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Bodo Ramelow nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten.
© Reuters

Bodo Ramelow: Die Rede des Ministerpräsidenten von Thüringen im Wortlaut

Der neue Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow (Die Linke) hat sich in seiner ersten Rede nach Amtsantritt zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte bekannt. Die Rede im Wortlaut.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,  

ich bedanke mich für das Vertrauen, das mir die Mehrheit der Abgeordneten eben ausgesprochen hat. Ich möchte auch diejenigen ansprechen, die mir heute ihr Vertrauen nicht aussprechen wollten oder konnten. Trotz aller Differenzen hinsichtlich der inhaltlichen Vorstellungen ist mir an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Opposition gelegen. Das Wahlergebnis vom 14. September hat uns allen viel zu denken gegeben. Damit meine ich nicht nur die knappen Mehrheitsverhältnisse hier im hohen Haus, sondern vor allem auch die niedrige Wahlbeteiligung.

Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, die Menschen im Land stärker in die Politik, die sie selbst betrifft, einzubeziehen und mitgestalten zu lassen.

Anlässlich meiner Wahl zum Ministerpräsidenten möchte ich an dieser Stelle ein paar Anmerkungen zur Art des Umgangs miteinander machen und zur Bedeutung für die Art des Umgangs in unserem Land. Die letzten Wochen … hat dieses Land intensive politische Debatten erlebt, bei denen es einerseits um das Regierungshandeln ging, bei denen aber andererseits auch Symbolik eine große Rolle spielte.

Mit der Art, mit der wir uns hier im Parlament und darüber hinaus auseinandersetzen, entscheiden wir auch über die politische Kultur des Landes. Die Geschichte lehrt uns, dass ein fairer und respektvoller Umgang unter politischen Kontrahenten nicht selbstverständlich ist. Er muss aktiv und jeden Tag neu hergestellt werden. Ich von meiner Seite her, will das tun.

Ich danke ausdrücklich an dieser Stelle den Fraktionsvorsitzenden der Regierungsfraktionen … in der Zeit, als es uns möglich war, als Opposition über drei Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Ich danke ausdrücklich Christine Lieberknecht als Ministerpräsidentin für eine Amtszeit in der es gelungen ist, auch Akzente zu setzen. Professor Homolka ist heute auch hier und nimmt an der Plenarsitzung teil. Dass es möglich ist, dass die jüdische Theologie nach 200 Jahren zum normalen Lehrfach geworden ist, ist nicht normal. Liebe Christine Lieberknecht, es ist Ihnen zu danken, das andere Parlamente sich dann bewegt haben und die jüdische Theologie zu einem normalen Lehrfach in Deutschland wurde. Dankeschön dafür.

Solidarität, Fairness, Respekt

Als jüngerer Mensch habe ich über einen Satz des Bundespräsidenten Johannes Rau immer ein bisschen gelächelt. Heute weiß ich, dass dieser Satz bedeutsamer ist, als ich ihn damals wahrgenommen habe. Sein Leitmotiv hieß versöhnen statt spalten. Und ich glaube, daran wird sich die neue Landesregierung messen lassen müssen.

Und damit werde ich auch mich persönlich messen lassen müssen. Nur, wer den anderen so behandelt, wie er selbst behandelt werden wollte, nur so können wir den Menschen glaubhaft vermitteln, dass Solidarität, Fairness und Respekt uns alle zusammen weiterbringt. Fast die Hälfte der Menschen in Thüringen ist bei der letzten Landtagswahl zu Hause geblieben. Mich sorgt das sehr und wir alle hier im hohen Haus sollten das als Herausforderung begreifen, Politik wieder näher an die Menschen zu bringen, damit sie sich einbringen in die Demokratie, die sie sich selber vor 25 Jahren erkämpft haben.

Aus Umfragen wissen wir, dass viele dieser Menschen deshalb nicht wählen gehen, weil sie nicht mehr den Eindruck haben, dass die Politik etwas für sie selber verändern würde, etwas zum Besseren schaffen würde, obwohl es aus unserer Sicht hier im Parlament immer Verbesserungen gegeben hat und trotzdem fühlt der Einzelne sich abgehängt und deswegen müssen wir einen Blick für die Menschen haben, für die Menschen, die uns nicht mehr zutrauen, dass wir ihre Lebensverhältnisse verbessern. Daran müssen wir uns als Politiker messen lassen.  

Meine sehr verehrten Damen und Herren. Auf der Tribüne hat ein mir sehr wichtiger väterlicher Freund Platz genommen. Und den spreche ich an. Lieber Andreas Möller, die Partei, der ich beigetreten bin, ist in ihrer Quellpartei eine Partei, in deren Namen Du im Gefängnis gesessen hast. Es lässt mich nicht ohne Emotionen, wenn ich weiß, dass deine Freundschaft zu mir ein langer Weg war und du mich oft für meine Parteimitgliedschaft attackiert hast und gesagt hast, darüber müssen wir reden, denn deine Partei hat viel Unrecht über die Menschen  gebracht.  

Andreas Möller hat im Stasi-Knast in Potsdam gesessen. Er hat mich mitgenommen an den Ort, an dem er im Blut gelegen hat. Er hat in Waldheim ein paar Jahre gesessen, und ich kann nur sagen, lieber Andreas Möller, dir und allen deinen Kameraden kann ich nur die Bitte um Entschuldigung übermitteln und ich kann sagen, die Landesregierung und unsere drei Parteien haben sich so intensiv mit dem Thema Aufarbeitung und DDR-Unrecht beschäftigt und einiges in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, was wir angehen wollen, mit denen, die gemeinsam mit uns diesen Weg gehen wollen. Die Einladung gilt, uns mitzunehmen in den Dialog, auch im 25. Jahr der friedlichen Revolution miteinander ins Gespräch kommen zu wollen.

"Wir müssen gemeinsam den Weg der Aufarbeitung gehen"

Es grämt mich, wenn ich Plakate sehe, die gegen Mike Mohring gerichtet sind und es beschämt mich, wenn ich sehe, wie das Wahlkreisbüro von Katharina König, das Haskala, mit "Judenfeind" beschmiert wird. All das sind Anzeichen eines politischen Klimas, bei dem wir gemeinsam zusammenstehen müssen, damit aus Worten nicht Taten werden.

Die Botschaft der Menschen und deswegen – ich habe in den vergangene Tagen gehört, das heute ein historischer Moment war – nein, der historische Tag war gestern vor 25 Jahren, in Erfurt, als die Erfurterinnen und Erfurter sich aufgemacht haben, die Machtzentrale des Machtapparates friedlich zu besetzen und damit den Prozess eingeleitet haben, der es möglich gemacht hat, dass ich heute hier stehen kann.

Und deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir gemeinsam den Weg der Aufarbeitung gehen. Und deshalb … müssen wir unseren Anteil mit in diese Aufarbeitung einbringen. Ich danke den drei Koalitionsparteien, dass wir den Koalitionsvertrag intensiv erarbeitet haben. Ich danke den Kollegen, die mir gezeigt haben, dass man in Koalitionsverhandlungen Kraft tanken kann und nicht gegeneinander steht. Das ist eine neue Qualität. Und ich möchte, dass die Staatskanzlei ein offenes Haus wird, für das Parlament und die regierungstragenden Parteien.

Ich denke aber auch, wir müssen Zeichen setzen für die Menschen, die sich in Thüringen nicht mehr eingebunden sehen, Langzeitarbeitslose, Menschen in Alltagsarmut. An die müssen wir denken und daran müssen wir uns messen lassen.

Und deshalb haben wir ein ergiebiges Programm, und daran wollen wir gemessen werden. Und deshalb bitte ich um eine faire Behandlung, hart in der Sache – Mike Mohring hat mir nie etwas geschenkt in der politischen Auseinandersetzung – das erwarte ich. Aber es galt immer die Fairness, wenn es für das Land wichtig war, miteinander zu reden. Und deshalb einen guten Start, eine gute Regierungsarbeit, auf gute Zusammenarbeit. Vielen Dank.

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