Finanzgespräche zwischen Bund und Ländern: Die Schäuble-Scholz-Connection
Der Bundesfinanzministers und der Hamburger Bürgermeister wollen die Bund-Länder-Finanzreform mit eigenen Vorstößen beschleunigen. Das stößt zunehmend auf Unmut in den Ländern.
Bis Dezember wollen sich Bund und Länder darauf verständigen, wie sie finanziell miteinander verfahren, wenn der aktuelle Länderfinanzausgleich samt Solidarpakt für die ostdeutschen Länder Ende 2019 ausläuft. Je näher aber der Advent rückt, umso geringer werden die Erwartungen. Denn der bisherige Verhandlungsverlauf ist unübersichtlich und chaotisch. Es gibt einerseits Berichte über große Reformpläne, die gern Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zugeschrieben werden, andererseits aber keine erkennbaren Fortschritte in den Verhandlungen, die offiziell derzeit auf der Ebene der Finanzminister ablaufen. Aber nicht nur dort. „Es geht kreuz und quer durcheinander“, so der Eindruck in einer Landesregierungszentrale. „Es wird viel in die Luft geschossen“, lautet ein anderes Urteil.
Vorarbeiten der Finanzminister
Die Finanzminister sollten vorarbeiten, dann wollte die Ministerpräsidentenkonferenz übernehmen. Doch die Fachebene kann (oder will) die erheblichen Differenzen auf Länderseite nicht ausräumen. Manche machen die sperrigen Bayern dafür verantwortlich, andere die Phalanx der finanzschwachen Länder. Immerhin gibt es eine 39-seitige Zusammenfassung der Positionen der Länder nebst Kommentaren des Bundes, soweit der eine Position hat. Wer will, kann daraus mögliche Lösungswege destillieren.
Wo aber Durcheinander und Bewegungslosigkeit herrschen, da braucht es welche, die Ordnung und Dynamik bringen. Diese Rolle haben sich Schäuble und der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zugeschrieben. Der eine leitet zusammen mit seinem nordrhein-westfälischen Kollegen Norbert Walter-Borjans (SPD) die Arbeitsgruppe der Finanzminister. Der andere ist von der Ministerpräsidentenkonferenz als eine Art Verhandlungsführer benannt worden. Beide hatten schon die Finanzthemen bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr beackert und haben, wie es heißt, seither einen direkten Draht. Das Selbstbewusstsein, die Reform im Duett anzuschieben, haben sie zweifellos. „Scholz will die Sache vorantreiben, will Tempo in die Verhandlungen bringen“, heißt es auf SPD-Seite. Entsprechendes hört man bei der Union über Schäuble. Freilich wurden die Bund-Länder-Gespräche so auch zu einer Art Fortsetzung dieser Koalitionsgespräche. Doch neigen nicht wenige Ministerpräsidenten zum Eigensinn. Einigen gefällt nicht, dass Schäuble und Scholz ihr eigenes Ding machen, dokumentiert unter anderem in einem kurzen Papier mit einigen Kernvorschlägen. „Schäuble verhandelt ja gern in Kleinstzirkeln“, kritisiert ein Ministerpräsident. Aber das entspreche nicht dem vereinbarten Verfahren. Und was in dem zweiseitigen Papier stehe, sei „diskussionswürdig, aber so nicht akzeptabel“.
Was wird aus dem "Soli"?
So sind die Länder keineswegs unisono der Meinung, dass der Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer integriert werden sollte. Das ist zwar eine einfache Lösung, die den Ländern und Kommunen einen Teil der bisher allein vom Bund vereinnahmten Ergänzungsabgabe bescheren würde. Aber das Volumen des Finanzausgleichs würde steigen. Es soll aber – das wollen vor allem Bayern, Baden-Württemberg und Hessen – sinken. Zudem haben sich Scholz und Schäuble ausgedacht, einen Teil des „Soli“-Volumens (derzeit gut 14 Milliarden Euro) zum Abbau der „kalten Progression“ im Einkommensteuertarif zu verwenden – ein Geschenk vor allem an Mittelverdiener.
Das Restaufkommen, also deutlich weniger, soll dann zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt werden – die Länder bekämen 42,5 Prozent. Davon sollen sie aber kollektiv Zinshilfen für besonders hoch verschuldete Länder und Änderungen im Länderfinanzausgleich bezahlen. Im Gegenzug erwartet Schäuble einen höheren Umsatzsteueranteil des Bundes, um den Wegfall seiner Einnahmen auszugleichen. Begeisterung löst das in den Ländern nicht aus. „Wir werden uns das sorgfältig ansehen“, sagt Walter-Borjans. Er gehört zu denen, die weiterhin eine Art Zweckbindung der „Soli“-Einnahmen wünschen – für die Strukturförderung in besonders schwachen Regionen. Doch bliebe nach dem Schäuble-Scholz-Modell dafür wohl nur noch wenig übrig.
Stabilitätsrat stärken?
Auch die Stärkung des Stabilitätsrats, wie von Schäuble und Scholz vorgeschlagen, ist umstritten. Das Gremium kontrolliert die Haushaltsführung von Bund und Ländern und wird in den Ländern auch als Disziplinierungswerkzeug des Bundes gesehen. Gemeinsame Bund-Länder-Anleihen werden von vier Ländern abgelehnt (Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg, Thüringen), das von Schäuble angebotene gemeinsame Schuldenmanagement könnte, je nach Grad der Zentralisierung, die Zahl noch erhöhen. Die von Schäuble und den schwächeren Ländern angepeilte Bundessteuerverwaltung lehnen die starken Länder ab.
Welche Wirkung die fetteste Karotte haben wird, die Schäuble und Scholz den Landespolitikern vor die Nase halten, ist auch ungewiss. Der Bund, so die Idee, könnte ab 2020 die gesamten Kosten der Unterkunft von Langzeitarbeitslosen und Grundsicherungsempfängern und das Wohngeld übernehmen. Da jubeln die Kommunen, vor allem die Stadtstaaten, Hamburg inklusive. Aber natürlich hat Schäuble auch hier eine Zusatzforderung parat – Gegenfinanzierung durch die Länder über den Verzicht auf einige Geldposten zu ihren Gunsten im Bundeshaushalt. So haben Scholz und Schäuble in der Tat für Bewegung gesorgt. „Wir waren schon weiter im ursprünglich vereinbarten Verfahren“, sagt der Magdeburger Regierungschef Reiner Haseloff (CDU). „Dahin müssen wir zurück.“