1. Mai in Berlin: Die Revolution ist tot
Berlins linksradikale Szene will es nicht wahrhaben: Die Demo der Autonomen ist nicht mehr als makabre Folklore. So wird das nichts mit der Revolution - zum Glück. Ein Kommentar.
Der Unterschied zwischen Revolution und Realitätsverlust kann gering sein. Nach dem Aufzug am Maifeiertag in Berlin behaupten die Veranstalter der „Revolutionären Demonstration“ allen Ernstes, „Zehntausende Menschen“ hätten teilgenommen. Diese hätten „ihre Wut gegen die herrschenden Verhältnisse, die Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg bedeuten, auf die Straße gebracht“. Und ein „starkes Zeichen der internationalen Solidarität“ gesetzt.
Klingt kolossal, ist aber weitgehend ein Fantasieprodukt. Nicht nur wegen der grotesk überhöhten Teilnehmerzahl. Die Polizeispricht von 7000 Demonstranten. Das kommt der Realität deutlich näher als „Zehntausende“. Aber das ist nicht entscheidend.
Auch dieses Jahr war wieder zu besichtigen, was die Autonomen und andere Linksradikale nicht wahrhaben wollen. Die „Revolutionäre Demonstration“ ist, ob mit Krawall oder ohne, politisch irrelevant. Einen Impuls für gesellschaftliche Veränderungen, gar für einen Umbruch, kann wohl nur erkennen, wer ganz fest an die Kraft der eigenen Propaganda glaubt.
Selbsternannte Avantgarde
Wie die Autonomen, die selbsternannte Avantgarde der Revolution und bei der Mai-Demo selbstverständlich immer an der Spitze. Was die Schwarzjacken am Maifeiertag rituell aufführen, ist makabre Folklore. Fast schon Burka-artig verpackte Vermummte, die Silvesterraketen abfeuern, Bengalos und Rauchtöpfe schwenken und die ewig gleichen Parolen rufen, kann niemand ernst nehmen, der Bündnispartner für mehr Gerechtigkeit sucht.
Dass die Demo dann noch am Schlesischen Tor konfus endete, weil ein Teil der Autonomen vor und zurück lief, ist fast schon nebensächlich. Wie auch der trotz vollmundiger Ankündigung gar nicht erst unternommene Versuch, den erstmals mit Eingangskontrollen gesicherten Görlitzer-Park zu stürmen und die „MaiGörli“-Party aufzumischen. Die vielen tausend jungen Menschen, die sich im Park und in den Straßen im MyFest amüsierten, hätten sich den autonomen Spaßbremsen auch nicht angeschlossen. Und die effektiv agierende Polizei hatte die Lage in Kreuzberg jederzeit im Griff.
Nun ist die Demo also vorbei, der erste Mai überstanden - und es sind keine Molotows geflogen, keine Steine geworfen worden. Es hat nicht gebrannt, nicht gescheppert, das Abendland steht noch unversehrt. Ich finde, das sind gute Nachrichten.
schreibt NutzerIn der_schoeneberger
Wie ein Zombie durch Kreuzberg
Die Revolutionäre Demo ist tot. Doch Berlins linksradikale Szene will es nicht wahrhaben. So schleppt sich der Zombie weiter durch Kreuzberg und wird zunehmend unansehnlich. Erst recht, wenn dann auch noch Antisemiten mitlaufen, wie die Fanatiker der israelfeindlichen Kampagne „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“. Und auch die in der Demo diesmal präsente PKK müsste für herrschaftsfeindliche Autonome ein eher seltsamer Mitstreiter sein. Die stramm hierarchische Kurdentruppe hält rein gar nichts von Anarchie. Der von einem PKK-Ableger in Nordsyrien etablierte und autoritär regierte Ministaat „Rojava“ ist keineswegs das Paradies der Freiheit, wie es deutsche Linksradikale gerne behaupten. Kann man bei Amnesty International nachlesen.
Dennoch präsentierten die Autonomen bei der Demo ein breites Transparent, das „Rojava“ glorifiziert. Das angekündigte „Fahnenmeer“ mit Flaggen der in Deutschland verbotenen PKK war allerdings ein eher bescheidenes Gewässer. So wird das nichts mit der Revolution. Zum Glück. In einem Gemeinwesen zu leben, in dem martialisch auftretende Autonome die Regeln bestimmen, ist nicht wirklich eine verlockende Utopie.
Die Republik hat aber Ideen nötig, wie mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen wäre. Wie die elende Altersarmut abgebaut werden könnte, wie Rassismus und Antisemitismus und Sexismus nachhaltig zu begegnen wäre, und und und. Die Revolutionäre Demo hat da keine Antworten zu bieten. Möge sie endlich in Frieden ruhen.