Tagesspiegel-Gesundheitsforum: Die schwierige Frage nach der Lebensqualität
Beim Tagesspiegel-Gesundheitsforum diskutierten Experten über das Thema Lebensqualität. Diese ist in der medizinischen Versorgung nicht leicht zu ermitteln - weil sie auch subjektiv ist.
Welche Arzneimittel sollen von den Krankenkassen bezahlt werden? Diese Frage gehört zu den größten Streitpunkten des deutschen Gesundheitswesens. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei stets der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der über die Erstattungsfähigkeit neuer Arzneimittel entscheidet. Ihm soll nun von der Politik der Rücken gestärkt werden. Dafür plädiert der SPD-Gesundheitsexperte Edgar Franke beim „Fachforum Gesundheit“ des Tagesspiegels zum Thema Lebensqualität.
Die Verantwortung für schwierige Beschlüsse sollte nicht allein der G-BA tragen müssen, sagte Franke. Politik dürfe es sich nicht zu leicht machen. Falls die Koalitionsverhandlungen erfolgreich verliefen, könne dies ein Thema der neuen Regierung werden und in eine Weiterentwicklung des Arzneimittelneuordnungsgesetzes (Amnog) münden.
Der Rahmen für die Erstattung von Arzneimitteln ist durch das Amnog streng vorgegeben. Medikamente, mit denen nicht Krankheiten behandelt werden, sondern sich lediglich die Lebensqualität verbessert, werden von den Kassen nicht bezahlt, sagte Thomas Müller, Leiter der Abteilung Arzneimittel des G-BA. Beispiele sind Mittel gegen Potenzstörungen, zur Raucherentwöhnung oder zur Verbesserung des Haarwuchses. Das bedeute jedoch nicht, dass die Lebensqualität der Patienten keine Rolle spiele, betonte Müller. Sie ist ein wichtiger Maßstab, muss jedoch in Zusammenhang mit einer Behandlung betrachtet werden. Neben medizinischen Messwerten wie Blutdruck oder Röntgenbildern werde die Lebensqualität inzwischen stärker berücksichtigt. Es seien aber weitere Anstrengungen nötig, um ihre Aussagekraft als medizinischen Maßstab zu verbessern, sagte Müller.
Die Wünsche der Patienten fließen nicht in die Nutzenbewertung ein
Gegenwärtig werden die Wünsche der Patienten zu wenig berücksichtigt, kritisierte dagegen der Ökonom Axel Mühlbacher von der Hochschule Neubrandenburg. Sie fließen nicht in die Nutzenbewertung ein. Die Entscheidung darüber, ob ein Medikament von der Solidargemeinschaft bezahlt wird, fälle eine kleine Gruppe von Fachleuten. Patientenvorstellungen blieben außen vor. Das Expertenurteil, dass ein sechs Wochen längeres Überleben durch ein Krebsmedikament lediglich „verlängertes Siechtum“ sei, könne aus Patientensicht ganz anders ausfallen.
Lebensqualität ist in der medizinischen Versorgung nicht leicht zu ermitteln, weil sie einen subjektiven Faktor enthält. Doch könne auch die Politik etwas tun, um das Leben der Patienten leichter zu machen, wie die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) sagte. Das größte Problem aus Sicht Kolats ist der marode Zustand vieler Berliner Krankenhäuser. Zimmer ohne Duschen und Toiletten, bröckelnde Fassaden und undichte Dächer sind Anzeichen für einen hohen „Instandhaltungs- und Sanierungsstau“, sagte sie.
In Brandenburg stehen bei der medizinischen Versorgung andere Probleme im Vordergrund, hob Almuth Hartwig-Tiedt (Linke), Staatssekretärin im Brandenburger Gesundheitsministerium, hervor. Im Allgemeinen seien die Bürger mit der Versorgung zufrieden. Problematisch sei jedoch die große Entfernung, die viele Patienten aus dünn besiedelten Landstrichen zur nächsten Klinik zurückzulegen haben. Elektronische Kommunikation könne hier Entlastung bringen. (Tsp)