwei Jahren neben ihm gestanden! Seehofer winkt sie ein Stück zurück, damit sie wirklich da zu stehen kommt, wo sie damals stand. Und jetzt nimmt sie auch noch die Arme hoch und kreuzt sie vor der Brust, genau wie damals – nur dass sie diesmal feixt. „Liebe Angela“, sagt er, „auch wenn Du es mir nicht glaubst, ich freu' mich dass du da bist!“

Nach der selbstironischen Pantomime wäre es gar nicht mehr nötig gewesen, dass der CSU-Chef die Geschichte dieser Wiederannäherung noch einmal erzählt: die Verständigung im Obergrenzenstreit, die selbst die Jamaika-Verhandlungen überdauerte, die Erfolge der CDU bei den Landtagswahlen von Saarbrücken bis Düsseldorf, die gemeinsamen Bemühungen um eine Regierung in Berlin. „Es steht jetzt nicht an ein Weiter so“, sagt der CSU-Chef, „sondern ,Wir haben verstanden’“. Und Merkel nickt dazu.

Bleibt noch nachzutragen, dass selbst Martin Schulz etwas abkriegt vom Vorweihnachtsfrieden. Kurz vor Merkels Auftritt hat der SPD-Vorstand den Weg für Koalitionsverhandlungen frei gemacht. Für die SPD, sagt die Kanzlerin, sei das ein langer Weg gewesen, und darum: „Ich habe vor diesem Beschluss großen Respekt.“

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