ARD-„Wahlarena“: Die sechs Versprechen des Olaf Scholz
Beflügelt durch gute Umfragewerte stellt sich Olaf Scholz den Fragen in der „Wahlarena“. Dabei sagt der SPD-Kanzlerkandidat einige Veränderungen zu.
Paris, Berlin, Lübeck: Weniger als drei Wochen vor der Bundestagswahl arbeitet Olaf Scholz dieser Tage weiter daran, seinem Image das gewünschte Attribut „kanzlertauglich“ anzuheften. Erst traf sich der SPD-Kanzlerkandidat am Montag mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Elysée-Palast, am Dienstagvormittag parlierte er frei und souverän im Deutschen Bundestag und parierte zudem lässig die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Nachfolge er alsbald antreten möchte. Und um dieses Ziel zu erreichen, reiste er dann am Abend dorthin, wo tags zuvor bereits Annalena Baerbock von den Grünen erschienen war: in die Kulturwerft der Hansestadt Lübeck.
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Dort, in der historischen Werfthalle, findet die „Wahlarena“ der ARD statt. Bei der dreiteiligen Reihe steht das Interesse des Publikums im Mittelpunkt. Die Fragen stellen nicht Journalisten, sondern Bürgerinnen und Bürger – und zwar über 75 Minuten an lediglich eine Person. Und das ist an diesem Dienstagabend der sozialdemokratische Spitzenkandidat Scholz.
Wie das Publikum sind auch die angerissenen Themen divers. Insgesamt 20 Fragen bekommt Scholz gestellt, das Spektrum erstreckt sich vom Mindestlohn bis hin zur Sterbehilfe.
Wer an diesem Abend einen ähnlich vitalen Auftritt wie am Montagabend bei Auftaktgast Baerbock erwartete, wird von Scholz enttäuscht. Denn egal, mit welcher Frage er konfrontiert ist: Der Hanseat trägt seine Sichtweisen sachlich, mit ausgewogener Körpersprache und den Fragestellenden stets zugewandt vor - manch Zuschauer mag ihm einen langweiligen Auftritt attestieren. Das thematisch unstrukturierte Format indes wehrt die Gefahr der Langeweile jedoch über die größten Strecken ab.
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Wie bei vorangegangenen Auftritten ist Scholz anzumerken, dass er bestrebt ist, sich als Mann für den politisch besonnenen Aufbruch zu inszenieren. Allerdings bleibt er in vielen Punkten vage. Und: Kritik an der Arbeit der Großen Koalition, der er seit 2018 als Bundesfinanzminister angehört, vermeidet der SPD-Mann weitestgehend. Allein, wenn der 63-Jährige einzelne Erfolge der Bundesregierung hervorhebt – was er oft tut – bezieht er sich stets auf die Arbeit sozialdemokratisch besetzter Ministerien, wie etwa das von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil.
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Und welche Parteien möchte Scholz für seine angestrebte Regierung ins Boot holen? Den nautischen Vergleich greift auch Moderator Andreas Cichowicz auf – eine Steilvorlage für den passionierten Ruderer Scholz: „Erstmal muss man ein ordentlicher Schlagmann sein. Und das ist das, was ich sein will.“
Um dieses Ziel zu erreichen, gibt Scholz in der „Wahlarena“ einige Versprechen ab:
- Regierungskoalition: Einer Neuauflage der Großen Koalition steht Scholz ablehnend gegenüber. „Sie können sicher sein, dass mein ganzes Ziel das ist, wie übrigens, wie ich den Eindruck habe, das vieler Bürgerinnen und Bürger, dass die CDU/CSU sich jetzt mal in der Opposition erholen kann“, sagt Scholz süffisant. Zur Frage nach einem Bündnis mit der Linkspartei, die ein Bekenntnis zur Nato ablehnt, erklärt er: „Für mich kann es nur eine Regierung geben, die klar dazu steht.“
- Mindestlohn und Mehrwertsteuer: Dieses Thema steht offenbar ganz oben auf Scholz‘ Agenda. „Ich bin sehr dafür, dass wir den Mindestlohn schon im nächsten Jahr auf 12 Euro anheben“, sagt er. Auf die von einem Gastronomen geäußerten Bedenken entgegnet er, dass es bei der Einführung des Mindestlohns viele Befürchtungen gegeben habe, die letztlich nicht eingetreten seien. „Es sind mehr sozialversicherungspflichtige Jobs entstanden“, sagt Scholz und verspricht, dass es nun erneut so komme. Zudem sagt er der Gastronomie zu, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 statt 19 Prozent auch über die Pandemie hinaus beizubehalten.
- Rente: „Ich bin gegen eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters“, versichert Scholz. Demnach ändere sich seine Haltung auch nicht mit Blick auf älter werdende Gesellschaft. Zur Debatte um ein stabiles Rentenniveau erklärt Scholz: „Ich garantiere das“, und verweist auf die Wahlprogramme der Konkurrenz, namentlich der CDU. „Ich mache Ihnen die feste Zusage, dass wir das hinkriegen.“
- „Klimakanzler“: Das ur-grüne Thema will auch Scholz als Kanzler besetzen. „Ich will Klimakanzler sein“, betont er. Den erst für 2038 geplanten Kohleausstieg verteidigt er, denn: „Wir brauchen Ersatz für Kohle- und Atomenergie.“ Sein Ziel aber bleibe eine klimaneutrale Wirtschaft. „Das ist natürlich (hier macht Scholz eine längere Pause, Anm. d. Red.) der Ehrgeiz, den wir erfüllen müssen.“
- Digitale Bildung: Die Digitalisierung im Lehrbereich sei zu spät in Angriff genommen worden, räumt Scholz ein. „Wir hätten das schon viel früher auf den Weg bringen müssen.“ Das Ende der Pandemie sei aber nicht das Ende der Digitalisierung, betont Scholz. „Corona ist ja bald vorbei, wir sollten aber nicht aufhören mit der digitalen Infrastruktur an den Schulen.“ Er wolle, dass „junge Leute“ digital versiert sind, deshalb solle der Digitalpakt fortgesetzt werden.
- Weniger Hass: Um einer Verrohung der Gesellschaft wie etwa durch Hetze im Internet entgegenzutreten, ist die Bundesregierung laut Scholz mit vielen gesellschaftlichen Gruppen im Austausch. Hierzu gebe es den vom Kabinett bereits beschlossenen Entwurf der SPD-Ministerinnen Giffey und Lambrecht für ein Demokratiefördergesetz. Die Unionsfraktion stelle sich jedoch quer, kritisiert Scholz. „Ich möchte das als Bundeskanzler endlich durchsetzen“. Hetze, insbesondere aus dem rechtsextremen Spektrum, sei schlimm und zerstöre die Gemeinschaft, so Scholz.
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18 Tage vor der Bundestagswahl befindet sich Scholz mit der Sozialdemokratie im Aufwind. In den jüngsten Umfragen legt die SPD deutlich zu – im Gegensatz zu den Grünen und der Union. Erst am Dienstag konnte sich die SPD im RTL/ntv-Trendbarometer um zwei Punkte auf 25 Prozent verbessern.
Derweil sind CDU und CSU erstmals unter die 20-Prozent-Marke gefallen und liegen in der Forsa-Umfrage nur noch bei 19 Prozent (minus zwei Punkte zur Vorwoche). Die Grünen landen bei 17 Prozent (minus eins), die FDP steigt auf 13 (plus eins).
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